KOMMENTAR ZUR KOMMUNALWAHL
Augsburg nach der Wahl: Gibt es außer den Grünen noch andere Gewinner?
Die Augsburger Stadtratswahl hat mit dem Ende der Auszählung der Wählerstimmen ein erstes Etappenende gefunden. Das “zweite Ende” ist in zwei Wochen nach der OB-Stichwahl zu vermelden. Das “dritte Ende” erfolgt am 2. Mai, wenn der Stadtrat die Referenten wählt.
Von Siegfried Zagler
In Augsburg stieg die Wahlbeteiligung bei der Stadtratswahl von 41,2 auf 45,3 Prozent. Und es wurde konservativ gewählt: Die Verluste der CSU hielten sich in Grenzen: Aus 23 Sitzen (2014) wurden 20 Sitze. Die OB-Kandidatin der CSU setzte sich deutlich von ihren beiden Verfolgern ab und geht nun als 43-Prozent-Favoritin in die Stichwahl mit Dirk Wurm (SPD), der sich in einem Fotofinish (18,8 zu 18,5 Prozent) gegen die Grüne OB-Kandidatin Martina Wild durchsetzte.
Nur die Grünen konnten hinzu gewinnen
Als SPD-Kandidat konnte Wurm mit viel Aufwand dem Bundestrend ein wenig Paroli bieten, während Martina Wild mit ihrem konservativen Wahlkampf hinter dem Hoch der Grünen Partei zurückblieb und nun zusammen mit dem Augsburger Kreisverband Farbe bekennen muss: 20 CSU-Sitze plus 14 Grüne Sitze würden mit 35 Sitzen (wenn man die noch nicht gewählte OB-Stimme dazu zählt) eine komfortable Regierungskoalition ergeben. Es handelt sich um eine neue Luxus-Situation für Schwarz-Grün, die dazu führen sollte, dass man die Entpolitisierung des Augsburger Stadtrates beendet und die SPD in die Opposition verweist, wo sie nach diesem Wahlergebnis auch hingehört.
Die SPD verliert, verliert und verliert
Dass die Augsburger SPD nach dem erneut desaströsen Wahlergebnis nicht von alleine darauf kommt, ist ein besonderes Merkmal der hiesigen SPD-Akteure. Die SPD verlor 4 Sitze: Statt 13 Stadträte sitzen nun nur noch 9 für die SPD im Augsburger Stadtrat. Man darf nicht vergessen, dass Augsburg im Grunde eine SPD-Stadt ist. 2002: 23 Sitze; 2008: 19 Sitze, 2014: 13 Sitze, 2020: 9 Sitze. Ein Niedergang, der sehr viel mit der personellen Situation der Augsburger SPD zu tun hat. Dirk Wurm, der SPD-Kandidat für den OB-Stuhl, erzielte fast 10 Prozentpunkte weniger als SPD-Mann Stefan Kiefer, der sich 2014 als OB bewarb. Dennoch wurde Wurm gefeiert, weil er im Kampf um den Stichwahlkampf Martina Wild (Grüne) schlagen konnte. Zwei bemerkenswerte Binnenereignisse sind bei der SPD zu vermelden. Sozialreferent und Bürgermeister Stefan Kiefer sprang von Listenplatz 13 auf 2 und der ehemalige OB von Lindau Dr. Gerhard Ecker auf Listenplatz 15 bewegte sich nur 2 Plätze nach vorne.
Es wäre zu wünschen, dass sich die SPD in der Opposition wieder zu einer Partei mit Format entwickelt. Zu einer Partei, die nicht nur zu Wahlzeiten aktiv ist.
Weitere Verlierer …
Eine weitere Auffälligkeit der Augsburger Stadtratswahl: Die AfD konnte ihr Ergebnis von 2014 nicht verbessern und zieht mit 4 Stadträten in den Rat. Dass die AfD in Bayern schwach blieb, könnte auch mit der immer wieder von allen Gruppierungen hochgezogenen Brandmauer zu tun haben. Thüringen und der Todesfall am Königsplatz, den die AfD auf schäbigste Weise zu einem fremdenfeindlichen Gerede missbrauchte, haben ebenfalls dazu beigetragen.
Eine weitere positive Nachricht ist der Umstand, dass die “Unwählbaren” wenig erreicht haben: Die Partei, Generation Aux und die WSA ziehen mit jeweils nur einer Person in den Stadtrat ein. Das verrückteste interne Ergebnis aller Zeiten spielte sich als Drama auf der WSA-Liste ab: Anna Tabak erhielt 6.873 Stimmen, Peter Grab 6.880. Tabak fehlten 7 Stimmen, um zu Grab aufschließen zu können. Was wohl bei Stimmengleichheit passiert wäre? Ein unglaubliches Ergebnis! Insgesamt muss das WSA-Ergebnis für die WSA-Akteure niederschmetternd sein: extrem hoher Aufwand, wenig Ertrag.
Das Gleiche gilt für fast alle Kleinen, bis auf die AfD. Ungeheuer viel Zeit (und Geld) investierten viele der auf den Listen verzeichneten Personen, doch profitieren konnte davon jeweils immer nur eine Person. Alle Listen der Kleinen darf man als Aufwandsträger ihrer Frontmänner bezeichnen: Ausnahme: Die Partei, eine 11-Personen-Liste, auf der Lisa McQueen als pfiffige OB-Kandidatin von Platz 8 auf Platz 1 vorgewählt wurde.
Ebenfalls dramatisch: Mit 211 Stimmen Vorsprung und erst sehr spät konnte Beate Schabert-Zeidler bei Pro Augsburg Claudia Eberle von Listenplatz 1 verdrängen. Eberle war immerhin OB-Kandidatin und seit 1996 im Stadtrat. Dort gehörte sie in 24 Jahren drei Gruppierungen an: CSU, CSM und Pro Augsburg. Neben Eberle wurden auch die PA-Stadträte Rudolf Holzapfel und Thomas Lis aus dem Stadtrat gewählt. Bitter auch das Ergebnis des “Bürgermeisters vom Bismarckviertel” Andreas Schlachta, der von Platz 7 auf Platz 10 zurückfiel, ebenso niederschmetternd das Resultat des Solokünstlers Bernd Beigl, der einen Salto rückwärts von Platz 8 auf Platz 12 vollzog.
Richtig bitter ist das Wahlergebnis auch für die Polit-WG, die als einzige im aktuellen Stadtrat vertretene Gruppierung nicht mehr dabei sein darf. Zu angepasst bewegte sich Oliver Nowak als Stadtrat der Polit-WG auf dem politischen Parkett. Zu taktisch auf seine Befindlichkeiten zugesteuert war der Wahlkampf (ohne OB-Kandidat), obwohl man mit Alexander Süssmair am Ende noch eine begabte Rampensau in den Reihen hatte. Im Wahlkampf muss man laut kämpfen und nicht sich leise selbst loben. Und schließlich darf man nicht vergessen, dass die Polit-WG als eine Art “Künstler- und Kulturvertretung” 2014 in den Stadtrat gewählt wurde. Geleistet wurde in dieser Hinsicht viel zu wenig – leider, denn schließlich wurde eine gute Idee vergeigt.
Enttäuschend auch das Ergebnis von “Augsburg in Bürgerhand”, deren Liste insgesamt viel zu schwach aufgestellt war. Das Gleiche gilt für die V-Partei, die einen professionellen Wahlkampf betrieben hat, aber mit mit ihren Ethik-Themen kaum punkten konnte. – Die Kleinen kannibalisierten gegenseitig, nahmen sich aus gleichen Wählermilieus gegenseitig Stimmen weg. Zählt man die Prozentpunkte der Kleinen zusammen, die zum nächsten Sitz gefehlt haben, dann sind in diesen Differenzen drei bis fünf Stadträte hängen geblieben.
Gab es nur Grüne Gewinner?
Zufrieden dürfen die Linken sein, da sie mit 2 Stadträten “normal” bedient wurden. Zufrieden darf auch Lars Vollmar sein, da er als Kandidat einer in Augsburg nicht wirklich existierenden Partei, gemeint ist die FDP, ins Rathaus einziehen darf. Ein korrektes Ergebnis darf auch die ÖDP verbuchen, die einen Sitz zu verteidigen verstand.
Und zum Schluss noch ein Wort zu den Freien Wählern: Drei Plätze im Stadtrat sind für die Freien Wähler/Augsburg-Stadt kein schlechtes Ergebnis. In Augsburg sind die FW ein Zwergenverein mit weniger als 40 Mitgliedern. Sie lebten in den vergangenen 6 Jahren von der Berserkerarbeit eines Volker Schafitels, der dazu keine Lust mehr hat. Die Freien Wähler konnten einen Sitz dazu gewinnen, obwohl der FW-Wahlkampf ohne erkennbare inhaltliche Struktur stattfand, ohne Profilschärfung des OB-Kandidaten und ohne große Unterstützung aus München: Ein Facebook-Wahlkampf mit Smilies und dem üblichen Gesumms.
Doch dann kam plötzlich Rückenwind aus dem Off. Peter Hummels vermeintliche Facebook-Eskapaden und die damit verbundenen Angriffe einer kleinen “Hummel-Hater-Group” zeigten die umgekehrte Wirkung, die beabsichtigt war. Hummel und Co. profitierten politisch davon, weil private Konflikte auf zivilrechtliche Weise gelöst werden sollten – und eben deshalb als Racheakt auf der politischen Bühne etwas Schäbiges transportieren. Der kleine tapfere Peter Hummel kämpfte quasi erfolgreich mit einem “Hubsi-Taschenmesser” einen gerechten Kampf gegen schier unbesiegbare Gegner: gegen einen Kickbox-Meister und gegen eine Vergangenheit mit falschen Freunden. Und die Partei stand hinter ihm, wirklich eine schöne Geschichte.
Das Endergebnis der OB-Wahl:
Eva Weber (CSU) 43,1 %
Dirk Wurm (SPD) 18,8 %
Martina Wild (GRÜNE) 18,5 %
Andreas Jurca (AFD) 4,8 %
Peter Hummel (FW) 3,1 %
Frederik Hintermayr (LINKE) 2,7 %
Lisa McQueen (DIE PARTEI) 2,0 %
Bruno Marcon (AIB) 1,5 %
Lars Vollmar (FDP) 1,3 %
Anna Tabak (WSA) 1,3 %
Christian Pettinger (ÖDP) 1,2 %
Claudia Eberle (PA) 1,0 %
Roland Wegner (V-Partei) 0,7 %
Hier das Endergebnis der Augsburger Stadtratswahl:
CSU 32,2 %
SPD 14,3 %
Grüne 23,4 %
AfD 6,6 %
FW 4,5 %
Linke 3,7 %
FDP 2,3 %
ÖDP 2,2 %
Gen. Aux 2,1 %
AIB 1,9 %
Pro A. 1,8 %
Die Partei 1,5 %
WSA 1,5 %
V-Partei 1,4 %
Polit-WG 0,6 %