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Dienstag, 29.04.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Manche Wunden sind verheilt

Die Stadt feierte im Goldenen Saal das Kriegsende vor 65 Jahren

Von Frank Heindl

Dass sich Deutschland und die Völker der Welt 65 Jahre nach Kriegsende wieder vertragen, größtenteils Freundschaft geschlossen haben, mag uns mittlerweile fast als Selbstverständlichkeit gelten. Manchmal, wenn man mit Zahlen und Fakten konfrontiert wird, muss diese Tatsache einem trotzdem immer noch als kleines Wunder erscheinen – als ein Wunder auch, dass gefeiert werden muss. Am Montag beging die Stadt Augsburg den Jahrestag im Goldenen Saal des Rathauses.

Oberbürgermeister Kurt Gribl erinnert umfassend und ohne zu beschönigen daran, dass der 8.5.1945, der Tag also, an dem die bedingungslose Kapitulation der deutschen Truppen in Kraft trat, auch für Deutschland, vor allem aber für die KZ-Häftlinge ein Tag der Befreiung gewesen sei. Der Tag habe das „dunkelste Kapitel der europäischen, insbesondere aber der deutschen Geschichte“ beendet. Der Krieg, der vor 65 Jahren zu Ende ging, habe allein 27 Millionen Bürgern der damaligen Sowjetunion das Leben gekostet. Beim schlimmsten Bombenangriff der Alliierten auf Augsburg in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 1945 waren 730 Augsburger getötet worden – eine Zahl, die deutlich macht, wie unterschiedlich die Opfer verteilt waren. Gribl verschwieg auch nicht, dass von den mehr als tausend Bürgern jüdischen Glaubens, die man in Augsburg vor 1933 zählte, nur wenige den Krieg und den Holocaust überlebt haben, und erwähnte auch die Rolle Augsburgs im Lagersystem der Nazis: Die Außenlager in Haunstetten, Pfersee und Kriegshaber hatten ihren Anteil an der Versklavung der Kriegsgefangenen, der Verfolgung der Regimegegner.

Augsburg versuche heute, den Jahrestag des Kriegsendes zur Reflexion darüber zu nutzen, so der OB, „dass so etwas nie wieder passieren darf.“ Es gehe darum, die Devise „Augsburg ist Friedensstadt“ als Grundhaltung zu etablieren – vor allem auch wegen der hohen Zahl an Mitbürgern mit Migrationshintergrund.

„Der Krieg ist erst zu Ende, wenn alle Opfer bekannt sind“

Alexander Mazo, Präsident der israelitischen Kulturgemeinde Schwaben-Augsburg, wies im Anschluss auf den wieder vorhandenen Rechtsextremismus in Deutschland hin und bemängelte, dass auch heute noch nicht alle Verbrecher des Nazi-Regimes bestraft seien. Und es seien auch noch immer nicht die Namen aller Opfer bekannt: „Man sagt, dass ein Krieg so lange nicht zu Ende ist, bis alle Opfer bekannt sind.“ Für die aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion stammenden Augsburger Bürger sprachen anschließend die Generalkonsuln von Russland und der Ukraine, Andrej Grosow und Yuriy Yarmilko. Grosow betonte, dass 18 Millionen der 27 Millionen getöteter Sowjetbürger nicht Militärangehörige, sondern Zivilisten waren und dass die Hälfte der im Holocaust ermordeten Juden, nämlich drei Millionen, ebenfalls aus der Sowjetunion stammten. Für die Kriegsgegner Deutschlands sei es schlichtweg um einen Überlebenskampf gegangen gegen einen „militärisch-politischen Amoklauf.“

„Die Reihen werden dünner“

Eine Feier wie diese läuft immer Gefahr, trotz aller Anstrengungen der Beteiligten „Offiziellen“ zur Routineveranstaltung zu werden – abgelesene Reden lassen selten große Gefühle aufkommen. Für bewegende Momente sorgte am Montag im Goldenen Saal aber die Übergabe von Ehrenmedaillen an sowjetische Veteranen, die heute in Augsburg leben. „Mit jedem Tag werden ihre Reihen dünner“, konstatierte Yuriy Yarmilko, und den meisten der Wenigen sah man ihr Alter an – manchem aber auch den Stolz, damals dabei gewesen zu sein und noch heute von den hohen Repräsentanten auch Deutschlands dafür geehrt zu werden. Besonders angetan hatte es dem OB ein weibliches Zwillingspaar. Gribl, der allen Veteranen auch persönlich gratulierte, registrierte verblüfft und bewegt, die beiden alten Damen hätten bei ihm keine Klage geführt, sondern sich bedankt „für das schöne Leben, das sie hier führen dürfen.“ Wie eingangs erwähnt: Auch wenn das Kriegsende schon 65 Jahre alt ist, darf man es bisweilen als kleines Wunder betrachten, wie gut manche Wunden verheilt sind.