Meinung
Kommentar: Die Bürgermeisterin und das Klimacamp
Eva Weber und das Klimacamp. Warum Augsburgs Oberbürgermeisterin besser geschwiegen hätte.
Kommentar von Siegfried Zagler
Es ist nachvollziehbar, warum Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber zu einem Rundumschlag gegen das Klimacamp ausholte. Sie stand diesbezüglich unter Druck bei der eigenen CSU-Fraktion und die Augsburger Allgemeine dürstete beinahe kampagnenmäßig nach einer politischen Stellungnahme zum Klimacamp. Eva Weber bediente also eine Forderung ihrer Fraktion und buhlte zusätzlich um die Gunst konservativer CSU-Wähler, die – doch dies nur nebenbei – “ihre” Augsburger CSU immer weniger verstehen.
Dass Weber mit ihrer Fundamentalkritik bezüglich der politischen Methoden der Klimaaktivisten den Grünen Koalitionspartner bis ins Mark brüskiert, scheint sie offenbar, ohne Rücksprache genommen zu haben, billigend in Kauf zu nehmen. Die Augsburger Grünen sind gezähmte Tiger und werden, seit Mai 2020 im inneren Zirkel der Entscheidungsmacht angekommen, wohl kaum die Koalition in Frage stellen.
Die Grüne Bürgermeisterin Martina Wild frisst Eva Weber aus der Hand, die beiden Grünen Referenten Reiner Erben und Jürgen Enninger sind ohnehin unterwürfige Diener der Verwaltung und falls es innerhalb der Grünen Fraktion überhaupt noch ein Gefühl für Angriffe auf Grüne Identität geben sollte, werden sich die Fraktionsvorsitzenden Peter Rauscher und Verena von Mutius-Bartholy mit allerlei Verrenkungen auf das Parkett der Hochdiplomatie begeben. Das wäre zu bedauern, denn eigentlich müsste es laut scheppern.
Eva Webers Kritikkanonade in Richtung Klimacamp ist nicht nur im Sinne des OB-Amtes verfehlt, sondern zeugt von politischer Naivität. Dass OB Weber Klimaaktivist*innen konkrete Ratschläge erteilt und sie zugleich auffordert, sich an Verwaltungsprozessen zu beteiligen, ist vergleichsweise nicht weit davon entfernt, einer Heavy-metal-Band den Ratschlag zu geben, ein paar Songs von Helene Fischer ins Repertoire aufzunehmen. “Wir bleiben, bis ihr macht, was wir wollen. So funktioniert unsere Demokratie nicht”, so Eva Weber Richtung Klimacamp.
Doch unsere demokratische Kultur funktioniert genau so! Ehemalige Aktivisten der 68er Generation, die stets mit einem Bein im Gefängnis standen, wurden Minister, Vizekanzler oder Europa-Parlamentarier – oder in der Mehrheit engagierte Staatsbürger in Lehrberufen oder anderswo. Ohne den vehementen Widerstand von einer breiten Protestbewegung gegen die Atomenergie gäbe es die Grünen womöglich heute noch nicht. Die Grünen waren einst nichts anderes als eine politische Heimat für Aktivist*innen außerhalb des politischen Establishments. Die Grünen haben in den vergangenen 40 Jahren die Bundesrepublik Deutschland sehr stark zum Positiven hin verändert. Auch oder gerade in der Zeit, als sie noch kaum am Mitregieren waren.
Es waren aber nicht nur die zivilen Ungehorsamen, die sich dem System anpassten, auch das System veränderte sich durch nachhaltige Kritik und Engagement außerhalb der Parteienlandschaft. FFF, Klimacamp und Co. machen genau das. Sie haben die Verve und die Ausdauer sich mit dem politischen Establishment anzulegen. Nicht auf oberflächliche Weise, sondern mit durchschlagenden Argumenten zu einem multithematischen Sachverhalt.
Die Aktivist*innen des Klimacamps klären auf, zitieren Ziele der internationalen Klimaschutzabkommen und berufen sich auf ein von der Stadt beauftragtes Gutachten zum Kommunalen Klimaschutz. Aufgrund der städtischen Versäumnisse in der Vergangenheit unternimmt die Schwarz-Grüne Koalition immer noch zu wenig in Sachen Klimaschutz, wozu auch ein günstiger und schneller ÖPNV gehört. Dass das der Stadt Augsburg zugewiesene CO2-Restbudget viel zu schnell verbraucht wird, ist ein gesicherter Tatbestand. Was das genau bedeutet und warum das so ist, lässt sich im Augsburger Klimacamp erfahren.
Die Corona-Pandemie und Russlands Krieg gegen die Ukraine sind die aktuell vorherrschenden Themen. In der aktuell schweren Krisenzeit wirken Klimaschützer wie pedantische Erbsenzähler in Bezug auf eine Zukunft, die nicht bedrohlicher wirkt als die Gefahren der Gegenwart. Doch das ändert nichts daran, dass der Klimaschutz weiterhin zur wichtigsten Aufgabe der Politik gehört. Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit ist bedrohlich, könnte aber noch verhindert werden. Augsburgs Klimaaktivisten sorgen sich nicht um Wählerstimmen und Machtverlust, sondern um unsere Zukunft. Sie dergestalt abzubürsten wie Eva Weber das tat, stärkt sie und belastet das Koalitionsverhältnis. Mon dieu Eva, möchte man ihr zurufen: si tacuisses, philosophus mansisses.