Abschied von einem Dinosaurier
Warum Halil Altintop trotz seiner geringen Laufbereitschaft für den FCA so wertvoll war
Von Siegfried Zagler
Halil Altintop ist in Augsburg Geschichte. Er verlässt aber nicht nur Augsburg und die Bundesliga, sondern vermutlich bald auch die Sphäre des Spitzensports. Es ist nämlich kaum vorstellbar, dass ein Spieler wie Altintop, der in Augsburg selten einen Schritt zu viel lief, mit seiner ökonomischen Spielweise im Spitzenfußball noch eine Mannschaft verstärken kann. Mit 34 Jahren ist das nichts Besonderes, sondern die Regel. Aus Augsburger Sicht muss man Halil Altintop also doppelt dankbar sein.
Zum einen, weil er in der zurückliegenden Saison in letzter Sekunde und in der letzten Rille zusammen mit der Mannschaft alle Reserven mobilisierte und als Leader ein schwer angeschlagenes Schiff vor der Havarie rettete, also mit einer nicht mehr für möglich gehaltenen Energieleistung den Bundesligaabstieg des FCA abwenden konnte.
Und man muss ihm dafür dankbar sein, dass er den FCA verlässt, denn das Augsburger Management hätte ihn merkwürdigerweise gerne für ein weiteres Jahr gehalten. Richtig verstanden hat diese Äußerungen seitens des FCA außerhalb der Sportredaktion der Augsburger Allgemeinen niemand so richtig. Altintop war, wenn man die gesamte vergangene Saison in die Bewertung nimmt, nicht viel mehr als eine Zumutung: zu langsam, zu lauffaul, zu planlos. Auch wenn der in Gelsenkirchen geborene Altintop auf der Zielgeraden durch seine Torgefährlichkeit sporadisch zu glänzen verstand, waren bereits in der Vorsaison seine fußballerischen Darbietung meistens davon gekennzeichnet, dass er im Spiel lange Auszeiten nehmen musste und er jeden längeren Sprint vermied.
Mit Halil Altintop verlässt der letzte Phlegmatiker die Bundesliga. Ein Dinosaurier in der Evolutionsgeschichte des Fußballs, also ein Spieler, dessen phlegmatische Spielweise bereits in seiner ersten Saison beim FCA ins Auge stach. “Ein echter Halbstürmer” – ein an die Fußballkultur der Siebziger erinnernder Sparfußballer, ohne Dynamik und Sprintvermögen – ein Schleicher. Doch mit seinem Phlegma und seiner Übersicht beflügelte und sortierte er das ungestüme Heranstürmen eines Tobias Werners. Und mit seiner Ballsicherheit und seiner Torgefährlichkeit changierte er in Augsburg zuweilen zwischen einer “falschen Neun” und einem geschickten Ballverteiler im Mittelfeld, der – zusammen mit Werner und Baier – den FCA für zwei Saisons zu einem fußballspielenden Riesen entwickelte. Ohne das “magische” Dreieck” Baier-Werner-Altintop hätte es die beiden Topspielzeiten des FC Augsburg in der Bundesliga nicht gegeben.
In Augsburg absolvierte Halil Altintop in vier Spielzeiten insgesamt 128 Spiele für den FCA. In 115 Bundesligaspielen, fünf Europa-League-Begegnungen und acht Partien im DFB-Pokal zeigte er meistens überzeugende Auftritte. – Halil Altintop kann Augsburg mit breiter Brust und der Gewissheit verlassen, dass er in hohem Maße mitgeholfen hat, den Klub in der Bundesliga zu etablieren.