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Mittwoch, 13.08.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Der Kommentar

Wenn die Oberbürgermeisterin zur Influencerin wird

Instagram-Accounts inszeniert wie Hochglanz-PR, ein Podcast mit Wohlfühl­themen aus dem Rathaus, ein WhatsApp-Kanal für städtische „Good News“ – alles professionell produziert, bezahlt aus Steuergeldern: Was als Bürgernähe verkauft wird, ist in Wahrheit oft nichts anderes als geschickte Selbst­darstellung.

Kommentar von Bruno Stubenrauch

Podcast – Screenshot Stadt Augsburg

Aktuelles Beispiel: der per Presse­mit­teilung beworbene Podcast #19 „Sommer­ferien“, in dem OB Eva Weber als „besonderen Gast“ ihre zweite Bürger­meisterin Martina Wild interviewt.

Das Problem: Derartige PR verdrängt die unab­hängige lokale Bericht­erstattung. Während Journalisten recher­chieren und Quellen prüfen müssen und Miss­stände aufdecken, liefert das Social-Media-Team im Rathaus aus­schließlich die erwünschte Version der Realität: unkritisch, gefiltert, perfekt inszeniert. 34 Mitarbeiter hat die dem OB-Referat direkt unter­stellte „Haupt­abteilung Kommu­nikation“ der Stadt inzwischen, allein sechs davon im zuletzt 2021 aufge­stockten „Team Social Media“.

Filterblase der Macht

Kommunale Kanäle müssen keine zweite Quelle heranziehen, bevor sie eine Geschichte veröffent­lichen. Sie müssen niemanden fragen, ob die Darstellung korrekt ist. Sie erzählen einfach ihre Sicht. Das gilt dann als „offizielle“ Information. Oder noch raffinierter: als nicht offizielle, quasi private, aber vom städtischen Angebot kaum unter­scheid­bare Infor­mation von „Eva Weber, Ober­bürger­meisterin“.

Aus einem Guss, inhaltlich kaum unterscheidbar (siehe Pfeile): die Insta-Accounts der Stadt Augsburg und von Eva Weber

Besonders Instagram hat sich zum Schau­fenster der Macht entwickelt – ohne den störenden Zwischen­schritt kritischer Fragen. Wer so kommu­niziert, kontrolliert die Botschaft und umgeht bewusst die „Vierte Gewalt“.

Good News – Bad News

„Wie eine Freundin, die sich meldet“ – O-Ton Eva Weber zum WhatsApp-Kanal der Stadt (Screenshot WhatsApp)

Dazu kommt: Jede Minute, die für PR-Clips und Podcast-Folgen draufgeht, fehlt im Tages­geschäft. Und jeder Klick, der auf städtische Kanäle fließt, fehlt lokalen Medien, die sich im freien Markt behaupten müssen – der einzigen Instanz, die Fehl­ent­schei­dungen im Rathaus wirklich ans Licht bringen kann. Und für die zunehmend nur noch „Bad News“ übrigbleiben: die „Good News“ publiziert die Stadt selbst. Tröstlich: Schlechte Nach­richten ziehen wenigstens Leser an. In der DAZ hatte der Artikel über den Bomben­alarm in der Halderstraße zehnmal mehr Klicks als der Bericht über die Eröffnung des Info-Pavillons am Rathausplatz.

Schöne Bilder sind keine Demokratie

Die Grenze zwischen moderner Öffent­lich­keits­arbeit und gefähr­licher Propa­ganda ist schmal. Wird sie über­schritten, wird aus Infor­mation Selbst­dar­stellung und aus Demo­kratie eine Werbe­ver­an­staltung. Demokratie braucht aber kritische Kontrolle – nicht nur schöne Bilder aus dem Rathaus.


Podcast „Sommerferienspaß“
Instagram-Account Stadt Augsburg
Instagram-Account Eva Weber
WhatsApp-Kanal Stadt Augsburg
Beitragsbild: Reel-Screenshot Instagram-Account Stadt Augsburg