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Dienstag, 19.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

LITERATUR

Bertolt-Brecht-Preis geht an Sibylle Berg

Der Literaturpreis der Stadt Augsburg feiert 25-jähriges Jubiläum und wird heuer im Rahmen des Brechtfestivals zum 10. Mal vergeben – und geht dieses Jahr an Sibylle Berg

Sibylle Berg Foto © Joseph Strauch

Der mit 15.000 Euro dotierte Literaturpreis wird am Dienstag, 18. Februar, während des Brechtfestivals (14. bis 23. Februar) im Goldenen Saal des Augsburger Rathauses an die Schriftstellerin, Dramatikerin und Kolumnistin verliehen. Die Laudatio hält Dr. Julia Encke, Literaturchefin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Die Stadt Augsburg vergibt alle zwei Jahre den Bertolt-Brecht-Preis an Persönlichkeiten, die sich in ihrem literarischen Schaffen durch die kritische Auseinandersetzung mit der Gegenwart auszeichnen. Der Preis wird heuer zum zehnten Mal vergeben. Bisherige Preisträger und Preisträgerinnen sind Franz Xaver Kroetz, Robert Gernhardt, Urs Widmer, Christoph Ransmayr, Dea Loher, Albert Ostermaier, Ingo Schulze, Silke Scheuermann und Nino Haratischwili.

„Sibylle Berg ist eine Virtuosin der literarischen Kälte und der Klarheit, eine Meisterin des nüchternen Blickes und der illusionslosen Analyse. „Denn für dieses Leben“, sang einst Bertolt Brecht, „ist der Mensch nicht gut genug“. Literatur dient, davon sind Berg und Brecht überzeugt, nicht dem Trost oder der gefälligen Verschönerung der Welt. Sondern dazu, Bosheit und Not samt deren Ursachen mit brutaler Offenheit zu benennen.“ (Auszug aus der Jury-Begründung)

Sibylle Berg hat keine Berührungsängste, genreübergreifend zu arbeiten – auch damit ist sie ganz bei Brecht. Wie kaum eine andere zeitgenössische Literatin verbindet sie gesellschaftskritische Avantgarde und großes literarisches Können mit Popkultur. Das dokumentiert in beeindruckender Weise der 2019 erschienene Roman »GRM – Brainfuck«, der mit Klarheit, Eindringlichkeit und Empathie aktuelle (und zukünftige) soziale Verwerfungen thematisiert. »Ein Buch wie ein Sprengsatz« schreibt die ZEIT-Autorin Ursula März in ihrer Besprechung. Für ihre Überzeugungen tritt die Autorin auch jenseits des literarischen Schaffens und mit zivilgesellschaftlichem Engagement ein, zum Beispiel durch eine Initiative, die sich gegen die Überwachung von Krankenversicherten ausspricht. Wie verhalten sich Menschen in Gesellschaften? Was treibt sie an? Hinter Bergs Texten, –mögen sie manchmal noch so düster und pessimistisch sein,– steht eine von Solidarität und Mitgefühl geprägte Haltung.

„Der Mensch ist gar nicht gut, / drum hau ihm auf den Hut“, schrieb Brecht. Sibylle Berg ist eine große Auf-den-Hut-Hauerin der deutschen Gegenwartsliteratur. Sie ist das nicht aus Übermut oder Zynismus. Hinter der leidenschaftlichen Wildheit ihrer Stücke und Romane stehen ein gar nicht so geheimer Humanismus und ein inständiger Wunsch nach Besserung. „Hast du ihm auf den Hut gehaun“, fährt Brecht in seinem Gedicht fort, „dann wird er vielleicht gut.“ Sibylle Berg erspart den Lesern ihrer Romane und Zuschauern ihrer Stücke nichts. Auch nicht die Verantwortung, aus dem zu lernen, was sie da lesen oder sehen.“ (Auszug aus der Jury-Begründung)