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Dienstag, 21.10.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Leonce und Lena am Staatstheater: Schrille Pop-Art ohne Tiefsinn

Quietschbunt ist es auf der Bühne und die Protago­nisten stecken alle in skurrilen Korsetts. Dabei bleiben die Nuancen des Lustspiels von Georg Büchner auf der Strecke.

Von Halrun Reinholz

Lena (Sarah Maria Grünig) und Leonce (Jannis Roth) kommen sich inkognito näher, im Hinter­grund beobachtet von Valerio (Natalie Hünig)

Prinz Leonce (Jannis Roth) steckt in einem knall­gelben Kugel­bauch-Kostüm und sitzt auf einer Watte­wolke. Sein Hof­meister (Thomas Prazak) hat eine rote Clowns­nase und eine Mähne, die sein ganzes Gesicht bedeckt. Der Präsi­dent (Michael Schrodt) trägt einen Frack mit über­langen Ärmeln. Der Hof­prediger (Sebastian Müller-Stahl) steckt in einem sper­rigen schwar­zen Schulter­polster. Auf der Bühne stehen bekannte Kunst­werke herum. Valerio, der all­gegen­wärtige Ge­fährte des Prinzen (akro­batisch gespielt von Natalie Hünig) mäandert durch den Raum wie ein Gummi­mensch und singt irgend­wann einen Italo-Schlager.

Ja, „Leonce und Lena“ ist ein Lustspiel – ungewöhn­lich bei Büchner und deshalb auch nicht einfach ein lustiges Stück, sondern eine gesell­schaft­liche Satire, gespickt mit Anspie­lungen und Zitaten. André Bücker inszeniert das Stück als knallige Groteske. Das manie­rierte höfische Leben, dem die Akteure unter­worfen sind, wird gnadenlos über­zeichnet. So weit, so berechtigt. Doch was bleibt von Büchner?

Kunst und Künstlichkeit

Auf den ersten Blick fasziniert das Bühnenbild: Links hängt die Banane von Cattelan, rechts steht der Hummer von Jeff Koons, dazwischen noch einige andere Kunstwerke. Es geht dem Regisseur und seinem Bühnen­bildner Daniel Anger­mayr wohl um die Rolle der Kunst – oder der Künstlichkeit?

Künstlich sind auf jeden Fall die Umgangs­formen am Königs­hof: Ver­beu­gungen, devote Zu­stimmung, sich winden, wenn nach einer Meinung gefragt wird. Auffällig ist, dass keine Figur durch­gehend fließend spricht. Abgehackte, fast roboter­hafte Kon­ver­sa­tion bestimmt das Ge­schehen. Das ist manch­mal witzig, oft aber einfach nur an­strengend. Nicht immer ist der Effekt so gelungen wie bei dem absurden Dialog der beiden Polizisten (Thomas Prazak und Michael Schrodt).

Sperrige und skurille Kostüme

König Peter (Gerald Fiedler), der vor lauter Regieren nicht zum Nach­denken kommt, hat ein goldenes Unter­höschen an und eine Art Dreiecks­tuch, mit dem er seine Nackt­heit leidlich kaschiert. Als absolu­tistischer Monarch hat er bestimmt, dass sein Sohn Leonce die Prinzessin Lena heiraten soll. Der, ein kunst­sinniger, aber gelang­weilter junger Mann, weigert sich und flüchtet nach Italien, den Sehn­suchts­ort der Künstler. Vorher ver­ab­schiedet er noch seine Mätresse Rosetta (Julius Kuhn, in ein skur­riles Korsett gehüllt), von der er genug hat, denn er liebt sie „wie seine Lange­weile“. Ein ver­zogenes Luxus­kind also, das nach Sinn­findung strebt.

Die beiden Grenzpolizisten (Thomas Prazak und Michael Schrodt) im Trachtenlook. Fotos: Jan-Pieter Fuhr

Auch Prinzessin Lena (Sarah Maria Grünig) hat keine Lust auf die ver­ord­nete Ehe mit dem Prinzen. Ihre höfi­schen Zwänge werden durch ihre sperrige Ver­klei­dung als Ma­tratze deut­lich ge­macht. Auch der be­währte Echt­heits­test für Prin­zes­sinnen anhand einer Erbse wird, das Mär­chen sati­risch zitie­rend, demon­striert. Be­gleitet wird Lena von ihrer zetern­den Gou­ver­nante (Miljana Milo­savl­jevic), mit aus­la­den­der Krino­line, einer be­acht­lich langen Nase, einem Frisuren­berg auf dem Kopf und einer (beschüt­zenden?) lila Hand im Hinter­grund. Auch Lena zieht es nach Italien. Wie es der Zufall will, treffen sich die beiden Königs­kinder inkog­nito und verlieben sich inei­nander. So will es Büchner. In der Augsburger Insze­nierung ist von der be­freien­den Wirkung der Auszeit wenig zu merken, denn die hinder­lichen, ein­engenden Kostüme bleiben auch im „Urlaub“ vom höfischen Leben bestehen. Was es den Zu­schauern nicht leicht macht, die Zusam­men­hänge zu ver­stehen. Die Dialoge sind slapstick­haft und so gerät das Zueinan­der­finden der zwei Haupt­darsteller leider zur Farce. Die Krönung – im wahr­sten Sinne des Wortes – erfolgt durch das groteske Heirats­zere­moniell, das den König von seinen Regierungs­pflichten befreit. Erleich­tert setzt er Leonce die viel zu große Krone auf den Kopf, die prompt über die Augen rutscht.

Büchners anspielungs­reiche Gesellschafts­satire bleibt bei all der bemühten Komik etwas auf der Strecke. Die Zuschauer kommen dennoch – und das ist das Erfreu­lich­ste an diesem Theater­abend – in den Genuss guter Schau­spiel­kunst im Martini­park und hono­rieren diese mit reichlich Applaus.