Klientelpolitik: CSU will in Bergheim ökologisch wertvolle Fläche zu Bauland machen
Der Bauausschuss der Stadt Augsburg hat in seiner heutigen Sitzung im zweiten Anlauf mit 8:5 beschlossen, dass die politisch brisante Bauland-Umwidmung einer Futterwiese sowie einer Ackerfläche am Ortsrand von Bergheim realisiert werden soll
Von Siegfried Zagler
Die politisch sensible Fläche hat zirka 1,3 Hektar, dabei handelt es sich um eine Fläche, die sich landschaftlich ansehnlich einen Hang hinaufzieht und laut einem städtischen Gutachten (Kosten: bisher zirka 40.000 Euro) “eine hohe ökologische Wertigkeit besitzt” sowie einen hohen Stellenwert im Landschaftbild einnehme. Auch die Untere Naturschutzbehörde empfiehlt, in diesem Bereich von einer Bebauung abzusehen. Die Fläche B, die gegenüber der der ökologisch wertvollen Fläche A liegt, hat ein Flächenmaß von zirka 1,5 Hektar. Zirka 30 Wohneinheiten sollen auf beiden Flächen entstehen. Bei einer Umwidmung wird die Wertschöpfung (für die Besitzer) der Grundstücke auf einen Betrag von knapp unter 10 Millionen Euro geschätzt.
Die Augsburger Stadtregierung, die aus den Bündnispartnern CSU/SPD und Grüne besteht, ist in dieser Angelegenheit gespalten. Baureferent Gerd Merkle (CSU) sieht die Empfehlung des in Auftrag gegebenen Gutachtens als richtig an, Oberbürgermeister Kurt Gribl wohl ebenfalls, genauso die Grünen und die SPD. Lediglich die CSU, allen voran der Vorsitzende des CSU-Ortsverbands Bergheim, Leo Dietz, sieht sich nicht an die Aussagen des Ortsentwicklungskonzeptes gebunden.
Zusammen mit Pro Augsburg schien die CSU im Bauausschuss bereits am 19. Juli 2018 das Projekt realisiert zu haben. Es gab drei einstimmige Beschlüsse. Zum entscheidenden Punkt 3 gab es eine 90-minütige Debatte, auf die eine Kampfabstimmung folgte, die mit 7:6 entschied, dass die Verwaltung beauftragt wird, „den Entwurf des Ortsentwicklungskonzeptes Bergheim dahingehend zu überarbeiten, dass die Flächen A,B,C und D als Bauflächenpotentiale für eine mögliche Siedlungserweiterung dargestellt werden.“ Doch in der am Schluss durchgeführten Gesamtabstimmung fehlte ausgerechnet Leo Dietz, der, wie er der DAZ sagte, kurz vor der Gesamtabstimmung die Toilette aufsuchte, weshalb die Gesamtabstimmung 6:6 ausging und das Projekt „abgelehnt“ wurde, wie im Ratsinformationssytem der Stadt Augsburg nachzulesen war.
Nachdem die CSU alle Fristen verstreichen ließ, die einen Widerspruch bezüglich der Gültigkeit der damaligen Gesamtabstimmung ermöglichten, schien das Thema erledigt. Doch heute, Donnerstag, den 22. November 2018 stellte die CSU ihren Antrag erneut zur Abstimmung. CSU-Stadtrat Leo Dietz sah sich in der Juli-Sitzung von Bauausschuss-Sitzungsleiter Stefan Quarg (SPD) ausgetrickst, der die Situation seiner Absenz damals ausgenutzt haben soll, um eine nicht notwendige Gesamtabstimmung durchzuführen.
“Bei den Augsburger Grünen erzeugt das Thema einen dicken Hals. In der Fraktion macht man sich bereits Gedanken darüber, ob man die Bergheimer Futterwiese nicht zur Demarkationslinie für den Fortbestand des Dreierbündnisses erklären soll. Doch soweit muss es nicht kommen, denn die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das Projekt im Stadtrat abgelehnt wird. Der Stadtrat hat deshalb das letzte Wort, weil der heutige Beschluss noch ins Bergheimer Ortsentwicklungskonzept eingepflegt werden muss. Über die Umsetzung des Gesamtkonzeptes muss der Gesamt-Stadtrat befragt werden. Nach Informationen der DAZ gibt es jedoch für die “Dietz-Variante” im Stadtrat keine Mehrheit, da auch Mitglieder der CSU-Fraktion das ursprüngliche Bergheimer Ortsentwicklungskonzept realisiert sehen wollen. Zu Beginn des kommenden Jahres wird die zum Politikum gewordene Bergheimer Baulandumwidung samt Bebauungsplan dem Stadtrat vorgelegt werden.
“Im heutigen Bauausschuss hat die CSU-Fraktion geschlossen gegen eine Vorlage ihres eigenen CSU-Baureferenten gestimmt und in einer Allianz mit Pro Augsburg und den Freien Wählern damit letztlich den Weg für die Bebauung des Gebiets „Zum Fuggerschloss“ frei gemacht. Cemal Bozoglu, der als baupolitischer Sprecher der Grünen in seiner letzten Bauauschusssitzung saß, kommentiert den Vorgang folgendermaßen: “Damit brüskiert die CSU nicht nur ihren eigenen Referenten, sondern auch die Bergheimer Bürgerinnen und Bürger, die sich an der Erarbeitung des Ortsentwicklungskonzepts beteiligt und in einer Informationsveranstaltung vor Ort nochmals klar gegen eine Außenentwicklung in Bergheim ausgesprochen hatten. Die CSU beweist damit, dass sie Bürgerbeteiligung und Fachkonzepte missachtet und deren Ergebnisse übergeht, wenn sie ihr nicht in den Kram passen. Die betreffende Fläche “Zum Fuggerschloss” ist ökologisch gerade in ihrer Waldrandlage sehr wertvoll und sollte nach dem Grundsatz Innen- vor Außenentwicklung absolutes Tabu für eine Bebauung sein. Der Weg bis zu einem Bebauungsplan ist noch lange. Wir werden weiter gegen dieses Baugebiet kämpfen und alle Bemühungen dagegen unterstützen.”
Mit dieser finalen Kampfansage verabschiedet sich der lokale CSU-Bündnispartner Cemal Bozoglu (Grüne) vom Augsburger Stadtrat. Bozoglu wurde im Oktober in den Bayerischen Landtag gewählt und wird dort Oppositionspolitik machen. Die Grünen haben bereits laut darüber nachgedacht, gegen dieses Projekt ein Bürgerbegehren zu unterstützen, während Bergheimer Bürger darüber hinaus ein Normenkontrollverfahren auf den Weg bringen wollen, falls der Stadtrat sich doch dafür entscheiden sollte, dem Vorschlag des Bauausschusses zu folgen.
Bezüglich eines anderen Bauvorhabens nur wenige hundert Meter entfernt hat das Grüne Säbelrasseln offenbar Wirkung gezeigt: Zwischen Radegundis und Wellenburg soll nun kein größeres Wohngebiet entstehen. Nachdem die Grünen dieses Projekt skandalisierten, will die Stadt von dieser Bebauung absehen. Baureferent Gerd Merkle sagte heute Nachmittag im Bauausschuss, dass man einer Bebauung der Felder östlich der Radegundisstraße nicht nähertreten wolle. Die Grünen werten das als Fortschritt, den sie auf ihre Fahne schreiben: “Durch die von den Grünen initiierte intensive Diskussion über nachhaltige Stadtentwicklung in Augsburg konnten die Versiegelung von Flächen südlich der Derchinger Straße für ein neues Gewerbegebiet und Wohnbebauung im Außenbereich bei Radegundis verhindert werden”, so Christian Moravcik Grüner Stadtrat im Bauausschuss. Das sogenannte “Urbane Dorf” bei Radegundis, das nur für wenige Menschen Wohnraum angeboten hätte und auf einer großen und ökologisch höchst wertvollen Fläche geplant gewesen sei, solle nun nur noch in reduzierter und naturschutzfachlich angemessener Form auf bereits versiegelten Flächen realisiert werden.