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Autorenlesung mit Niq Mhlongo aus Südafrika

Autorenlesung mit Niq Mhlongo aus Südafrika: In den Genuss einer Sternstunde interkulturellen Lernens kamen hundert Schüler im bis auf den letzten Platz besetzten Mediengarten des Holbein Gymnasiums, der schönsten Leseinsel Augsburgs.

Von Udo Legner

 Niq Mhlongo

Niq Mhlongo im Holbein Gymnasiums


Organisiert von Bildungsreferentin Margarethe Aulbach von der Werkstatt Solidarische Welt und moderiert von Ingola Seger, der Leiterin des schulübergreifenden Begabten-Seminars Weltliteratur, gab der südafrikanische Autor Niq Mhlongo eine eindrucksvolle Kostprobe seines literarischen Schaffens. – Zentrales Thema seines im Jahre 2004 erschienenen Debutromans Dog Eat Dog – ausgezeichnet mit dem Mar de Lettras Preis –   ist die Gratwanderung zwischen der Verwestlichung und der Rückbesinnung auf eigene Traditionen. Die von Niq Mhlongo vorgetragenen Passagen machten deutlich, in welch hohem Maße das Leben der Protagonisten von der Community geprägt ist und welch großen Druck die südafrikanische Großfamilie mit ihren großen Erwartungshaltungen auf jedes Familienmitglied ausübt. Mit viel schwarzem Humor beschreibt der Ich-Erzähler Dingamanzi Makhedama Njomane sein Leben als College Student, der als Hip-Hopper seine Zeit viel lieber mit Mädchen und auf Partys verbringt als in den Vorlesungen. Den gesellschaftlichen Hintergrund zu diesem unbefriedigenden Studentenleben bildet der schwierige Transformationsprozess aus dem sozialen und politischen Trümmerhaufen der Apartheid zu einem demokratischen Staat. Die ersten freien Wahlen kommen in diesem Roman ebenso zur Sprache wie die Verbreitung von AIDS und die finanzielle Misere, die den Protagonisten schließlich zur Aufgabe des Studiums zwingt.

Auch der Roman After Tears enthält viele biografische Züge. Wie der Protagonist Bafana brach auch Niq Mhlongo sein Studium ab und hielt dies lange Zeit vor seiner Familie geheim. Im Gespräch mit den Schülern machte der Autor deutlich, wie sehr er unter dieser Lebenslüge litt, zu der er sich lange gezwungen sah, weil er seine Community nicht enttäuschen wollte. Der Autor erläuterte die  zentrale Aussage der uBuntu-Philosophie  („Ich bin, weil ihr seid, und ihr seid, weil ich bin.“), die ein wichtigstes Korrektiv von Haltungen und Handlungen ist – mit allen Vor- und Nachteilen. Denn so  sehr diese afrikanische Philosophie das Gefühl von Geborgenheit und Zusammengehörigkeit zu vermitteln vermag, so sehr steht sie doch dem individuellen Glücksstreben im Wege.

Nach einigen kurzen Passagen aus seinem jüngsten Roman Way Back Home zeichnete der Schriftsteller in der sich anschließenden Diskussion ein sehr differenziertes Bild seines Heimatlandes. Bei seinen Autorenreisen in Europa vermisse er am meisten die Rücksichtnahme sowie die Offenheit und Spontaneität der Leute. Dagegen wisse er die hiesige Sicherheit und auch den Wohlstand –überall könne man hier alles kaufen – sehr zu schätzen. Anders als in Südafrika (Arbeitslosenquote ca. 30 Prozent) seien in Deutschland gerade mal 6 Prozent arbeitslos und doch käme es zu Demonstrationen und Kundgebungen gegen die Arbeitslosigkeit.

Trotz des englischen Kolonialeinflusses und der Globalisierungstendenzen haben sich in Südafrika viele Traditionen bewahrt. Der hohe Stellenwert  der Familie spiegle sich beispielsweise darin wieder,  dass man in Südafrika Ältere nicht mit ihrem Namen anspricht.  Freundinnen seiner Mutter spreche er ebenfalls mit Mutter an, Bekannte seines älteren Bruders mit „Brothers“. Die Schüler amüsierten sich, als Niq Mlongo auf einen weiteren Vorteil dieser langlebigen Traditionen einging:

Wenn ich einem Kind sage, es soll mir ein Bier kaufen, dann kann es mir dies nicht verwehren.“ Die meisten Lacher auf seiner Seite hatte freilich Kunstlehrer Körner-Wilsdorff.  Als Niq Mlongo im Zusammenhang mit der Polygamie auf die vier Frauen des südafrikanischen Präsidenten zu sprechen kam, warf er ein, dass auch der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder vier Frauen hatte.