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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Kommentar: Was der Welterbe-Titel bedeuten sollte

Die Stadt Augsburg hat ihren Weltkulturerbe-Schatz sehr spät entdeckt. Und auch nach der Entdeckung hat sich das Bewusstsein dafür nur langsam herausgebildet. Nun gilt die Hoffnung, dass die Kulturpolitik in Augsburg einen höheren Stellenwert bekommt. Es wäre nämlich grotesk und verantwortungslos zugleich, sich einen Weltkulturerbetitel zu erarbeiten, um nun mit den 22 Stätten so nachlässig zu verfahren, wie das mit vielen Kulturdenkmälern in dieser Stadt bereits geschah.

Kommentar von Siegfried Zagler

Die Aufnahme der Unesco in die Welterbe-Liste ist eine besondere Wertschätzung für Augsburg: 46 Orte und Stätten gibt es davon in Deutschland, 1113 Titel gibt es weltweit. Das historische Wassermanagement der Stadt ist nicht einfach zu vermitteln und zu Beginn tat sich auch die Augsburger Stadtregierung damit schwer. Von 2011 bis 2012 beklagte sich zum Beispiel der damalige Kulturreferent Peter Grab darüber, dass er zwar Mittel für die Bewerbung beantragt habe, aber nicht bewilligt bekomme. Damals befand sich die Stadt im harten Sparmodus. 2016, die Bewerbung befand sich bereits auf einem breiten Weg, gab es Widerstände aus der Mitte des Stadtrats, weil man die Folgekosten fürchtete.

Anhand des einzigartigen Systems der Wasserwirtschaft lasse sich die gesamte Entwicklung Augsburgs nachvollziehen, wirtschaftlich genauso wie sozial und kulturell. Die Auszeichnung als Weltkulturerbe sei ein Qualitätssiegel allererster Güte und gebe der Stadt ein neues und starkes Profil, das für die ganze Welt sichtbar werde. So euphorisch und hellsichtig äußerte sich Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl nach der Ernennung.

An dieser Stelle soll nun daran erinnert werden, dass Kurt Gribls Kulturreferenten viele Jahre verstreichen ließen, bis das Projekt professionell bearbeitet und vorangetrieben wurde. Das lag nicht nur am Geldmangel, sondern auch an der wenig vornehmen Zurückhaltung der Verwaltung, die nicht so richtig überzeugt schien von dem Gelingen des Vorhabens. Zwischendrin wurden Stimmen laut, dass man fürchten müsse, dass die Bewerbung nicht mehr zu Ende gebracht wird. Die Bewerbungsarbeit, die sich nun, so Gribl, gelohnt hätte, dauerte nicht neun Jahre, weil Unesco-Bewerbungen eben so lange dauern, sondern weil das Ganze von Beginn an nicht ernsthaft angegangen wurde und zwischendrin immer wieder ins Stottern kam.

Das ist nun Geschichte, sollte aber nicht vergessen werden, wenn man nach vorne schaut. Die Stadt Augsburg hat nicht nur ihre Schulen und ihr Stadttheater vergammeln lassen, sondern auch ihre kulturellen Stätten, wie zum Beispiel die Stadtmauer, das Römische Museum, das Gignoux-Haus oder die Staats-und Stadtbibliothek. Verantwortlich dafür ist eine schwache Kulturpolitik, die seit 2008 nicht entwickelt, zu wenig Impulse setzt und noch weniger bewahrt. Soll das auch für die ganze Welt sichtbar werden?

Es wäre grotesk und verantwortungslos, sich einen Weltkulturerbetitel zu erarbeiten, um nun mit den 22 Stätten so nachlässig zu verfahren, wie das mit vielen Kulturdenkmälern in dieser Stadt bereits geschah. Die Frage, die nun im Raum steht, lautet demnach: Ist das historische Wasserkraftwerk beim Hochablass erhaltenswerter als zum Beispiel die Dominikanerkirche, weil das Kraftwerk das Unesco-Siegel hat und die Kirche nicht? Die nach Baku gereiste deutsche Delegation um den Augsburger Kulturreferenten Thomas Weitzel bedankte sich jedenfalls beim Unesco-Welterbekomitee und Weitzel hob dabei hervor, dass die Stadt diese Auszeichnung auch als Auftrag verstehe, die 22 Stationen im Stadtgebiet, die nun zum Weltkulturerbe gehören, zu erhalten und im Sinne der kulturellen Vermittlung weiter an ihnen zu arbeiten.

Bayerns Kunstminister Bernd Sibler bezeichnete die Entscheidung als “großartige Auszeichnung”, die das Engagement der Stadt belohne und gleichzeitig den Kulturstaat Bayern noch sichtbarer mache. Augsburgs Aufstieg und Wohlstand hänge eng mit dem System zur Wasserversorgung zusammen. Die Aufnahme in die Welterbeliste mache deutlich, wie wertvoll diese kulturelle Errungenschaft und hohe technische Leistung sei, so Sibler. Mit Blick auf die nun acht Welterbestätten verwies Sibler auf den kulturellen Reichtum im Freistaat. Unsere Denkmäler zu erhalten, bedeute einen Teil unserer Geschichte und Identität für unsere nachfolgenden Generationen zu bewahren, so der Kunstminister.

Der Augsburger SPD-Landtagsabgeordnete Harald Güller äußerte seine Freude mit den Worten “Wir sind Weltkulturerbe”. Der Titel wird die Stadt jedoch nur nach vorne bringen, wenn er das historische Bewusstsein seiner Bürger schärft und die Wertschätzung für die eigene Geschichte erhöht. Dazu gehört die Pflege aller Kulturdenkmäler, dazu gehört die Arbeit an der gesamten Geschichte dieser Stadt, die eine bessere Kulturpolitik verdient hätte.