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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Meinung

Wie eine Lobbyistin für Partikular-Interessen — Anmerkungen zur Stadt Augsburg

„Die Heilige Eva überbringt ihren Jüngern die schlechte Nachricht.“ So könnte man ein Foto der Augsburger Allgemeinen untertiteln, das Augsburgs Oberbürgermeisterin zeigt, wie sie auf dem Christkindlesmarkt mit enttäuschten Standbetreibern spricht. Dass die Stadt keine Politik macht, sondern wie eine Lobbyistin agiert, ist eine beunruhigende Erkenntnis, die die Christkindlesmarkt-Affäre zutage brachte.

Kommentar von Siegfried Zagler

Die Stadt Augsburg hätte es gern gesehen, wenn der Augsburger Christkindlesmarkt stattgefunden hätte, obwohl die Inzidenzwerte im Stadtgebiet durch die Decke schossen. Die Argumentationsweise der Stadt folgte dabei einer inhärenten Logik, indem sie das Falsche mit dem Falschen rechtfertigte: „Solange der Einzelhandel, die Gastronomie, Clubs, Kinos, Theater und andere Einrichtungen geöffnet haben, sehe ich keine (Rechts-)Grundlage für die Absage des Christkindlesmarktes.“ So beantwortete Oberbürgermeisterin Eva Weber am Montag eine Anfrage der DAZ, ob der Christkindlesmarkt stattfinde.

Das Richtige mit dem Richtigen zu begründen wäre nicht nur klüger gewesen, sondern hätte auch eine politische Positionierung bedeutet. Das hätte sich dann so angehört:

„Die Stadt Augsburg ist für klare Ansagen in der Coronapolitik, deshalb kann der Christkindlesmarktes auch heuer nicht verantwortet werden, doch selbstverständlich müsste der Freistaat flächendeckende Beschlüsse hinsichtlich des Einzelhandels, der Gastronomie, der Clubs, Kinos, Theater und anderer Einrichtungen folgen lassen. Da wir sicher davon ausgehen, dass das angesichts der Infektionslage noch kommt, müssen wir leider den Christkindlesmarkt frühzeitig absagen.“

Da eine Kommunikation zwischen der Staatsregierung und der Augsburger Stadtregierung in Sachen Corona nicht zu existieren scheint, hätte Eva Weber auch eine andere Schlussfolgerung ziehen können, dann müsste der letzte Satz lauten: „Da wir aber nicht wissen, ob der Freistaat das vorhat, wollen wir keine frühzeitige Einzelentscheidung treffen, die aus infektiologischer Sicht gefahrloser wäre, als entsprechende Aktivitäten in geschlossenen Räumen.“

Mit dieser Argumentation hätte sich die Stadt politisch verhalten. Doch das war bedauerlicherweise nicht der Fall. Die Stadt Augsburg agierte wie eine Vertreterin von Partikular-Interessen, wie eine Lobbyismusverein der ansässigen Gastronomie und Marktbeschicker. Sie ging zusammen mit den Standbetreibern in Deckung und überließ dem Freistaat die Erzählung des politisch Notwendigen. So liest sich auch die städtische Pressemitteilung kurz nach Söders Bekanntgabe wie ein Dekret des Bedauerns.

Dass sich die Augsburger Allgemeine in diesem Zusammenhang auch noch zu einem inszenierten Fotoshooting einer ziemlich religiösen Ikonographie verwenden ließ, verschiebt das populistische Agieren der Stadt endgültig in die Sphären der Peinlichkeit.