2014: Was geht, was nicht?
Mit kulturellen Themen kann man im Kommunalwahlkampf punkten, aber mit welchen?
Von Siegfried Zagler
Für die meisten Augsburger beginnt die Kommunalwahl an dem Tag, an dem die ersten Wahlkampf-Plakate zu sehen sind und keinen Tag früher. In der politischen Kaste hat der Wahlkampf längst begonnen. Die OB-Kandidaten sind bestellt, die Listen entweder schon aufgestellt oder gerade in der Mache. Die Themen sind besetzt oder werden erarbeitet. Hier und da wird noch an Inhalten gefeilt. Es geht schließlich um die stärkste Kraft, die es in einer Demokratie gibt: die Entscheidung der Wähler. Eine Wahl treffen heißt nicht, dass dafür eine rationale Abwägung den Ausschlag gibt. Das gilt auch für die Wählerentscheidung bei einer Kommunalwahl, obwohl sich der Wähler gerade bei kommunalen Wahlen unabhängig von seiner politischen Sozialisation (also seiner politischen Gesinnung) und unabhängig von der gesamtpolitischen Situation im Lande für eine Partei oder eine politische Persönlichkeit entscheiden könnte, was übrigens in den bayerischen Kommunen nicht selten geschieht, wie zum Beispiel die zahlreichen Oberbürgermeister und Bürgermeister der Freien Wähler deutlich unter Beweis stellen.
Die Frage ist nicht ob, sondern wie viel die beiden großen Parteien verlieren
In München und in Nürnberg regiert in den Stadtparlamenten die SPD. Eben genau jene SPD, die bei der Landtagswahl in Bayern 2008 nur 18,6 Prozent der Wählerstimmen erhielt. In Augsburg ist es aber eher so, dass der Landestrend abgebildet wird. „Eher“ heißt in diesem Fall „ungefähr“, da bisher weder die FDP noch die Freien Wähler im Augsburger Stadtparlament eine große Rolle spielten. „Bisher“ heißt in diesem Fall, dass man nicht davon ausgehen sollte, dass das so bleibt.
Die Fraktionen und Parteien im aktuellen Stadtrat
Ungeachtet dessen wird es unter den politischen Beobachtern kaum jemand in der Stadt geben, der nicht die Auffassung teilt, dass beide großen Parteien 2014 bei der Augsburger Kommunalwahl deutlich an Prozentpunkten verlieren werden. Die CSU wegen ihrer fortdauernden Spannungen, die SPD wegen ihrer Farblosigkeit und Profilschwäche. Die Frage ist nicht ob, sondern wie viel die beiden großen Parteien verlieren werden. Daraus ergibt sich die nächste Frage: Wer von den kleinen Parteien könnte davon profitieren? Die Grünen? Dem wird wohl so sein. Das hat aber weniger mit der insgesamt passablen Oppositionsarbeit der Grünen Rathaus-Fraktion in den zurückliegenden Jahren zu tun, sondern dürfte eher dem Bundes- und Landestrend geschuldet sein. Die CSM? Wohl eher nicht, was damit zu tun haben könnte, dass der CSU-Ableger es bisher nicht verstand, einen eigenen Claim abzustecken. Weder in den so genannten weichen Themen noch in den so genannten harten Themen unterscheidet sich die CSM erkennbar von der CSU – bisher jedenfalls. Die Linken? Das ist ebenfalls unwahrscheinlich. Die beiden Linken Stadträte im Augsburger Stadtrat arbeiten zwar konstruktiv in den Ausschüssen mit und haben es vor lauter Konstruktivität glatt versäumt, deutlich zu machen, worin sich eine so genannte linke Politik explizit von einer so genannten bürgerlichen Politik unterscheidet, was auf lokaler Ebene zugegebenermaßen auch keine leichte Übung ist. In Sachen Kulturpolitik unterscheiden sich die Linken in keinem Jota von der CSM: Man weiß nicht, was Sie wollen.
Welche Kulturthemen könnten bei der Kommunalwahl eine Rolle spielen?
Die FDP könnte ebenfalls zulegen, und zwar deshalb, weil nach jahrelanger Agonie unter der Führung zweier politischer Leichtgewichte (Rose-Marie Kranzfelder-Poth und Miriam Gruß) mit Markus Arnold und einem runderneuerten Kreisverband mehr Struktur und glaubwürdige Inhalte zu erwarten sind. Ob die neue Augsburger FDP den Mut hat, risikoreiche kulturpolitische Themen zu besetzen, ist zu bezweifeln. Ganz anders die Freien Wähler unter Führung ihres OB-Kandidaten Volker Schafitel, der sich mit der Wucht und dem Mut eines Draufgängers auf beinahe jedes riskante Thema stürzt, und dabei gerade bei der Kulturpolitik gewisse Defizite erkennen lässt. Womit wir bei der Kernfrage angekommen sind: Welche kulturellen Themen könnten für den Ausgang der Augsburger Kommunalwahl eine Rolle spielen?
Wenn das Streben nach Gemeinwohl dem Streben nach Macht weichen muss…
Harte Themen, wie es zum Beispiel der Innenstadtumbau im Wahljahr 2008 war, scheint es (noch) nicht zu geben, und zwar deshalb, weil sich meisten Parteien bei den großen Themen offenbar einig sind. (Was im Übrigen auch im Vorfeld der Kommunalwahl 2008 lange der Fall war.) Die Verabschiedung um den städtischen Haushalt 2014 wurde, um die Debatte dazu aus dem Wahlkampf heraus zu halten, vorverlegt, ohne große Widerstände. Eine Selbstschutzmaßnahme des Stadtparlaments, das sehr wohl die Erfahrung gemacht hat, dass unter der Anspannung des Wahlkampfes das Streben nach dem Gemeinwohl oft dem Streben nach Macht weichen muss.
Die Augsburger gehen nicht wählen, um zu belohnen, sondern um einen Gestaltungsauftrag zu vergeben
Gegen die Sanierung des Zentralklinikums und gegen die erfolgreiche Weiterentwicklung des Innovationsparks scheint – Friedensklausel hin oder her – niemand etwas zu haben. Auch der sündhaft teure Bahnhofsumbau ist durch und somit nicht mehr zu thematisieren. Die SPD hat sich zwar in der Debatte zum Nachtragshaushalt wieder ein Stück weit vom gesamten Innenstadtumbau distanziert („zu aufwändig, zu teuer“), sodass sie unter Umständen – falls der Daumen der Augsburger nach Fertigstellung nach unten gehen sollte – dagegen schießen könnte. Dass der Königsplatz am Ende seines Umbaus zum Bumerang für Oberbürgermeister Kurt Gribl und die CSU wird, ist aber unwahrscheinlich. Eher ist damit zu rechnen, dass der neue Königsplatz ein paar Pluspunkte für die Stadtregierung bringt. Auf einen Belohnungsfaktor bezüglich einer erfolgreichen Politik sollte Kurt Gribl ohnehin nicht bauen. Die Augsburger gehen nicht wählen, um zu belohnen, sondern um für die kommenden sechs Jahre einen Gestaltungsauftrag zu vergeben.
Welches Theater braucht die Stadt?
Die auf zirka 90 Millionen Euro geschätzte Sanierung des Augsburger Stadttheaters (50 Millionen davon sollen aus dem Stadtsäckel kommen) steht offenbar auch noch nicht auf der Wahlkampf-Agenda der Parteien, was überrascht, schließlich handelt es sich insgesamt um eine Summe, mit der man ein ganzes Stadtviertel sanieren könnte – oder mit einem Federstrich den Sanierungsstau bei den städtischen Schulen auflösen. 50 Millionen Euro! Was könnte man damit innerhalb des Kulturbudget anderes auf den Weg bringen!? Es ist zwar immerhin möglich, dass die Augsburger Piraten (zumindest theoretisch) auf die Idee kommen könnten, dieses Thema zu besetzen, doch von den Augsburger Piraten ist ein dergestalt hartes Thema in der Praxis nicht zu stemmen. Niemand in der Augsburger Lokalpolitik traut sich offenbar die wichtigste aller kulturpolitischen Fragen zu stellen, bevor man das Theatergebäude mit 90 Millionen Euro Steuergelder saniert: „Welches Theater kann und will sich die Stadt Augsburg in der Zukunft leisten?“ Womit für den heißen Herbst 2013 in Augsburg vorerst nur ein kulturpolitisches Thema im Raum steht. Dieses aber immerhin in dreifacher Ausfertigung. Gemeint ist die Verzahnung von Kultur und Städtebau.
Wird die Spaßlinie durch die Maxstraße noch zu einem Wahlkampfthema?
Ein noch brachliegendes kulturpolitisches Thema könnte noch schwer in die Gänge kommen und zum Wahlkampfthema schlechthin avancieren: die so genannte „Maxlinie“. Gemeint ist die „Straßenbahn-Spaßlinie“ (Norbert Walter) durch Maximilianstraße. Dieses städtebaulich umstrittene Vorhaben würde als Wahlkampfthema vermutlich alles andere in den Schatten stellen. Zu wünschen wäre es jedenfalls, dass sich aus der Bürgerschaft Widerstand gegen diesen „Anschlag der Gegenwart auf die übrige Zeit“ regt und die von der Augsburger Allgemeinen aufgescheuchten und verängstigten Parteivorstände ein Einsehen haben und zur ursprünglichen Planung, in der diese Linie nicht vorkam, zurückkehren. Profitieren könnte von einer starken Bürgerinitiative gegen die Maxlinie aktuell nur Pro Augsburg, die als einzige Partei im Rathaus bisher die Stirn hatte, sich nicht auf den von der Augsburger Allgemeinen erfundenen Bürgerwillen bezüglich einer Spaßlinie durch die Maxstraße zu setzen. Pro Augsburg könnte darin eine große Chance sehen, bei den Wählern zu punkten. Peter Grab ist ein guter Wahlkämpfer und es würde vermutlich wieder funktionieren: Der Fünffingerlestum lässt grüßen. Damals setzte Pro Augsburg auf dieses Bürgerbegehren und konnte somit im Zusammenwirken mit dem Slogan „Bürger machen Politik“ wertvolle Pluspunkte sammeln. Die Nutzung der Maximilianstraße im Sinne ihrer historischen Bedeutung kontra nicht nachvollziehbarer verkehrlicher Belange wäre jedenfalls ein hartes und ein spannendes Wahlkampfthema. Eines, das die Menschen in Bann ziehen würde.
Aus der Rettung der Filmtage kann man kein politisches Kapital schlagen
Jedenfalls wäre dieses Thema emotional leichter aufzuladen als zum Beispiel die Auseinandersetzung um den Standort des neuen Römischen Museums, das nach jahrzehntelanger Windschattenexistenz zu einem Politikum geworden ist, da es aus Sicherheitsgründen geschlossen werden musste. Die Freien Wähler präferieren nun einen Neubau auf dem anliegenden Gelände der Hauswirtschaftsschule, während die SPD einen Neubau am Pfannenstiel vorzieht. Interessant scheint das aber nur für die Augsburger Allgemeine zu sein. Mit den Römern lässt sich in der Stadt der Renaissance wenig Staat machen. Mit einem Römermuseum-Banner zieht man keinen Wähler vom Schlitten. Das Gleiche dürfte für die „Filmtage“ gelten, die 2012 einfach nicht stattfanden, ohne dass sie von jemand vermisst wurden. 2013 werden sie, wie zu vernehmen war, auch nicht stattfinden, ohne dass sie von jemand vermisst werden. Der Grund für den zweijährigen Aussetzer ist eine Steuerpfändung des Augsburger Finanzamtes. Die „Hiobsbotschaft“ wurde von der Stadtgesellschaft mit Achselzucken aufgenommen. Die Bedeutung von politischen Filmfestivals hat ohnehin durch die Zunahme von aufregenden politischen Plattformen in Wort und Film im Netz nachgelassen. Unabhängig davon wäre es wünschenswert, dass es weiterhin in Augsburg ein Filmfest gibt. Ein Filmfestival, das aufregt und das jeden Euro Wert ist. Aus der Rettung einer Grauen Maus, zu der sich die „Tage des unabhängigen Films“ in den letzten Jahren verwandelt haben, kann man in Augsburg allerdings politisch kein Kapital schlagen. Es passt auch irgendwie, dass sich bei der SPD Karl-Heinz Schneider besonders für den weiteren Erhalt des aktuellen Filmtage-Formats einsetzt. Der führende Kulturpolitiker der SPD geht 2014 in den politischen Ruhestand.
Jahrelange Zermürbungsgefechte sind zu einem offenen Krieg eskaliert
Dagegen ist der neu entbrannte Zwist um den Kulturpark West in der ehemaligen Reese-Kaserne in Kriegshaber ein hochkarätiger Bringer und unter Umständen ein Wahlkampf-Thema erster Güte. Die beiden Kulturpark-Geschäftsführer Peter Bommas und Thomas Lindner sehen im Kulturpark West keine Zukunft mehr für die „Kantine“. Es handelt sich dabei um einen Musikclub, der in Augsburg zu einer Topadresse geworden ist. Die Aussage, auf die „Kantine“ als Teil des Kulturparks in Zukunft verzichten zu wollen, weil der Club nicht mehr ins Konzept des Kulturparks (Kupa) passe, wie die beiden Geschäftsführer Bommas und Lindner öffentlich behaupteten, sorgte in der Augsburger Musikszene für Aufruhr. Bommas und Lindner bezogen sich dabei auf den eventuellen Umzug des Kupa auf das Gelände beim Gaskessel. Dieser wird auch von der Politik unterstützt. Baureferent Gerd Merkle würde den Kupa gerne noch vor 2017 „umpflanzen“. Möglicherweise ein Grund dafür, weshalb sich Bommas und Lindner aktuell für den Umzug zuständig fühlen. Bis 2017 hat die Stadt mit der Kulturpark gGmbh einen Nutzungsvertrag abgeschlossen. Ob Bommas und Lindner über 2017 hinaus für den Kulturpark zuständig sein werden, ist derzeit ohnehin völlig offen.
Es ist denkbar, dass der Kulturpark zu einem brandheißen Wahlkampfthema wird
Der ehemalige Popkulturbeauftrage Richard Goerlich hat sich auf seiner Facebookseite bereits in Position gebracht. Die jahrelangen Zermürbungsgefechte zwischen den beiden Kantinenbetreibern (Sebastian Karner und Jürgen Lupart) und den Geschäftsführern des Kupa sind nun zu einem offenen Krieg eskaliert, dabei handelt es sich um ein letztes Gefecht, bei dem keine Gefangenen gemacht werden. Das Mobilisierungspotential der Kantinenbetreiber ist enorm. Im Zusammenwirken mit dem Stadtjugendring und dem Netzwerk von Richard Goerlich sollte es aus ihrer Sicht möglich sein, die lokale Politik von dem „zopfigen Konzept“ des Kupa zu überzeugen, um am Ende des Tages etwas Neues auf den Weg bringen zu können.
„Sollte“ heißt in diesem Fall, dass die kulturpolitischen Akteure einsehen sollten, dass ein „Quartiermanagement“ nur ein kleiner Teil eines Konzeptes eines so genannten „Kreativ-Areals“ sein darf. In Sachen Fortführung des Kulturparks West gibt es seit vergangener Woche zwei unversöhnliche Lager. Es ist durchaus denkbar, dass der Kulturpark zum zweiten Mal zu einem brandheißen Wahlkampfthema wird. Wer unter den politischen Akteuren dieses Thema unterschätzt oder falsch angeht, dürfte bei den jugendlichen Wählern folglich nur noch schwer punkten können. Die so genannten „weichen Themen“ der Kulturpolitik sind in der Lokalpolitik harte Themen. Sie werden in Augsburg die Wahl entscheiden.