Brechtfestival
Baal zum Brechtfestival: „Was ist er eigentlich?“
Brechts Baal: Ein komplexes, schwer zu vermittelndes Stück, an dem der Dichter immer wieder „herumgedoktert“ hat. Das Staatstheater Augsburg bringt es nun beim Brechtfestival als Beitrag zum Thema „Städtebewohner“
Von Halrun Reinholz
Denn für den entfremdeten urbanen Menschen steht er auf jeden Fall. Er ist (Lebens-)Künstler und genau das ist der Ansatz von Mareike Mikat: Baal ist mit einer Band auf Tour, alle Begebenheiten lassen sich in diesem Rahmen unterbringen, die Exzesse, Morde und Demütigungen und die Rückblenden auf Ansätze eines „normalen“ Lebens. Und Baal ist bei Mareike Mikat eine Frau. Natalie Hünig verkörpert den skrupellosen Sexisten und Egomanen furios und überzeugend. Flankiert wird sie von fünf männlichen Schauspielkollegen (Gerald Fiedler, Andrej Kaminsky, Roman Pertl, Patrick Rupar und Daniel Schmidt), die alle anderen Männer- und Frauenrollen in durchaus abenteuerlichen Kostümen (Bernd Schneider) und viel Körpereinsatz bewältigen. Bei aller Virtuosität der Darsteller erschließt sich die Sinnhaftigkeit dieses Rollentausches nicht wirklich, doch er stört auch nicht. Vielleicht wird die Skrupellosigkeit Baals tatsächlich einprägsamer, wenn sie von einer Frau verübt wird und die Opfer Männer sind.
Im Zentrum der Bühne stehen Instrumente, die von den Darstellern auch bedient werden. „Baal“ gibt am Schlagzeug den Rhythmus vor und hat auch das Sagen im (stimmlich überzeugenden) Sologesang. Im Stil alternder Punks bringt die Band Adaptionen verschiedener Songs – von „Ton, Steine, Scherben“ bis Bioncé. Der Musiker Enik sorgte mit seinen Arrangements für den stimmigen Mix. Der suizidale Kurt Cobain schwebte Mareike Mikat als gegenwärtiges Pendant des „Baal“ vor.
Die Darsteller sind immer präsent, das Geschehen spielt sich außer im Zentrum auch auf einem Gerüst hinter der Bühne ab, teilweise hinter Folie, wo man wie in einem Baucontainer Betten wahrnimmt. Es ist viel Dynamik in der Aufführung, viel Kostümwechsel von Fatsuits bis zum Ganzkörperpenis für Natalie Hünig. Es wird gehurt, gemordet, Cabaret gemacht, der moralische Zeigefinger erhoben. Was allerdings ein bisschen fehlt, ist Brecht. Von seinem Text ist nicht viel zu erkennen, vor allem die flankierende Lyrik fiel dem Punk zum Opfer. Entsorgt, wie das „L“ der Neonschrift : „BAA“ steht da. Im Fazit trotzdem ein sehens- und hörenswerter Ansatz, auch wenn sich gegen Ende der über zwei Stunden dauernden Aufführung dann doch ein gewisser Überdruss breit macht.