Gastbeitrag
Terra A: Stellungnahme zugunsten der Karmelitengasse in der Standortfrage Römisches Museum
Von Dr. Ernst L. Schlee
Nachdem man vernehmen konnte, dass die Karmelitengasse als Standort für ein neues Römisches Museum Aussicht auf Erfolg hat, erlaubt sich der Verfasser dieser Zeilen, seinen Zuspruch zu einer solchen Wahl zu äußern, deckt sie sich doch mit dem Vorschlag, den er bereits im Dezember 2014, zwei Jahre nach Schließung der Dominikanerkirche und nach Bekanntwerden der freistaatlichen Absicht der Räumung des Gefängnisses mit ausführlicher Begründung in den Postkasten der Stadtverwaltung warf.
Römisches Museum, Entwurfsvariante aus der Machbarkeitsstudie
Die Argumente teilen sich in zwei Komplexe auf, von denen der erste (Teil I) aus allgemeineren Überlegungen (vornehmlich zur Typik von musealen Institutionen mit römischen Exponaten in Süddeutschland) besteht, während der zweite (II) mehr den historischen Boden des Augsburger Domviertels betrifft und dabei mit einem Vorschlag zu einer weiterführenden Institution aufwartet, die ihren Sinn erst dann ganz entfalten kann, wenn sie ein in der Karmelitengasse befindliches Römisches Museum bereits im Rücken hat und infolgedessen als Zukunftsmusik für fernere Zeiten gedacht ist, in denen bei der Stadt die Kassenlage besser ausschaut als heute.
I.
Bekanntlich war das römische Augsburg eine Provinzhauptstadt und teilte diesen Status, sofern man dabei nur das heutige Deutschland berücksichtigt, allein mit den linksrheinischen Städten Trier, Mainz und Köln. Von solchem Rang her sollte man erwarten, dass ein zukünftiges Römisches Museum in Augsburg Mitteilungen von derartiger Wichtigkeit nicht nur irgendwelchen Publikationen anvertraut – wie dies noch während der Ära Dominikanerkirche üblich war −, sondern, wie manches andere, dem Besucher mittels einer guten Karte eingängig macht. Jedem Neuling in Sachen ‚Römer‘ wird auf diesem Wege zugleich verdeutlicht, wo überhaupt – jedenfalls auf längere Dauer! – die Römer in Germanien Fuß fassten (nur linksrheinisch, signalisiert durch die schon genannten Stadtnamen Trier, Mainz und Köln, sowie südlich der Donau, wofür hauptsächlich der Name Augsburg einsteht) – und wo n i c h t (= in dem weiten, sogenannten freien Germanien rechts des Rheins und nördlich der Donau). Zu empfehlen wäre gleichfalls, dass ein Augsburger Römisches Museum im Zusammenhang hiermit den Neuling selbstlos über weitere Römermuseen und -stätten in den so eingegrenzten Gebieten informiert. Auch allerdings sollte ebenso klar vermittelt werden, wo genau in Augsburg zunächst das römische Soldatenlager entstand, an dessen Stelle sich später das prächtige Zentrum der Zivilstadt entfaltete. Nachdem nun seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts eben dieser lang verborgen gebliebene Ort durch Grabungen aufgedeckt wurde, müsste er auch in einem neuen Römischen Museum nicht verheimlicht werden, wobei es indessen seltsam wirken würde, wenn detaillierte, indirekt zur Selbsterkundung jenes Geländes auffordernde Belehrungen innerhalb von Räumlichkeiten etwa des Ballenhauses (oder war eine ‚Basilika‘ gemeint?) oder des Predigerbergareals erfolgten und gleichzeitig bekannt wäre, dass man das Museum selber an den gesuchten Ort hätte verlegen können.
Vielerlei kleinere museale Römerstätten sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten am Limes und in seinem weiten Hinterland aufgrund von Grabungsfunden und/oder Rekonstruktionen von Baulichkeiten entstanden. Allemal ist die örtliche Bewandtnis dieser Stätten klar. Es gibt indessen auch Römermuseen von größerem Umfang und Zulauf wie etwa, um weiterhin südlich der Donau zu bleiben, die Archäologische Staatssammlung in München (Lerchenfeldstr. 2), im Stuttgarter Alten Schloss und in Karlsruhe (wiederum in einem Schloss, hier für den Landesteil Baden). Dort kann man Sammlungen besichtigen, die durch das Zusammenziehen von Grabungsfunden aus weitestem Umkreis zustande kamen und fortlaufend ergänzt werden, und zwar auf Initiative der Landesregierungen als Rechtsnachfolger von Landesfürsten und Königen, die einst mit dem weitreichenden Zusammenziehen begonnen hatten. Völlig ungewiss ist dabei, ob überhaupt jemals ein Römer seinen Fuß auf den Boden dieser Museumsorte beziehungsweise spät entstandenen Landeshauptstädte gesetzt hatte. Schon durch die Ansiedlung der im Rang mindestens gleichwertigen Augsburger Bestände in der Karmelitengasse sollte man bei unkundigen Besuchern bezüglich der Herkunft und des Zustandekommens der Institution nicht die leisesten Zweifel aufkommen lassen.
Sodann sollte der bildungsbeflissene Neuling vor einer Gefahr bewahrt werden, die ihm aus geographischen Gründen nicht in den alten Provinzhauptstädten Köln, Mainz oder Trier droht, dafür aber in Augsburg umso mehr, weil, wie der Volksmund sagt, das Schönste an Augsburg der nächste Zug nach dem äußerst nahen München ist. Denn München (wir übergehen Frankfurt und Berlin) verfügt nicht nur über die schon genannte Archäologische Staatssammlung mit sogenannten provinzialrömischen Beständen, unter denen sich auch beachtliche Stücke aus Augsburg befinden, sondern darüber hinaus, wenige Minuten vom Hauptbahnhof entfernt, in Form der um den Königsplatz gruppierten, in antikisierendem Stil errichteten Bauten – Propyläen, Glyptothek, Staatliche Antikensammlungen – über ein städtebauliches Highlight, das eine gewaltige Sammlung herrlichster Werke der klassischen Antike beherbergt, studierbar nach Gattungen (Skulpturen, Vasenmalerei u.a.), Herkunftsländern und -regionen (Griechenland, Italien, darunter Etrurien) und Perioden (archaische Zeit, klassische Zeit, Spätzeit). Zusätzlich sorgt eine an der vierten Platzseite untergebrachte, umfängliche Abgusssammlung dafür, dass nichts von dem fehlt, was von antiken Werken je Rang und Namen hatte. Auch von dieser Gegebenheit des qualitativen Schattenwurfs aus München her wäre es also geboten, die provinzialrömischen Bestände Augsburgs durch die genannte Standortanbindung (Karmelitengasse) unangemessenen Vergleichen und Missverständnissen konsequent zu entziehen. Wer sich in Münchens Glyptothek studierend in die Werke versenkt, denkt ja nicht daran, dass diese zum größten Teil erst im 19. Jahrhundert, voran mit den Mitteln des Bayernkönigs Ludwig I., auf dem freien Markt teuer erkauft und über die Alpen herbeigeschafft wurden.
Ferner spricht für die Karmelitengasse das Motto, welchem gemäß zusammenwachsen sollte, was zusammengehört. Hierbei spielt eine Rolle, dass, mittlerweile kaum bestreitbar, das Christentum in Augsburg noch während der Römerzeit Anklang und Ausbreitung fand. Zwar ist noch immer nicht ganz klar, ob es bereits zur Römerzeit zu einem Bischofssitz kam oder ob ein solcher erst zur Karolingerzeit gegründet – oder aber nach Unterbrechung wiedergegründet – wurde, doch bleibt dabei vorerst entscheidend, dass sich der Augsburger Dom in Übereinstimmung mit allgemeinen Verhältnissen eindeutig innerhalb der Grenzen der ehemaligen Römerstadt erhebt. Da man beileibe kein Christ sein muss, um sich stark dafür zu interessieren, wie und wo die Christen in Deutschland ihre ersten raren und bedeutenden Zentren hatten, sollte ein neues Augsburger Römisches Museum nicht mit optischen Hinweisen darauf sparen, dass so manches anfänglich bescheidene Domgebäude links des Rheins und südlich der Donau noch in einer Ecke des Soldatenlagers entstand – verwiesen sei stellvertretend hierfür auf Straßburg und Regensburg −, während in anderen Fällen, und hierzu gehören die schwesterlichen Provinzhauptstädte Köln, Mainz und Trier, der Dom in die außerhalb des Lagers befindlichen, zivilen Anhängsel, die sogenannten vici, zu stehen kam. Dort verleugnen die heutigen Verhältnisse (= Entfernung des Museums zum Dom innerhalb des alten römischen Areals) die ehemaligen keineswegs, und eher kann man sie im Fall von Köln mit dem Tür-an-Tür von gewaltigem Dom und Römisch-Germanischem Museum als etwas übertrieben empfinden, doch müsste es nicht wenig befremden, wenn man nun in Augsburg für das Museum eine Standortwahl träfe (Basilika, Predigerberg), die am Ende noch dazu verführte, die alten Zusammenhänge eher zu verschweigen statt offenzulegen.
Vorderhand kann der Augsburger Dom mit seinen verschiedenen mittelalterlichen Bauphasen sehr behilflich beim Verständnis dafür sein, warum es in Augsburg – im Unterschied hauptsächlich zu Trier, teils aber auch etwa zu Köln oder dem näher gelegenen Regensburg – kaum originales aufgehendes römisches Mauerwerk zu sehen gibt. Denn von späterem fleißigem Abbau und Wiederverwendung römischen Baumaterials kündet klar die von der Kornhausgasse sichtbare Wand des Nordquerhauses des Doms. Auch etwa die kreisrunde Basis, auf welcher der mehreckige große Ostchor aus Ziegeln aufgemauert wurde, soll aus Römerquadern bestehen (um nur einige der bekannten Stellen der Wiederverwendung römischen Steinmaterials im heutigen Innenstadtgebiet zu nennen). Insoweit würde also schon, die Wandlungen im Bereich der Religion einmal beiseitegelassen, das örtliche Zusammenspiel eines Römischen Museums in der Karmelitengasse mit dem Dom das Augsburger Manko gegenüber rheinischen Römerstädten in einem milderen Licht erscheinen lassen.

Hintergrundkarte: © Bayerische Vermessungsverwaltung (2025), Datenquelle: Geoportal Bayern www.geoportal.bayern.de
Vorangegangen war der mittelalterlichen Wiederverwendung allerdings ein Phänomen, das allgemein den Niedergang des Römerreiches begleitete und sich rund um das Mittelmeer beobachten lässt: Die Städte schrumpften bevölkerungs- und flächenmäßig; selbst Rom war davon nicht ausgenommen. In unserer Augusta wurde die nördliche Begrenzung, die im Winkel von Heinrich-von-Buz- und Sebastian-Straße im niederen Teil der heutigen Pfannenstielwiese verlief, weit auf jene Linie zurückgezogen, die heute, von West nach Ost, Kohler- und Jesuitengasse sowie Äußeres Pfaffengässchen bilden. Die südliche Begrenzung blieb die Linie Hafnerberg – Obstmarkt – Mauerberg.
Es versteht sich nun von selbst, dass ein in der Karmelitengasse befindliches Römisches Museum zu Erkundungen der Umgebung einlädt. Schon wenn es dabei allein um den Grund dafür gehen sollte, warum die Römer sich zur Anlage des Lagers jenes Areal aussuchten, auf dem das Museum steht, so braucht es, um die Eignung des Sporngeländes zwischen Lech und Wertach nicht nur über Planzeichnungen, sondern auch unmittelbar nachvollziehen zu können, an sich nur den kurzen Weg zum beeindruckenden Steilabhang bei der Schwedenmauer, während empfehlenswerter der längere und durchaus romantische Spaziergang ist, der an St. Stephan und am Galluskirchlein vorbei, sodann das Gallusbergle hinab und die Herwartstraße entlang bis zum Lueginsland führt oder besser noch darüber hinaus bis zu dem spitzbogigen Durchlass an der Stadtmauer bei der Thommstraße, bei dem das Areal der Pfannenstielwiese in den Blick kommt. Dass letzteres selbst gern Gedanken zu seiner Aufbereitung im Sinne eines Römerstadtgeländes anregt, ist bekannt, soll hier aber nicht Thema sein, da in dieser Frage keine Eile geboten ist.
Soweit nur erste Argumente für die Platzierung des Museums an die Stelle des Soldatenlagers und des nachfolgenden Zivilstadtzentrums. Von vornherein und elementar wären schon leiseste Zweifel über die Natur der Institution ausgeschlossen. Nicht dass man während der ‚Ära Dominikanerkirche‘ ernsthaft hätte fragen müssen, ob die Exponate tatsächlich aus dem Erdboden ergraben wurden; dennoch wirkten diese dort immer eher ein wenig so, als wären sie vom Himmel gefallen. Und noch das Cover des 1985 erschienenen, äußerst ertragreichen Katalogs mit dem Titel „Die Römer in Schwaben – Jubiläumsausstellung 2000 Jahre Augsburg“ schickte mit der Abbildung zweier schön gewandeter männlicher Relieffiguren eines großen römischen Grabsteins das damalige Museum unfreiwillig in eine nicht sehr heilsame Konkurrenz mit Kunstinstitutionen (natürlich auch mit dem nahegelegenen Schaezlerpalais). Dabei wäre es auch in der Karmelitengasse niemandem benommen, von den Faltenverläufen bei den Relieffiguren zu schwärmen, aber weniger bezweifelbar, dass man – unter anderem mit derart tollen Zeugnissen wie jenem Grabstein – in der Ausgangsära der allein schon aufgrund ihrer zeitlichen Länge sehr raren Augsburger Stadtgeschichte steht.
Nachdem der zeitliche und örtliche Ausgangspunkt der Augsburger Stadtgeschichte klar einkreisbar ist, stellt sich die Frage, wie die weitere Entwicklung verlief. Wie erahnbar angesichts der drei Nullen, die den Gesamtzeitraum bis heute mitbeziffern, ist mit Dunkelzonen zu rechnen und Bescheidenheit bei den Erwartungen nach Aufhellung angesagt. Allerdings hält die Augsburger Geschichte an Allein- und Rarstellungsmerkmalen, die einer musealen Präsentation würdig wären, nicht nur die Römerzeit parat. Doch davon Näheres in der nächsten Folge!
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