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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Am Krankenlager der SPD

Kommentar von Siegfried Zagler

Die Augsburger Allgemeine berichtet in ihrer heutigen Ausgabe darüber, dass Oberbürgermeister Kurt Gribl am liebsten SPD-Frontmann Stefan Kiefer von der Referentenbank fernhalten würde, da Kurt Gribl dem SPD-Fraktionsvorsitzenden nicht trauen könne. Kurt Gribl wollte die AZ-Spekulation nicht kommentieren, allerdings auch nicht dementieren. Man kann also davon ausgehen, dass es sich dabei um eine differenzierte Spekulation handelt und somit um einen klug eingefädelten Schachzug der CSU und ihres Oberbürgermeisters. Die Speerspitze gegen SPD-Frontmann Kiefer ist der erste große Knaller im Kampf um die Referate und um den zukünftigen Kurs der Rathausregierung: Die SPD könne nur sicher bei der Regierungsbildung dabei sein, wenn sie ihren Spitzenmann fallen ließe, so die unmissverständliche Botschaft im Subtext.

Es handelt sich dabei um eine Zersetzungsstrategie, die die auf dem Krankenlager darniederliegende SPD unter Druck setzt, sich zu ihrem Frontmann zu positionieren. Zu diesem klassischen Akt nach einer verlorenen Wahl konnte sich die Augsburger SPD bisher noch nicht aufraffen. Achselzuckend nach einer verheerenden Niederlage zur Tagesordnung überzugehen, bedeutet jedoch den höchsten Grad der Depression und möglicherweise sind die schwerwiegenden strukturellen wie personellen Defizite der SPD in den zurückliegenden Jahren unter der Ägide Bahr/Kiefer nicht nur bagatellisiert, sondern sogar verschärft worden. Ulrike Bahr und Stefan Kiefer haben das schlechteste Ergebnis der Augsburger SPD in der politischen Stadtgeschichte zu verantworten. Sie hätten angemessen reagieren müssen. Das dafür zur Verfügung stehende Repertoire ist überschaubar: entweder man tritt zurück oder stellt die Vertrauensfrage. Ohne sich ostentativ  Rückhalt beim Vorstand und der Parteibasis abzuholen, hätten Stefan Kiefer und Ulrike Bahr nicht in die Sondierungsgespräche mit der CSU gehen dürfen. Was Kiefer/Bahr und die gesamte SPD versäumt haben, fordern nun ihre politischen Gegner ein. Eine Demütigung erster Güte und auch ein Zeichen dafür, wie tief die Augsburger SPD gesunken ist.

Dennoch ist die Frage, wie die SPD auf die Attacke gegen Kiefer reagieren soll, einfach zu beantworten. Kiefers Rückzug aus der Politik würde den Niedergang der Augsburger SPD beschleunigen. Kiefer hat sich im Lauf der vergangenen Jahre zu einem kompetenten Lokalpolitiker entwickelt. Im Wahlkampf schlug er sich gegen Augsburgs amtierenden OB Gribl ausgezeichnet. Sein Rückzug würde aus Sicht der SPD keinen Sinn ergeben, zumal er in der aktuellen Situation der einzige gewählte SPD-Mann mit Referent-Qualität im Rathaus ist. Würde die SPD Kiefer opfern, müsste man der SPD neben ihrer nachhaltigen Lust an der eigenen Dekonstruktion zusätzlich noch kollektive Suizid-Absicht attestieren.  Die Frage allerdings, warum die SPD an der farb- und kraftlosen Vorsitzenden Ulrike Bahr festhalten soll, ließe sich nur mit einem unverhältnismäßig hohen rhetorischen Aufwand beantworten.