Stellt ein Fachmann die deutsche Mannschaft auf?
Eine Grippewelle könnte bei der deutschen Nationalmannschaft dazu führen, dass ein Arzt die Startelf gegen Frankreich bestimmt. Damit wäre garantiert, dass in der Ära Löw erstmalig ein Fachmann für die Aufstellung der Mannschaft zuständig wäre.
Von Siegfried Zagler
Aus Brasilien kommt die Botschaft, dass sieben Spieler „irgendwie leicht grippeerkrankt sind“, wie Bundestrainer Löw es am gestrigen Mittwoch formulierte. Es sei nicht auszuschließen, dass der Arzt die Mannschaft aufstellt. Das klingt vor dem Viertelfinale gegen Frankreich in Rio de Janeiro (Freitag, 18 Uhr) wie eine Hiobsbotschaft. In Wirklichkeit aber würde es sich um eine glückliche Fügung des Schicksals handeln. Es wäre nach dem Amtsantritt von Joachim Löw im Jahre 2006 nämlich das erste Mal, dass ein Fachmann die deutsche Mannschaft aufstellt.
Das mag ein wenig boshaft daher geschrieben sein, was aber nichts daran ändert, dass sich die komplette Fußballwelt darüber amüsiert oder ärgert, dass ein Weltklasse-Außenverteidiger im zentralen Mittelfeld spielen muss, wo es einen Überhang von überragenden Akteuren gibt, während die deutsche Abwehrkette außen mit zwei gelernten Innenverteidigern agiert, die schnell überfordert sind, wenn sie unter Druck gesetzt werden. Die Idee, Philipp Lahm als Sechser agieren zu lassen, hat Löw eins zu eins von Bayerns Tiki-Taka-Trainer Guardiola übernommen. Dass Löw Shkodran Mustafi, der bei Genua in der Serie A nicht besonders auffiel, nach der Verletzung von Reus nachnominierte, hat nicht nur die italienischen Journalisten überrascht. Nach seinem Muskelbündelriss im Algerienspiel ist für Mustafi das Turnier beendet. Für den jungen Mann eine Katastrophe, für die deutsche Mannschaft eine weitere Chance, dass die Not und der Arzt die Sperenzchen des Bundestrainers eliminieren und Löw endlich dazu übergeht, das zu praktizieren, was seine Vorgänger Schön, Derwall und Beckenbauer so unschuldig wie gekonnt von der Bild-Zeitung übernahmen, nämlich auf das Naheliegende zurückzugreifen.
Gestern hat Torwart-Trainer Andreas Köpke ein Umdenken im Trainerstab angedeutet. Die Grippe, der Arzt und möglicherweise sogar der Verlauf des Algerienspiels könnten im Zusammenspiel mit der herben Kritik an Löw dazu beigetragen haben. Die deutsche Mannschaft muss sich selbst aufstellen. Wenn Löw aus dem Vollen schöpfen kann, neigt er dazu, alles verkehrt zu machen.