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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Baupolitik in Augsburg: Eine Geschichte der Verkennung des eigenen Reichtums

Der Abriss des alten Gärtnerhauses im Martini-Park ist mehr als eine schmerzliche Episode in der Geschichte der Stadt Augsburg. Der fahrlässige Umgang mit ihrem historischen Erbe ist kein Symptom einer spezifischen Krankheit der Stadtverwaltung, sondern die Krankheit selbst. Eine Krankheit, die schwer zu heilen ist und seit vielen Jahrzehnten  städtebauliche Wunden erzeugt. Sie trägt verschiedene Namen. Manche nennen sie „Wachstum und Fortschritt“, andere „Gedankenlosigkeit und Barbarei“. Dass bezüglich der Augsburger Stadtentwicklung im Lauf der Zeit eine politisch codierte Konzeptlosigkeit zu erkennen ist, zeigt DAZ-Autor Dr. Gregor Nagler mit seinem historischen Abriss der Augsburger Baupolitik auf. Naglers Text erzählt auf spannende Weise, dass sich die Bürger der Stadt Augsburg gegen zyklisch wiederkehrende Eliminations­unternehmungen bezüglich der Historizität ihrer Stadt zu formieren verstanden.



Von Dr. Gregor Nagler

So sah es noch vor wenigen Tagen aus ....

"Wenn man es erhalten hätte, hätte es wie ein Fremdkörper im neuen Ensemble gewirkt."


Augsburg im Sommer 2016: Auf den ersten Blick scheint alles ziemlich einfach. Es werden Wohnungen in großer Zahl benötigt und da liegt direkt an der Schleifenstraße ein Areal, für das ein Bebauungsplan erstellt werden kann. Statt Gewerbe, wie ursprünglich vorgesehen, will die Martini GmbH Wohnungen errichten, ein Teil des alten Parks soll zugänglich werden. Aber da stehen mitten im Park, etwa dort, wo künftig Wohnhäuser in den Himmel wachsen sollen, das Haus des „Herrschaftsgärtners“ sowie ein Heizhaus mit Gewächshäusern. Direkt am Hanreibach in einer Streuobstwiese gelegen wirkt die Architekturgruppe, als sei sie einem Landschaftsgemälde des 19. Jahrhunderts entsprungen. Wer dieses Ensemble einmal gesehen hat, der versteht, was ein Expertenkolloquium 26 Jahre vorher am Textilviertel so entzückte. Eine Landschaft mitten in der Stadt! Ann Shaw, Leiterin der Ortsgruppe Augsburg des Bundes Naturschutz, versucht mit dem Eigner ins Gespräch zu kommen, schließlich bildet sich ein Freundeskreis „Gärtnerhaus im Park“ und kämpft für den Erhalt des Gärtnerhauses, der Gewächshäuser und ihrer Umgebung. Doch seit 1996 besteht für die Baugruppe eine Abbruchgenehmigung, auf die sich Besitzer, Planer und Architekten berufen. Die Aufnahme in die Denkmalliste scheitert am negativen Gutachten des Landesamts für Denkmalpflege. Doch die Kritik an dem Bebauungsplan verstummt nicht. Die Aktivistinnen und Aktivisten um Alexandra Blümel, Irene Kuhn und Martina Vodermayer sehen nicht ein, warum nicht eine höhere Bebauung an der einen Stelle und dafür eine weniger dichte an der anderen umgesetzt werden könnte. Dadurch, so ihr Argument, wären Gärtner- und Heizhaus sowie die Streuobstwiese zu erhalten. Auf der Gegenseite stehen Norbert Diener, Leiter des Stadtplanungsamts und Thomas Glogger, Architekt der Martini GmbH, die in der projektierten Bebauung mit würfelförmigen Punkthäusern bereits die bestmögliche Lösung sehen.

Am 8./9. Juli läutet die Martini GmbH überraschend dem Gärtnerhaus sein Totenglöcklein, obwohl der Bebauungsplan im Stadtrat noch nicht abgesegnet ist. Die Kritik soll sich mit den Bauten am liebsten in Luft auflösen. Wolfgang Geisler von der Martini GmbH lässt, nachdem das Gärtnerhaus in Trümmern liegt, verlauten, man bedaure den Abbruch, kümmere sich ansonsten viel um historische Architektur, habe in diesem Fall trotz aller Mühen aber keine Möglichkeit zur Umnutzung gesehen. Augsburg brauche schließlich Wohnungen und die Stadt bekäme einen Park geschenkt. Genauer wohl: Martini räumt der Kommune ein Nutzungsrecht ein, letztere kümmert sich um die Pflege der Anlage. – Was eigentlich sagt diese Episode über die Baupolitik der Stadt aus?

Einen Anhaltspunkt lieferte Thomas Glogger am 11.07.2016 mit einer beiläufigen Bemerkung, die in der Stadtzeitung abgedruckt wurde. Man dürfe nicht immer am Alten kleben und weiter: „Im Fall des Gärtnerhauses hätte dieses eher wie ein Fremdkörper im Gesamtensemble gewirkt, wenn man es erhalten hätte.“ Es ist eine bemerkenswerte Aussage, mit der eine Planung gerechtfertigt wird, die das Alte mit lockerer Hand vom Feld wischt, um ein neues Wohngebiet möglichst unbehelligt von allen „Fremdkörpern“ schematisch überplanen zu können.

Pars pro toto im Martini-Park: Baupolitik mit dem Abrissbagger

Pars pro toto im Martini-Park: Baupolitik mit dem Abrissbagger

I Vom Wiederaufbau zur Stadtsanierung: Die prägenden Debatten der 60er Jahre

Wie bei vielen Projekten der aktuellen Stadtbaupolitik beginnt die Geschichte, die im Sommer 2016 mit dem Eklat um das Martini-Gärtnerhaus enden sollte, viel früher. Um zu verstehen, warum es in Augsburg so ist, wie es heute ist, muss man weit zurückgehen. Ab 1945 war die Augsburger Stadtplanung unterschiedlichen, teils gegenläufigen Strömungen unterworfen. Der Augsburger Stadtbaurat Walther Schmidt hatte sich dem Aufbau der kriegszerstörten Stadt zu widmen, unter Hermann Stab vollzog sich ein Paradigmenwechsel hin zur Stadtsanierung und Bewahrung der historischen Restbestände unter dem Eindruck des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes (1973). Die Bürger redeten dabei ein paar gewichtige Worte mit.

Die geplante Bebauung des Rathausplatzes löste das erste Bürgerbegehren der Nachkriegsgeschichte aus

Die geplante Bebauung des Rathausplatzes löste das erste Bürgerbegehren der Nachkriegsgeschichte aus


Zwei Schlüsselereignisse für die Stadtbaupolitik waren die Rathausplatz- und Zeughausdebatte: Am Ludwigsplatz vor dem Perlachturm war 1944 gegenüber dem Rathaus die Augsburger Börse zerstört worden. Der Stadtbaurat muss sich seiner Sache sehr sicher gewesen sein, als zehn Jahre später ein Wettbewerb zur Neugestaltung dieses zentralen Augsburger Stadtraumes ausgeschrieben wurde. Dass Schmidt den Ausschreibungstext formulierte, war wenig anstößig, dass er mit in der Jury saß, auch nicht, dass er die Zusammensetzung des Preisgerichts bestimmte, nun gut. Aber dass er einen eigenen Entwurf einreichte und dieser – welch Wunder – den ersten Preis erhielt, das rief dann doch Kritiker auf den Ludwigsplatz: Gerhard Ludwig und Norbert Lieb setzten sich für die alte Platzform ein und opponierten gegen Schmidts Verwaltungsbau, der vor dem Rathaus erstmals in dessen Geschichte eine Freifläche gelassen hätte. Der Augsburger Künstler Günther Strupp setzte die Diskussion als „Katalaunische Schlacht“ ins Bild. Nach endlosen Querelen aber ließ Walther Schmidt 1960 die Ruinen der Börse abräumen. Was dann kam war großes Augsburger Kino: Die Bürger liefen an der Philippine-Welser-Straße zusammen und waren überwältigt von dem unverstellten Blick auf „ihr“ Rathaus. 55.000 Stimmen sammelte eine Initiative für den freien Rathausplatz. Bei einem Vortrag Liebs, der ebenfalls zum freien Platz bekehrt worden war, kam es 1961 zu tumultartigen Szenen. Der Bürgerwille brach sich Bahn und räumte den Platz für immer frei, wenn auch der Stadtrat 1962 lediglich  beschlossen hatte, vorläufig nicht zu bauen. In den Schubladen allerdings verschwand nicht nur Schmidts mehrmals überarbeiteter Entwurf für ein Sparkassen- und Verwaltungsgebäude, sondern zum Beispiel auch Thomas Wechs‘ Planung für einen vergrößerten Dreiecksplatz.

„Beim geplanten Verkauf des Zeughauses hatte der Stadtrat nicht die geringsten Bedenken“

Ging es hier noch um eine ästhetische Frage, so zeigte sich das keimende Bewusstsein für Architektur als Geschichtsquelle beim Streit um das Zeughaus. Dem drohte 1965 der Verkauf an den Horten-Konzern. Ein skandalöser Gedanke, gegen den im Stadtrat nicht die geringsten Bedenken erhoben wurden. 1966, die Regierung von Schwaben hatte inzwischen Einspruch erhoben, ließ sich das Verwaltungsgericht Augsburg sogar zu einer ästhetischen Einschätzung hinreißen, als es diesen Einspruch für nichtig erklärte: Es handele sich beim Zeughaus um einen „unansehlichen und etwas heruntergekommenen Altbau“. Die Entkernung des Zeughauses drohte, der Dachstuhl aus dem 17. Jahrhundert wäre hinterher als Totalverlust zu beklagen gewesen – und dies nicht durch Bomben, sondern durch Betonköpfe. Das I-Tüpfelchen: Die großartige Bronzegruppe hätte die Stadt dem Kaufhauskonzern in Erbpacht überlassen. Wieder sahen sich also die Bürger gezwungen, ihre Stadtregierung zur Besinnung zu bringen: Gerhard Ludwig mobilisierte zum Protest, unter anderem die Kunsthistoriker Erwin Panofsky, Wolfgang Braunfels, Erich Steingräber und Norbert Lieb, den berühmten Architekten Walther Gropius und den weltberühmten Wissenschaftler Werner Heisenberg. Letztlich aber verhinderte nicht der prominente Widerstand, sondern nur ein Fehler im Kaufvertrag die Umnutzung des Zeughauses in ein Kaufhaus.

„Die Diskussionen um die Augsburger Baupolitik trugen zum Demokratisierungsprozess in der Nachkriegszeit bei“

Die Bürgerschaft erkämpfte sich also selbst ihr Recht auf Teilhabe und auf Bewahrung des Kulturerbes gegen ihren autoritären Stadtbaurat. In der Rückschau lässt sich festhalten, dass die Diskussionen um die Augsburger Baupolitik viel zur Demokratisierung in der Nachkriegszeit beitrugen. Nicht selten wird das Rathausplatz-Bürgerbegehren als das erste im Nachkriegsdeutschland bezeichnet. Die Folge: Denkmalpflege und Sozialpolitik gingen in den 1980er-Jahren bei der Sanierung des Lech- und des Ulrichsviertels Hand in Hand, indem das Wohnumfeld verbessert werden konnte. Und was wäre Augsburg heute ohne die Bäche und Kanäle, die man damals aufdeckte und ohne die alten Zins- und Handwerkerhäuser, die auf mehr oder weniger sanften Druck des Bauamtes saniert wurden?

II Das Textilviertel und die Kasernenareale: Verwertung statt Gestaltung

In den 1990er-Jahren aber gab es einen erneuten Richtungswechsel in der Stadtbaupolitik Augsburgs, der auch mit der überregionalen Entwicklung – dem Strukturwandel und der Wiedervereinigung Deutschlands – zu tun hatte. Er wird manifest anhand der städtebaulichen Ziele, die die Kommune im Textilviertel verfolgte. Nach dem Strukturwandel in der Textilindustrie wurde aus diesem Ort der Arbeit sukzessive eine Brache. Je mehr die Textilbetriebe in Schwierigkeiten gerieten, desto mehr zogen sie aus ihren Grundstücken Kapital, das dann in den Betrieb fließen konnte. Die Kommune kaufte Flächen und Bauwerke wie Glaspalast und Fabrikschloss, um den Betrieb der Spinnerei und Weberei Augsburg (SWA) aufrecht zu erhalten und Arbeitsplätze zu sichern. Hiermit scheiterte sie. Gleichzeitig hatte die Stadt aber nach und nach Grundbesitz für die Trasse einer seit der Weimarer Republik projektierten Schleifenstraße angekauft. 1989 dann fand ein Expertenkolloquium Augsburger Architektenverbände statt, das die Potentiale und den einmaligen Charakter des seit dem 17. Jahrhundert entstandenen Textilviertels würdigte. Astrid Debold-Kritter arbeitete eine denkmalpflegerische Expertise aus. Mit der Wiedervereinigung flossen allerdings kaum noch Mittel für die Stadtsanierung nach Augsburg. Zahlreiche Konzepte zum Textilviertel verschwanden deshalb unter Oberbürgermeister Menacher und Stadtbaurat Demharter in den Aktenschränken. Eine dieser Visionen reicht bis in die 1960er Jahre zurück, als man daran dachte, das Gebiet zwischen Altstadt und Lech als Universitätscampus zu entwickeln – eine neue Fakultät in jeden frei werdenden Industriebau. Eine Vision des Textilviertes als „Denkfabrik“. Doch dazu sollte es bekanntermaßen nicht kommen.

„Die Geschichte einschließlich ihres baulichen Erbes macht die Identität Augsburgs aus“

AKS-Sheddachhallen beim Textilmuseum

AKS-Sheddachhallen beim Textilmuseum


Stattdessen erhielten die Interessen der Grundbesitzer immer mehr Gewicht. Durch den Bau der Schleifenstraße, für den sich die Bevölkerung 1997 mit großer Mehrheit ausgesprochen hatte, waren schlussendlich auch die Flächen im Zentrum des 200 Hektar großen Textilviertels gut zu erschließen. Nun verzichtete das Stadtplanungsamt auf ein übergeordnetes Leitbild der Planung, sondern erschloss etappenweise die Einzelflächen; für jeden Grundbesitzer ein neues Stückchen. Oder anders gesagt, die Stadtverwaltung gestaltete nicht mehr, sie ließ verwerten. Darum gab sie auch zwei ihrer eigenen Liegenschaften aus der Hand, sie verkaufte nämlich die beiden großen Werksareale der SWA, Investoren brachen Teile davon ab, Glaspalast und Fabrikschloss sind seitdem von Wohnkisten und Gewerbewüste umstellt wie Stockzähne. Im Falle des Glaspalast-Areals verzichtete die Stadt auch noch auf einen ursprünglich vorgesehenen Weg in Richtung Martini-Areal, weil Walter-Bau die Parzellen hier anders anlegen wollte. Im Übrigen zeigte sich schnell, dass ein Wohngebiet, das Königsbrunn alle Ehre machen würde, an dieser Stelle ungünstig war. Statt einem Gefühl von Toskana, mit dem für die Reihenhäuschen geworben wurde, machte sich bald Ärger breit – denn nach Südwesten mussten wegen der Emissionen des Martini-Parks Schallschutzwände gebaut werden.  Mit dem Denkmaltag 2003 wie auch mit der Eröffnung des Textil- und Industriemuseums (TIM) 2010 hätte man den Eindruck eines erneuten Paradigmenwechsels gewinnen können, der jedoch nicht stattfand. „Die Geschichte einschließlich ihres baulichen Erbes macht die Identität Augsburgs aus (…)“ ließen Paul Wengert und Karl Demharter 2003 verlauten. Vielleicht war es ein kurzes Innehalten, weil die Nachfrage nach Wohnraum damals nicht so groß war und viele Flächen erst einmal nicht gewinnbringend verwertet werden konnten.

Die Baupolitik Gerd Merkles im Textilviertel setzte und setzt aber weitgehend den in den 1990er Jahren eingeschlagenen Kurs einer von kommerziellen Begehrlichkeiten begründeten Flickenteppichplanung fort. Auf dem AKS- und Martini-Gelände werden wiederum einzelne Bebauungspläne entwickelt. Mit der AKS-„Fabrikstraße“ blieb zumindest eine größere Baugruppe erhalten – alles andere wäre im Umfeld des TIM wohl doch zu befremdlich gewesen. Im Nachhinein erwies sich also die von Kulturreferentin Eva Leipprand forcierte Wahl der AKS und nicht des Glaspalastes als Standort des TIM als Segen. Aber auch hier erzwangen Investoren immer und immer wieder Abbrüche und zwar als Gegenleistung für die eigentlich seit Jahren versprochene Umnutzung historischer Bausubstanz, wie etwa derjenigen des AKS-Kesselhauses. Es ist der Kompromiss vom Kompromiss. Die Stadt, so wirkt es, ist dabei in der schwächeren Position und knickt immer wieder ein. Ihre Baupolitik war lange angstgesteuert, man fürchtete Brachen als Ausdruck wirtschaftlichen Niedergangs. Mittlerweile ist die Begierde nach weiterer Flächenverwertung indes so groß, dass man glaubt, den Grundstückseigentürmern und Investoren auch ein dichteres Fußwegenetz und ein paar Grünflächen zumuten zu können. Im Fall Martini wird die Öffnung des Parks als Erfolg verkauft – sie mag es auch sein angesichts der genannten Reihenhausbebauung am Glaspalast, die neben dem Fabrikbau wirkt wie eine Planung aus einer fernen Galaxie.

„Das panische Verwerten in den 1990er Jahren verhindert heute ein wirkliches Gestalten“

Stadtplan-Ausschnitt: Reese-Kaserne

Stadtplan-Ausschnitt: Reese-Kaserne


Die Tendenz der Baupolitik – von der Stadtsanierung zur Konversion – spiegelt sich im Kleinen auf dem Martini-Areal wider. Die alte Bebauung und Struktur gilt als „Fremdkörper“ und Hindernis der Planung, nicht als ihr Ausgangspunkt. Die Stadt beharrt als Schutz auf gewissen Gebäudehöhen und –volumina, erhöht dadurch aber den Druck auf die Flächen noch mehr und traut sich nicht, auch noch den Erhalt historischer Substanz zu fordern. Hätte die Kommune im Textilviertel nicht so viele eigene Flächen verkauft, wäre sie in der Lage gewesen, Martini Ausgleichsflächen anzubieten. Das panische Verwerten in den 1990er Jahren verhindert auch heute ein wirkliches Gestalten.

Gleiches lässt sich auf den Flächen der riesigen alten NS- später US-Kasernen beobachten. Nach dem Abzug der US-Streitkräfte zwischen 1990 und 1998 fielen riesige Flächen im Westen Augsburgs an den Bund zurück. Seit den 1920er-Jahren schauten Stadtplaner auf dieses Gebiet, das sie als ideal für Wohnungsbau einstuften. Um die Jahrtausendwende wurde eine bauhistorische Expertise durch das Architekturmuseum Schwaben erstellt, aber – natürlich – nicht im Geringsten beachtet. Die Planung ist zwar weit weniger chaotisch als im Textilviertel, was aber vielleicht weniger an der Planung als an der klareren Besitzstruktur liegt. Vor allem aber nutzte das Stadtplanungsamt hier endlich seine Möglichkeit zu Gestaltung, indem ein zentraler Park angelegt wurde; einen gleichwertigen öffentlichen Raum gibt es im einst so grünen Textilviertel nicht. Doch auch bei den Kasernen herrschte die Vorstellung vom baulichen Erbe als „Fremdkörper“ vor. Angestrebt war etwa von der AGS eine weitgehende „tabula rasa“, um frei planen zu können.

III Wohnungsbau und kein Ende in Sicht? Der Weg zur Unwirtlichkeit

300.000, diese Zahl taucht nun in der Presse auf. So ist die Einwohnerprognose bis 2019. Nachdem die Einwohnerzahl in den 1990er Jahren stagnierte, nun also der Boom. Vielleicht ist es ein kalkuliertes Phänomen. Noch kürzlich ging Bürgermeisterin Eva Weber in München mit dem kostengünstigeren Wohnraum in Augsburg hausieren; man wünschte sich also den Zuzug von Pendlern. Die Initiative war offenbar ein großer Erfolg, denn Flächenverwertung und Nachverdichtung nehmen nun volle Fahrt auf. Das Argument, man brauche jetzt dringend Wohnraum, kommt vor allem wieder den Bauträgern gerade recht: Flächen können endlich verwertet werden und überall die von Norbert Diener propagierten Punkthäuser in den Augsburger Himmel wachsen.

Wie eine x-beliebige Trabantenstadt: Gassen westlich der Maximilianstraße

Anonymität erzeugt Gleichgültigkeit: Gassen westlich der Maximilianstraße


Aber welche Art Wohnraum soll es sein? Da taucht im Stadtrat die Idee eines Luxus-Wohngebietes bei Radegundis auf und wird von CSU und SPD forciert, von den Grünen jedoch abgelehnt, da fordert man andererseits mindestens 30 Prozent Sozialbindung in den Neubaugebieten, eine Überlegung, die die naturgemäß auf Rentierlichkeit ausgerichteten Bauträger nicht gerne hören und bisher nicht umsetzten. Die Martini GmbH sieht sich bereits bei 10 Prozent als Anwärterin auf einen Heiligenschein. Wenig ist indes zu hören, ob eine heterogene Gesellschaft nicht auch andere Bautypen als fein säuberlich an einem Raster sortierte Reihen- und Miethäuser vertragen könnte. Hierzu müsste man sich aber im Klaren sein, für wen da eigentlich gebaut wird. Für Flüchtlinge oder für Mitarbeiter im neuen Innovationspark, für Chefärzte der kommenden Uni-Klinik – sie sähe man am liebsten in Radegundis – oder für Sozialhilfeempfänger? 1948 war man hier schon einmal weiter und startete eine Befragung, wie die Augsburger wohnen wollten und sortierte die Wünsche nach Gruppen. Man könnte sich des Weiteren überlegen, wo man eigentlich baut: In der Altstadt auf dem alten Hasenbräu-Gelände oder in Haunstetten-Süd, im Textilviertel oder in der Firnhaberau, auf den Ladehöfen oder auf dem Areal der Reese-Kaserne. Dann wäre aber als Leitlinie vonnöten, dass Wohngebiete dort entstehen, wo sie sinnvoll integriert werden können und nicht dort, wo zwar eine Fläche frei ist und Investoren in den Startlöchern stehen, wie im Hessenbachpark aber Probleme mit der Umgebung (Sportplatz) zumindest zur Erbauung vorprogrammiert waren.

Der „Wohn-Komplex“ – Augsburg als Epizentrum dieser Bewegung

Man müsste dann auch weg vom Schema und für Menschen und Orte individuelle Lösungen finden. Denn im Moment gleicht das eine Baugebiet dem anderen: Gleißend weiß strahlen die Häuser dem unvorbereiteten Passanten schon von weitem entgegen; im Norden die Eingänge, im Süden die Terrassen und Balkone, auf denen aber selten jemand sitzt, denn über die heutigen Abstandflächen hätte man in den 1920er-Jahren die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Wo alles weiß ist und der praktische unkrautfreie Kiesgarten der Weisheit letzter Schluss ist, da reflektiert im Sommer das Licht so mitleidlos, dass man diese Welt nur mit zusammengekniffenen Augen betrachten kann und  saust im Winter der Wind an den Energiesparfronten wie ein Alp von Alexander Mitscherlich entlang. Aber ja: Wohnraum wird dringend gebraucht, da darf man nicht so heikel sein. Wo fast alles leergekauft wird, da muss man praktischerweise gar nicht nachdenken, ob dieser Wohnraum auch in zehn Jahren noch funktioniert. Niklas Maak nennt dies den „Wohn-Komplex“. Augsburg, so scheint es, ist gerade das Epizentrum dieser Bewegung. Denn es werden ja nicht nur neue Gevierte geplant und gebaut, natürlich muss auch nachverdichtet werden. In jede Lücke noch einen weißen Kubus und wenn da bereits etwas steht, in Göggingen oder auch an der Georgenstraße, nun ja, dann waren das sicherlich entbehrliche „Fremdkörper“.

IV Die Mobilitätsdrehscheibe und der Umbau der Innenstadt

Das große Thema der Ära Gerd Merkles als Stadtbaurat ist jedoch die Neugestaltung der Innenstadt. Ob Maximilianstraße, Königsplatz oder Bahnhof, spätestens an diesen Orten beginnt die Masse des Geplanten und dann nicht Ausgeführten völlig unübersichtlich zu werden. Man braucht nur die Schlagworte herzählen, um die bereits vor der Merkle-Ära angehäufte Konfusion deutlich zu machen: Fuggergarage, Kaisermeile, Herkulesgrarage, „Verpollerung“ der Maximilianstraße, Aphroditebrunnen, Königsplatztunnel, Hall-Campus, Fuggerboulevard, Bahnhofstunnel, Straßenbahn oder Rekonstruktion der Mittelbebauung in der Maxstraße, Portal-West, Entlastungsstraße für die Rosenaustraße – das Ganze ließe sich beliebig fortführen und würde, wenn man es ausführen würde, in der Masse vermutlich den Geschichten von Tausendundeiner Nacht entsprechen, aber wohl weit weniger amüsant zu lesen sein.

Was sich immerhin als Regel abzeichnet: Eine Stadtregierung wirft das Konzept der nächsten um. Man bedient sich auch einmal des Mittels des Bürgerentscheides, wie im Falle der Königsplatz-Diskussion. Die aus der Asche dieser Bürgerbefragung herausgewachsene Planung von Wunderle & Partner schien denn auch einen Stadtraum aus einem Guss zu verheißen, aber nachdem der Königsplatz mittlerweile vollendet ist, endet die Vision eines Fuggerboulevards bis auf Weiteres in einer innerstädtischen Brache samt Krakelee-Asphalt, schmuddeliger Tabledance-Bar und einem aus Brandschutzgründen gesperrten Theater als adäquatem point de vue. Statt der schönen neuen Welt, die uns die Werbekampagne von Kurt Gribl versprochen hatte, gibt es im Moment also Bonjour tristesse. Denn: Augsburg, das wissen und betonen alle, hat zu wenig Geld und zu viele Schulden.

„Man könnte das Verkehrschaos in der Innenstadt zynisch finden“

Und so muss, nachdem der Königsplatz ja immerhin funktioniert, die städtebauliche Vision einstweilen warten und vielleicht irgendwann still begraben werden. Der Raum der Fuggerstraße bleibt damit ungenutzt, während sich der Verkehr an den „Graben“ verlagert hat. In der Barfüßerstraße macht sich bisweilen das Flair eines römischen Verkehrschaos breit, so weit stauen sich die Autos  hinauf bis zum Perlachberg. Man könnte diesen Verdrängungseffekt in ein Gebiet mit viel Wohnbebauung zynisch finden.

„Wie ein einziges, vom Murren der Bürger begleitetes Gewurschtle“

Am Bahnhof sieht es ähnlich aus: da hatten die Tunnelarbeiten längst begonnen, als 2016 dann endlich die Wettbewerbsergebnisse für den Bahnhofsvorplatz und das Portal-West am zierlichen Buchegger-Platz feststanden. Davor herrschte Konfusion: Wie soll die Straßenbahn fahren, über die Rosenau-, die Hörbrot- und Holzbach- oder die Hessenbachstraße zur Ackermannstraße? Was das städtebauliche Ziel für den Bucheggerplatz über die Funktion als Straßenbahnquerung war, man erfuhr es nicht und die Anwohner waren auf den Zinnen. Dass neben den rein funktionalen Aspekten – Tunnel, Fahrradparkhaus, Tramschleife und nun Trassierung der Gleise über die Holzbachstraße, auch eine Gestaltung umgesetzt werden kann, kann man in diesem Punkt – siehe Fuggerboulevard –  ganz sicher sein? Es stimmt auch nicht optimistisch, dass plötzlich wieder eine Entlastungsstraße an den Bahngleisen im Gespräch ist. Spielt da die Angst mit, welche Auswirkung die querenden Trams auf die verkehrsreiche Rosenaustraße haben könnten?

Knapp 10.000 Bürger betrachteten die Siegerentwürfe des Ideenwettbewerbs zum Innenstadtumbau

Knapp 10.000 Bürger betrachteten die Siegerentwürfe des Ideenwettbewerbs zum Innenstadtumbau


Der Innenstadt-Umbau ist eine bitter notwendige Sache, die Stärkung des ÖPNV zu begrüßen. Dem Autor steht fern zu behaupten, er wisse besser, wie es geht; dafür ist eine „Operation“ im Stadtraum viel zu komplex. Es steht ihm auch fern, den Stadtbaurat um seine Aufgabe zu beneiden. Aber die Umsetzung des Innenstadtumbaus wirkt – nach der angenehm zügigen Realisierung des Königsplatzes – wie ein einziges, vom Murren der Bürger begleitetes „Gewurschtle“. Ist diese ständige Erregung normal oder liegt es am Umgang mit Informationen und Teilhabe?

V Und was bleibt von Augsburg?

Augsburg ist eine der wirklich großen alten Städte in Deutschland, das „Pompeji der deutschen Renaissance“ (Wilhelm Heinrich Riehl), „architektonisch die Krone der süddeutschen Reichsstädte“ (Georg Dehio). Man muss diese Zitate immer wieder bringen, weil die Bewahrung des Kulturerbes manchmal aus dem Blick gerät – angesichts von Wohnungsnot und heterogener Stadtgesellschaft in der „ärmsten Stadt Bayerns“. – Wenn es aber einen Aspekt an Augsburg gibt, der sie von anderen „Metropolen“ in der Provinz unterscheidet, dann ist es der Reichtum einer großartigen, langen Historie, die sich im Stadtbild, aber auch in den Kultureinrichtungen noch abzeichnet. Der Unterhalt von Gebäuden und Institutionen aber kostet Geld; nahezu alle größeren städtischen Einrichtungen, ob Staats- und Stadtbibliothek, Kunstsammlungen und Museen, Theater oder Stadtbücherei durchliefen oder durchlaufen Krisen, die vor allem auch Finanzierungs- und manchmal auch Akzeptanzkrisen waren und sind.

Sollte leergeräumt und verkauft werden: Staats- und Stadtbibliothek in der Schaezlerstraße

Sollte leergeräumt und verkauft werden: Staats- und Stadtbibliothek in der Schaezlerstraße


Es stimmt aber auch ein wenig optimistisch, dass abstruse Ideen wie die Auflösung der Stadtarchäologie oder das Verscherbeln der Staats- und Stadtbibliothek sich nicht durchsetzen konnten, auch weil die Bürger sich wieder eine Stimme verschafften. Bei der Staats- und Stadtbibliothek konnte der Knoten durch Verstaatlichung gelöst werden; auch die Bücherei und die Stammhäuser der Kunstsammlungen sind saniert, das Stadtarchiv umgezogen; beim Römermuseum aber ist man schon froh um eine Interimslösung und die Sanierung der Dominikanerkirche sowie die Diskussion ums Theater wird gerade unter Schmerzen und persönlichen Beleidigungen geführt.  Die Luft für jede Sanierung scheint immer dünner zu werden. Was ist zu tun? Was sollte Priorität haben?

Man könnte, um Geld für Projekte zu bekommen, weitere kommunale Liegenschaften wie das alte Gebäude des Stadtarchivs verkaufen, was Geld bringen, aber die Gestaltungsmöglichkeiten der Stadt einschränken würde – siehe Textilviertel. – Es ist nicht so, dass Politiker in Augsburg den Verweis auf die Geschichte nicht ebenfalls immer wieder bemühen. Doch scheinen ihnen Rathaus und Perlach, Fuggerei und Dom oder auch die bereits erneuerten städtischen Einrichtungen als Goldzähne zu genügen. Für Augsburg reicht das doch, hört man bisweilen. Die Restbestände der Geschichte im Stadtbild, in den Musseun, Büchereien oder Depots sind aber weit komplexer. Eine ernsthafte Auseinandersetzung damit müsste nicht nur die großen Wahrzeichen umfassen, sondern auch eine gewisse Sensibilität für die Geschichte „kleiner“ Orte beinhalten, bei denen nicht gleich die Fugger, Mozart oder Kaiser im Spiel sind. Im Martini-Park hat man sich wie in vielen anderen Fällen aus der Affäre gezogen, indem man die alte Struktur kurzerhand als „Fremdkörper“ einstufte. Gerade aber das Fremde oder das Andere einer alten Architektur lässt uns überhaupt nach Geschichte fragen. Denn Erinnerung braucht Auslöser, Herkunft braucht Geschichte und Identität ist nicht nur das, wo man herkommt, sondern auch das, was man liebt und bewahrt.

„Anonymität erzeugt kein Engagement, sondern Gleichgültigkeit“

Statt dessen wird geplant, als gäbe es das Gestern nicht. Auf dem Hasenbräugelände waren Maximilianstraße und Konrad-Adenauer-Allee als Bezugspunkte nicht Teil des Bebauungsplans, auch hier wünschten sich die Investoren einen „reinen Tisch“ und die Stadt sah sich nicht im Stande, über eine erhaltene Mauer hinaus rote Linien festzulegen. Dass aber nun die Maximilianstraße wirkt wie eine Kulisse, dass man nicht die strukturelle Einbettung dieses bedeutenden Stadtraums zum Teil vernichten kann, ohne auch die Prachtstraße wie ein Abziehbildchen wirken zu lassen, das ist offenbar nur schwer zu vermitteln. Wer es deutlich mag, muss nur aus dem ersten oder zweiten Stock des Schaezlerpalais nach Norden schauen und über die Hinterhofarchitektur des Hotels „Drei Mohren“ mit verwaistem Kiesgartenhof und Hochgarage erschrecken. Und dies bei einem Hotel, das angeblich so viel auf seine Geschichte hält. Ein ähnlicher Substanzverlust ist leider an allen Ecken und Enden zu beobachten: Auf dem AKS-Gelände sind Chauffeur- und Pförtnerhaus gefallen. Aus dem 1944 von den Bomben verschonten Teil Georgenstraße wurden 2015 vier Giebelhäuser und ein Einzelbaudenkmal herausgerissen, zwei weitere ensemblegeschützte Häuser sollen einer Tiefgarageneinfahrt weichen. Das Gignouxhaus, eines schönsten des 18. Jahrhunderts in Augsburg, errichtet von Leonhard Christian Mayr, dem Architekten der Schüleschen Kattunmanufaktur (war da nicht etwas mit zwei abgebrochenen Seitenflügeln?) ist ein weiterer vertrackter Fall. Es ist ein Einzelbaudenkmal, auf dessen Bedeutung nicht einmal der Hauch eines Zweifels fällt. Und doch konnte bisher die Sanierung nicht erwirkt werden. Im Gegenteil: Die Stadt verzichtete aufgrund ihrer Überschuldung nicht nur auf einen Kauf, sie übertrug 2010 dem damaligen Eigentümer auch noch die bis dahin kommunale Hinterbühne und räumte ihm obendrein ein Fahrtrecht über städtischen Grund ein. Sie gab so wieder einmal alle Schalthebel aus der Hand, um diesen und die folgenden Besitzer zur Sanierung zu bewegen. Und selbst wenn die Sanierung auf absehbare Zeit erfolgen sollte, müsste man nicht auch eine würdige Nutzung anstreben um eineTrivialisierung als Luxuswohnung, Fitness- oder Nagelstudio zu verhindern?

VI Zum Schluss

Man Man hat den Eindruck, diese Stadt sucht sich, findet sich aber nicht mehr": Bürgermeisterin Eva Weber und Baureferent Gerd Merkle

"Man hat den Eindruck, diese Stadt sucht sich, findet sich aber nicht mehr": Bürgermeisterin Eva Weber und Baureferent Gerd Merkle


Der Augsburger Stadtplanung seit den 1990er-Jahren fehlte eine Leitlinie, wie sie mit dem Wiederaufbau oder der Altstadtsanierung noch vorhanden war. Das Stadtentwicklungskonzept (STEK) wurde seit 2014 immerhin mit einem Online-Dialog wiederbelebt. Doch welche Vision Kurt Gribl oder Gerd Merkle für die Stadt über das rein Funktionale hinaus hegen, ob es überhaupt eine Vision gibt oder einfach verwertet werden soll, das ist nicht ersichtlich. Man hat den Eindruck, diese Stadt sucht sich, findet sich aber nicht mehr. OB Gribl sagte anlässlich des Umbaus der Innenstadt, Augsburg würde jetzt das „Kleid der grauen Industriestadt“ abstreifen. Das klingt fast so, als würde er uns freundlich zurufen: Vergesst Augsburg! Kümmert Euch nicht um Geschichte! Und tatsächlich ist das alte Augsburg vielerorts schon längst abgewickelt. Das Textilviertel als historische Industrie-Landschaft gibt es nicht mehr. Restbestände der 1944 zerstörten Altstadt verschwinden, vor allem, wenn sie nicht direkt an der „Prachtmeile“ liegen oder touristisch nur schwer aufgearbeitet werden können. Und dies, obwohl mit Stadtheimatpfleger und Baukunstbeirat eigentlich Kontrollinstanzen installiert sind. Ein wirkliches Bekenntnis zur Geschichte der Stadt mit all ihren Brüchen und den großen und kleinen Zeugnissen, die davon übrig blieben, gibt es jedenfalls nicht (mehr). Vermutlich sehen viele Planer, Investoren und Stadträte einfach nicht, dass gerade die Auseinandersetzung mit dem alten Stadtbild der Ansatzpunkt für ein beständiges Leitbild sein könnte. Sie verschenken, wie im Falle des Martini-Parks, den Trumpf, den sie schon in Händen hielten.

Warum aber sollten die 10.000 neuen Augsburgerinnen und Augsburger, die bis 2019 nach Augsburg zuziehen sollen, sich wirklich damit auseinandersetzen, wo sie leben, wenn es politischer Wille ist, dass Zeugnisse der Geschichte fiskalischen oder kommerziellen Begehrlichkeiten geopfert werden können? Anonymität erzeugt kein Engagement, sondern Gleichgültigkeit.

Zum Autor:



Gregor Nagler studierte Kunstpädagogik, Kunstgeschichte und Volkskunde in Augsburg. Seine Kompetenz erwarb er sich u.a. durch seine Doktorarbeit mit dem Titel “Über den Wiederaufbau Augsburgs nach dem 2. Weltkrieg”.