Blütenträume für hundert Millionen
Stadttheater präsentiert Sanierungs- und Neubaupläne
Von Frank Heindl
Künstler sind prädestiniert dafür, die Phantasie produktiv ins Kraut schießen lassen kann. Am Freitagabend ließen sie ihren sehnsüchtigen Wünschen freien Lauf: Im Stadttheater wurden die Ergebnisse der „Grundlagenermittlung zum Theaterstandort Augsburg“ bekanntgegeben. Träumen wird man ja wohl noch dürfen.
Professor Jörg Friedrich vom Team PFP Architekten in Hamburg stellte in einem rasanten Schnelldurchlauf die wichtigsten Eckpunkte der Studie vor, deren 350seitige Komplettfassung in den nächsten Tagen dem Stadtrat zugeht. Aufgabe des Gutachtens war es, eine Gesamtperspektive für beide Augsburger Spielstätten, also für Komödie und Großes Haus zu ermitteln. Erstes Ergebnis war, dass als Zwischenlösung für die von der nächsten Saison an nicht mehr bespielbare Komödie ein in Leichtbauweise zu erstellendes Interimsgebäude im derzeitig als Parkplatz genutzten „Hinterhof“ des Großen Hauses ins Gespräch kam. Näher angeschaut hatte man sich auch Gaswerk und Kälberhalle als Ausweich- wie als Dauerspielstätten – beide Objekte bringen aber eine ganze Menge neuer Probleme ins Spiel. Beim Gaswerk sind das vor allem bauliche Aspekte und ungeklärte Schadstoffprobleme, bei der Kälberhalle geht’s um Denkmalschutz und Mietfristen, die die Stadt zu lange binden würden.
Der Reiz des Vorläufigen
Dass damit die Entscheidung auf das Interimsprojekt auf dem Theaterparkplatz zulief, hat in den Augen der Planer viele Vorteile. Vor allem ist es die Möglichkeit einer gestaffelten Herangehensweise, die Architekten wie Theaterleute gleichermaßen begeistert. Zwar war man sich bei der Präsentation der Pläne nicht unbedingt einig, ob man nun von charmanter „Leichtbauweise“ (Kulturreferent Peter Grab) oder eher von einer „Blechkiste“ (Planer Friedrich) sprechen müsse. Dem Reiz des Vorläufigen und Experimentellen am Behelfsbau wollte sich aber keiner der Anwesenden verschließen. Besser als die derzeitige Komödie erscheint die Lösung auf jeden Fall, vor allem aber ergeben sich enorme logistische Vorteile, spart sich das Theater „eine Fülle von Transporten, eine Fülle von Problemen“, so Jörg Friedrich.
Doch das sind nur Nebenaspekte der „generellen Lösung“. Diese sieht in mehreren voneinander trennbaren und daher modulartig aufeinander aufbauenden Schritten sowohl Sanierung beziehungsweise Neubau der hinter dem Theater befindlichen Werkstätten- und Lagergebäude vor, als auch den Neubau des „Kleinen Hauses“, also eines Ersatzbaus für die Komödie. Anschließend könnte man daran gehen, den „Sanierungsstau“ (Friedrich) im Großen Haus zu beheben. Vor allem müsste dort die gesamte veraltete Haus- und Bühnentechnik auf den neuesten Stand gebracht werden, ebenso dringend erscheint die energetische Sanierung. Zum Träumen schön sind die wenigen Details, für die der Vortrag Zeit fand – etwa die neue, vom Foyer aus zugängliche Dachterrasse mit weitem Blick über die Fuggerstraße. Wer da noch keine Wonnetränen in den Augen hatte, durfte sich anschließend noch an den Ideen für die Freilichtbühne ergötzen. Für sie sieht die aufwändigste Variante eine neue, größere Bühne und einen erweiterten Tribünenbereich ebenso vor wie unterirdische Toilettenanlagen und Umkleideräume, einen Schallschutz gegen den Verkehr rund ums Rote Tor und eventuell sogar noch eine Teilüberdachung des Publikumsbereiches.
Vor 2013 keine Chance
Doch allzu üppigen Blütenträumen machte Kulturreferent Peter Grab schnell ein Ende. Er verwies unmissverständlich darauf, dass eine Reihe von teuren Aufgaben die Haushalte der Legislaturperiode belasten: „Die nächsten Jahre geben ein neues Großprojekt nicht her“, vor 2013 sehe er keine Chance, mit der konkreten Umsetzung beginnen zu können. In der Tat haben die Planer enorme finanzielle Anforderungen errechnet: Mit um die 60 Millionen Euro würde allein der Neubau des Komödienersatzhauses mit 400 Zuschauerplätzen zu Buche schlagen – inklusive genug Platz, um auf teure Mieten für Lager, Werkstätten und Verwaltungsräume zukünftig verzichten zu können. Die Sanierung des Großen Hauses würde weitere 27 Millionen kosten, der Ausbau der Freilichtbühne je nach Variante zwischen sieben und 15 Millionen, die Zuschauerüberdachung noch nicht mitgerechnet, für die nochmal knapp drei Millionen veranschlagt werden. 100 Millionen insgesamt – eine Horrorvorstellung wohl für die Haushaltspolitiker im Stadtrat, selbst wenn, wie Prof. Friedrich nicht zu erwähnen vergaß, die Mehrwertsteuer schon eingerechnet ist.
Aus der Traum? So ganz wohl nicht. Peter Grab plädiert für realistisches schrittweises Herangehen und liegt dabei auf einer Linie mit Intendantin Juliane Votteler, die im Gutachten einen „logischen Stufenplan“ sieht, „der uns sehr einleuchtet.“ Es gelte jetzt, so Grab, zügig an der Vorplanung zu arbeiten, Zuschüsse der Regierung von Schwaben und des Freistaates lockerzumachen, alle vor dem Baubeginn notwendigen Planungsstufen anzugehen. Aber auch wenn politisch alle Weichen gestellt würden, müsse man „von einem Zeitraum von mindestens 10 Jahren reden.“
Es bleiben offene Fragen
Ob das realistisch ist, hängt nicht nur von Haushaltslage und Zuschüssen ab. Denn in Details lässt das Gutachten wichtige Fragen unbeantwortet. So ist nicht geklärt, wo der Behelfs-Leichtbau auf dem Theaterparkplatz hin soll, wenn dort mit dem Komödie-Neubau begonnen würde. „Auf ein anderes Grundstück der Stadt“, lautet die lapidare Antwort von Prof. Friedrich. Doch dann wären die gerade beseitigten logistischen Probleme auf einen Schlag wieder da. Und der Behelfsbau würde auch dann noch gebraucht, wenn der Neubau fertig wäre – in der Sanierungsphase des Großen Hauses müsste er erneut als Ausweichspielort dienen.
Eine neue Spielstätte, ein generalsaniertes Großes Haus, Werkstätten und Lager auf dem neuesten Stand, das alles in zehn Jahren – der Traum erscheint zu schön, um wahr zu werden. Bleibt abzuwarten, was die Politik daraus macht. Wenigstens bei den Vorplanungen zügig in die Vollen zu gehen, wäre ein gutes Zeichen fürs Theater. „Wir brauchen jetzt ganz dringend eine Perspektive“, sagt Schauspieldirektor Markus Trabusch, „wir brauchen ein Zeichen, dass unsere dramatische Situation erkannt und etwas unternommen wird.“ Wir vom Publikum, soviel ist sicher, hätten auch nichts dagegen.