Schwarz-Grün wäre ein Pilotprojekt mit Bedeutungshöhe
Wer wird uns regieren? Wer gibt bei der Fortführung der Stadt bis 2020 den Ton an? Nur die zweite Frage lässt sich beantworten, alles andere ist völlig offen.
Von Siegfried Zagler
Die Frage, wer in den nächsten sechs Jahren in der politischen Stadt den Ton angeben soll, hat der Souverän am vergangenen Sonntag eindeutig beantwortet: Augsburgs alter und neuer Oberbürgermeister Kurt Gribl. Er hat die gesamte CSU zu einem überzeugenden Wahlsieg geführt und – wie die Wanderungen der Stadtratskandidaten auf der CSU-Liste anzeigen – innerhalb der CSU seine Position stark verbessert. Die Augsburger CSU ist nach der Wahl näher bei Kurt Gribl als sie es davor jemals war. Die zweite Schlussfolgerung, die aus dem Wahlergebnis zu ziehen ist: Rot-Grün als Basis eines neuen Regenbogens hat der Wähler mit der Zertrümmerung der SPD zu Grabe getragen. Dass sich die CSU und die Grünen intensiv beschnuppern, ist eine logische Konsequenz des SPD-Desasters.
Eine Koalition zwischen CSU, den Grünen und der SPD liegt in der Luft. Auch die CSM mit ihrem Frontmann Hermann Weber ist noch nicht aus dem Rennen. Für ihre Beteiligung an einer Regierungskoalition haben die Grünen die Hürde allerdings sehr hoch gehängt. Falls sich die Gerüchte bestätigen sollten, dass die CSM und Pro Augsburg eine Fraktionsgemeinschaft bilden, würden die Grünen bezüglich einer Regierungskoalition die Segel streichen. „Wenn Pro Augsburg in welcher Form auch immer im Boot ist, sind die Grünen weg“, so Erben zur DAZ. Er sei sich nämlich sicher, dass die Grüne Basis nicht das geringste Verständnis dafür aufbringen würde, wären die Grünen Pro Augsburg bei einer Regierungsbeteiligung behilflich. Ein weiteres No-Go hat Reiner Erben unmissverständlich auf der Grünen Stadtversammlung formuliert: eine weitere Stadtratsperiode des CSU-Umweltreferenten Rainer Schaal. Daran ist die bisher unausgesprochene Vorstellung geknüpft, dass ein inhaltlich erweitertes Umweltreferat an die Grünen gehen müsse. Das Gedankenspiel, dass ein Grüner Umweltreferent auch die Felder „Integration und Nachhaltigkeit“ zu bearbeiten habe, kam offenbar bei dem dreistündigen Sondierungsmarathon mit der CSU am Donnerstag zur Sprache.
Fasst man die Reflexionen Reiner Erbens bezüglich des ersten Sondierungsgespräches zusammen, haben CSU und Grüne beim Abgleich der gemeinsamen Schnittmengen viele gemeinsame Themen erkennen können, die in Zukunft intensiv zu bearbeitet wären. Ähnlich äußerte sich auch Kurt Gribl gegenüber der DAZ: „Das Ganze fühlt sich gut an.“ Man habe festgestellt, dass man die Gespräche fortführen wolle. „Ich bin offen für die Grünen“, so Gribl, der bestätigte, dass bereits 50 Themenkomplexe in der ersten Gesprächsrunde abgehandelt wurden. Zu seinem Verhandlungsauftrag gehöre selbstverständlich, dass er mit allen sprechen werde, und zwar parallel. ( „Mit allen“ heißt in diesem Fall mit den Grünen, mit der SPD, mit der CSM, mit Pro Augsburg.). Die ersten Gespräche mit der SPD stünden zeitnah vor der Tür, so Gribl, der wohl, wie Reiner Erben, mit einer großen Lösung mit der SPD liebäugelt, ohne dabei auf Finanzreferent Hermann Weber (CSM) verzichten zu wollen. Dass er mit der “Personalie Weber” bei der CSU auf Widerstände stoßen wird, ist Gribl offenbar bewusst. Bis Mitte April würde man sich für den Koalitionspoker Zeit nehmen können, so Gribl. Vor den Osterferien müsste aber das komplexe Gebilde der neuen Stadtregierung in trockenen Tüchern sein. Gegenüber der DAZ betonte Gribl, dass die Verhandlungsergebnisse stets in die CSU hineingetragen werden und die Partei die Entscheidungshoheit bezüglich der Koalitionsbeschlüsse habe.
Die Grünen werden, falls sie mit der CSU einen Koalitionsvertrag schmieden sollten, ihre Mitglieder schriftlich befragen und abstimmen lassen. Sollten CSU und Grüne eine Koalition bilden, wäre diese Variante ein weitreichendes strategisches Experiment für beide Parteien. Nach dem Scheitern von Rot-Grün und dem Verschwinden der FDP könnte in Augsburg mit einer Schwarz-Grünen Koalition eine Art Pilotprojekt mit Bedeutungshöhe weit über die Grenzen der Brechtstadt hinaus gestartet werden. Wenige Tage nach der Augsburger Stadtratswahl muss man sich neben den möglichen Varianten bezüglich einer Rathausregierung auch Gedanken zur Lage der SPD machen. Ob die Augsburger SPD, falls sie sich an einer Stadtregierung beteiligen sollte, sich jemals wieder vom Krankenlager erheben könnte, ist eine Frage, die die Genossen wichtiger nehmen sollten als jene, welches Referat für sie abfällt und ob damit ein Bürgermeisteramt verbunden sein sollte.