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Freitag, 22.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Als hätte man das große Los gezogen

Warum die geplante städtische Förderung von Bluespots Productions skandalöse Züge trägt

Kommentar von Siegfried Zagler

I Dichtung

Der Kulturausschuss der Stadt Augsburg hat in seiner zurückliegenden Sitzung beschlossen, ein “junges Theaterensemble” zu bezuschussen. Ob das Theaterensemble Bluespots Productions förderungswürdiges Theater macht oder nicht, hat der Kulturausschuss am vergangenen Mittwoch allerdings nicht zur Debatte gestellt, obwohl diese Frage die vornehmste Frage wäre, die ein Kulturausschuss zu erörtern hätte, wenn es darum geht, wen oder was die Stadt Augsburg für förderungswürdig hält. Weder in den lokalen Feuilletons noch im höchsten kulturpolitischen Gremium der Stadt wurde und wird eine offene und differenzierte Qualitätsdebatte bezüglich der zu fördernden Kunstprojekte geführt. Dauerhafte Förderungsprojekte von „etablierten“ Produktionen werden nicht hinterfragt, sondern fortgesetzt, bis ein Projektleiter in Rente geht. Diese für die Stadt Augsburg schädliche Förderpraxis ist nicht nur Kulturreferent Peter Grab geschuldet, sondern der bundesdeutschen Fördersystematik im Allgemeinen und einem verschlafenen städtischen  Kulturausschuss im Besonderen – und natürlich dem Feuilleton der Augsburger Allgemeinen, deren Kulturredaktion es im Kreuz haben sollte, dass zum Beispiel eine freie Gruppe mit Studententheaterniveau wie Bluespots Productions von einem Kulturreferenten nicht zu einem „unverzichtbaren Segment der Augsburger Kulturlandschaft“ hoch gedichtet werden kann.

II Wirklichkeit

Das von Petra Leonie Pichler geführte Theaterensemble Bluespots Productions hat in Augsburg bisher noch nichts geleistet, womit man eine besondere Fördersituation begründen könnte. Für alle Projekte dieser Company gab es ohnehin stets angemessene Projektzuschüsse – zum Teil über Peter Grabs speziell zusammengesparten Ku.spo-Topf, mit dem Grab niederschwellige Projekte ohne Zustimmung des Kulturamtes und ohne Zustimmung des Kulturausschusses nach Nützlichkeitserwägungen in eigener Sache fördert. Seit Mittwoch darf man nun davon ausgehen, dass die Stadt mit einem so genannten „projektbezogenen Zuschuss“ die Rechnungen der Company im laufenden Jahr bezahlt, ohne dass dafür von Bluespots Productions ein Projekt in Aussicht gestellt wurde. Es ist kaum vorstellbar, dass der Stadtrat in seinen Beratungen zum Nachtragshaushalt diesen Fauxpas durchgehen lässt. Im kommenden Herbst wird sich der Kulturausschuss wohl mit einem Antrag bezüglich einer auf 50.000 Euro angesetzten strukturbezogenen Dauerförderung für Bluespots Productions auseinandersetzen müssen. In der freien Szene gab es diesbezüglich außergewöhnlich deutliche Hintergrundgeräusche. Zurecht: Bei der Förderung der „Pichler-Company“ läuft im Prinzip alles aus dem Ruder. Der Kulturreferent und der Kulturausschuss stehen spätestens seit Mittwoch unter schwerem Verdacht, im Sinne einer Günstlingswirtschaft zu handeln. Den Vogel schoss am Ende einer aberwitzigen Debatte SPD-Stadtrat Schneider ab, der wohl fürchtet, dass die geplante 9.500-Euro-Entnahme aus der Augsburger “Karl Häusler-Kulturstiftung” für Bluespots Productions e.V. nicht zweckgemäß sein könnte, also scheitern könnte, und beantragte, dass in diesem Falle das Kulturamt für diese Summe aufkommen solle. Der Kulturausschuss stimmte zu, was bedeuten könnte, dass die Hälfte des Budgets, das Kulturamtsleiter Thomas Weitzel zur Förderung von freien Projekten zu Verfügung steht, 2013 allein für die Förderung von Bluespots Productions zu verwenden wäre.

III Niedergang

Immerhin gab es ein paar Bemerkungen im Ausschuss, die nicht falsch waren, wie zum Beispiel die Anmerkung von Andreas Jäckel (CSU), dass man sich davon lösen müsse, immer das Gleiche zu fördern oder die Bemerkung von Karl-Heinz Schneider (SPD), dass Bluespots Productions ein Theater „gegen den Strich“ mache. Und Dimitrios Tsantilas (CSM) wollte mit seiner unglücklichen Bemerkung, dass Grab nach „Prinzip Gießkanne“ Fördermittel vergebe, zum Ausdruck bringen, dass Peter Grab ohne Sinn und Verstand Fördermittel verteilt. Eine Qualitätsdebatte sieht anders aus. Es gab keine Wertung und keine Qualitätsklassifizierung bezüglich des Stellenwerts von Bluespots Productions im Gesamtkontext der so genannten „freien Theater-Szene“, für die in der Kulturstadt Augsburg ohnehin zu wenig Fördermittel vorhanden sind.

„Im Sinne eines erweiterten Kulturbegriffes ist das Ensemble von Bluespots Productions ein unverzichtbares Segment in der Augsburger Kulturlandschaft“, so Grab in seiner Beschlussvorlage. Die Kunstform Theater (und selbstverständlich auch das künstlerische Wirken von Bluespots Productions) hat nichts mit dem „erweiterten Kulturbegriff“ zu tun. Theater ist mit allen Sparten und Sujets im Zentrum der Künste und kein „Segment in der Augsburger Kulturlandschaft“. Die Pichlers machen Theater, besser: ambitioniertes Theater. In diesem definierbaren Raum ist die Förderwürdigkeit von Bluespots Productions zu untersuchen und nicht in den unendlichen Weiten eines ehemaligen kulturpolitischen Kampfbegriffes aus den Siebzigern. Es wäre aber zu kurz gesprungen, allein Peter Grab für seine kaum noch erträglichen Verfehlungen zu geißeln. Dem Kulturausschuss scheint in seiner Gesamtheit die Kompetenz zu fehlen, die nötig wäre, um die gefährlichen Irrwege und Tiefflüge des Kulturreferenten eben als solche zu entlarven. Wenn die Stadt Augsburg Bluespots Productions wie vorgesehen fördern sollte, wäre fast alles förderungswürdig, zumindest wäre alles denkbar.

Jedes Laien- und Studententheater darf sich dann aufgefordert fühlen, einen Förderantrag zu stellen. Nach der Lesart Peter Grabs darf jeder Performer von nun an „im Sinne des erweiterten Kulturbegriffs“ auf einen Treffer hoffen. Von den Pichlers sind die vom Kulturausschuss bewilligten Fördermittel wie ein Glücksereignis gefeiert worden. Nach dem Beschluss eilten die Zwillinge aus dem Sitzungssaal, um vor der Tür zu kreischen, als habe man soeben im großen Stil in der Lotterie gewonnen.