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Samstag, 15.02.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

„30 Jahre Grüne – ungeheuer anstrengend und nervig“

Die Augsburger Grünen feierten am vergangenen Samstag ihren dreißigsten Geburtstag. Im Augustanasaal im Annahof überraschte vor 160 geladenen Gästen der ehemalige Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU) als Gastredner mit einer kurzweiligen Rede.

Werbeplakat der Augsburger Grünen aus den Achtzigern

Wahlplakat der Augsburger Grünen aus den Achtzigern


Goppel skizzierte den 30jährigen Werdegang der Grünen und machte sich nebenbei im Stile eines Kabarettisten über Ministerpräsident Seehofer lustig. Nicht nur das zu Beginn der Grünen Ära praktizierte Rotationsprinzip sei heute von der CSU kopiert worden, sondern auch das Prinzip der Doppelspitze. Und das sogar in einer einzigen Person verwirklicht – in der Person des Ministerpräsidenten und in seiner Politik des konsequenten „Gestern so und heute so“. Dass der „Nur-noch-Landtagsabgeordnete“ Goppel dabei den Grünen Landtagsabgeordneten Christian Magerl zitierte, ging im Gelächter unter.

Für den sehr jungen Landtagsabgeordneten Goppel bedeuteten die Grünen in ihren Anfangsjahren einerseits ein erregendes Bild des Schreckens, da sich in dem „neuen Polit-Kahn“ von wertkonservativen Umweltschützern bis zu den maoistischen Gruppen eine neue unübersichtliche Alternative formierte. Eine neue Partei von Grün bis Bunt zu den Alternativen mit atemberaubender Wirkung andererseits, da sie aus Überzeugung von einer heilen Welt redeten und bei den Etablierten seinerzeit einen schmerzlichen Prozess auslösten, der mit der Einsicht verzahnt werden musste, dass die „Umgebung in sichtlich anderer Geschwindigkeit unterwegs war als die politisch Verantwortlichen“.

„Vom Bürgerschreck mitten hinein in die Bürgerlichkeit“

Der Schliff der parlamentarischen Realität habe eine schnelle Absetzbewegung gegenüber der eigenen politischen Aussagen in Bewegung gesetzt. 1987 habe man die NATO noch verlassen wollen, weil es „mit der NATO keinen Frieden geben kann“, und später zog die Rot-Grüne Bundesregierung mit der NATO in den Balkan und Afganistan-Krieg. Der Marsch durch die Institutionen habe mehr die Marschierer als die Institutionen verändert. „Vom Bürgerschreck mitten hinein in die Bürgerlichkeit“, so Goppel.

30 Jahre Grüne haben die gesellschaftliche Wirklichkeit nicht nur auf bundes- und landespolitischer Ebene in atemberaubender Geschwindigkeit nachhaltig verändert, sondern auch in den Kommunen. 7000 Grüne Kommunalpolitiker „kämpfen heute in Rathäusern, Kreistagen und Gemeinderäten gegen Haushaltslöcher und Flächenfraß, für Kindertagesstätten und freie Theater“, wie es in der „Grünen Chronik“ zum dreißigsten Jahrestag heißt. 30 Jahre Grüne in Augsburg sind vor allem mit dem Namen Jörg Westerhoff verbunden, der zusammen mit seiner Frau Hanna, Helmut Riedl, Günther Zembsch, Wolfgang Below u.a. den Augsburger Kreisverband der Grünen gründete. Westerhoffs Person war in den Achtzigern mit den Augsburger Grünen in etwa so identisch wie die von Oberbürgermeister Hans Breuer mit der Augsburger SPD, die an diesem Abend von Fraktionschef Stefan Kiefer vertreten wurde.

Sozialreferent Weinkamm und eben „Laudator“ Goppel vertraten die CSU. Bis auf Dieter Ferdinand war die komplette Fraktion der Grünen anwesend. Vorstandsmitglied Simon Pflanz skizzierte die Historie der Augsburger Grünen von den Anfängen – Westerhoff und Riedl werden 1984 in den Stadtrat gewählt – bis zur geplanten Mobilitätsdrehscheibe des Regenbogens, eine vornehmliche SPD-Grüne Stadtregierung, die 2008 von der bürgerlichen Koalition aus CSU und Pro Augsburg abgelöst wurde. Die Geschichte der Augsburger Grünen reflektiert – das wurde durch den Vortrag von Pflanz deutlich – auch die Geschichte alternativer Ideen zur Verkehrspolitik. Autofreier Königsplatz: Der Augsburger Kreisverband lässt sich auf Stühlen sitzend mitten in der Konrad-Adenauer-Allee fotografieren. In den Neunzigern eine Grüne Utopie, heute in der Planung. „30 Jahre Grüne – ungeheuer anstrengend und nervig“, so Hans-Christian Ströbele im Spiegel. In Augsburg weiß das keiner besser als der neue Kulturreferent Peter Grab.