Déjà-vu im „Puppenkistenviertel“
Stadt Augsburg wiederholt fatalen Fehler bei Grundstücksvergabe
Nach einem gescheiterten Anlauf im Erbbaurecht versucht die Stadt Augsburg erneut, 16 Baugrundstücke in Lechhausen zu vermarkten. Doch statt aus Fehlern zu lernen, setzt die Verwaltung auf die gleiche rigide Bürokratie und auf variable Preise – zum Leidwesen potenzieller Käufer.
Von Bruno Stubenrauch
Neubausiedlung (Symbolbild)
Ab Montag, dem 8. Dezember, startet die Bewerbungsphase für den Kauf von 16 städtischen Baugrundstücken für Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften im Baugebiet „Westlich der Wernhüterstraße“ – wegen seiner Straßennamen wie „Mikeschweg“ oder „Urmelstraße“ als „Puppenkistenviertel“ bekannt. Was nach einer zweiten Chance für Kaufinteressenten klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als frustrierendes Déjà-vu: Die Stadt wiederholt die Fehler, die bereits 2024 und 2025 die Vermarktung per Erbbaurecht scheitern ließen.
Trotz des Wechsels vom Erbbaurecht zum direkten Verkauf wird der Käufer weiterhin wie ein Bittsteller behandelt, der einem behördlichen Diktat folgen muss. Die Stadt zwingt Bewerber in ein Online-Verfahren mit hochkomplexen Anforderungen. Während die Stadt darin zweifelhafte, teils schikanöse Bedingungen festschreibt, wird die Hoffnung, im Gegenzug wenigstens einen zumindest vergünstigten Kaufpreis zu erhalten, enttäuscht.
Gescheiterte Erbbaurechtsvergabe
Schon der erste Anlauf war eine Blamage: Das Erbbaurechtsverfahren war krachend gescheitert. 17 Bewerbungen in zwei Runden mündeten in null abgeschlossene Verträge. Der Grund: Die Bedingungen waren abschreckend kompliziert. Die Stadt hatte eine Fülle von Antragstellerbeschränkungen, Vermögensgrenzen und Nachweispflichten etabliert, die das Verfahren so überfrachteten, dass am Ende kein einziger Vertrag zustande kam. Ein Auszug aus den damaligen Bedingungen verdeutlicht die Hürden:
„Das Gesamtvermögen des antragstellenden Haushalts darf 300.000 € zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht übersteigen, wobei auf das gemeinsame Vermögen des/der Antragstellenden, des/der künftig im Gebäude wohnenden Partners/ Partnerin sowie aller übrigen volljährigen und nicht gegenüber dem/der Antragstellenden, dem/der jeweiligen Partner/Partnerin unterhaltsberechtigten künftigen Bewohnenden abgestellt wird.“
Die Bewerber durften demnach nicht vermögend sein. Paradoxerweise wurden sie zugleich am Ende dafür verantwortlich gemacht, das Vorhaben nicht finanzieren zu können. Die offizielle Lesart der Verwaltung:
„Letztendlich wurden alle Bewerbungen aus diversen Gründen, insbesondere der fehlenden Finanzierbarkeit des Gesamtvorhabens […] zurückgezogen.“
Ein Unrechtsbewusstsein, dass das Scheitern an den eigenen rigiden Bedingungen lag, ist nicht erkennbar.
Nichts dazugelernt: Der Käufer als „Antragsteller“
Statt die Lehren aus dem Fehlschlag zu ziehen, wird nun im Kaufverfahren nahezu unverändert die gleiche Geisteshaltung an den Tag gelegt: Der Käufer wird als Bittsteller behandelt, der beim Amt um Erlaubnis ersucht – nicht als Partner, der eine mittlere sechsstellige Summe für einen Grundstückserwerb bereitstellt.
Der gesamte Vorgang bleibt einseitig, bürokratisch und behördlich überformt. Der Tonfall der Richtlinien – „Der Antragsteller hat…“, „Nachzuweisen ist…“ – setzt sich fort, obwohl es sich nicht mehr um ein Erbbaurecht, sondern um ein reguläres Kaufgeschäft handelt.
Grundstücke ohne klaren Preis
Die Grundstücke werden offiziell als „erschlossen“ vermarktet, nicht unüblich. Doch anstatt dafür einen transparenten Endpreis zu nennen, konfrontiert die Stadt die Käufer mit drei teils unklaren Preiskomponenten. Klar beziffert wird lediglich der angefallene Erschließungsaufwand in Euro brutto.
Unklar sind hingegen die Hausanschlusskosten für Wasser, Strom, Telekommunikation und Fernwärme, die in Euro netto (!) „ausgewiesen“ werden und sich nach einem „derzeitig gültigem Preisstand …“ belaufen. Dazu heißt es: „Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass es sich bei den vorgenannten Preisen nur um Richtwerte handelt und diese im Einzelfall abweichen können. Vor Bewerbung (!) empfehlen wir daher eine Kontaktaufnahme mit der swa Netze GmbH.“
Beliebige „konjunkturelle Anpassung“
Die größte Unsicherheit wird dem künftigen Käufer jedoch beim Bodenwert zugemutet. Zwar wird ein Betrag für das unerschlossene Grundstück genannt, doch die Stadt behält sich ausdrücklich eine „konjunkturelle Anpassung“ vor. Damit wird der Preis faktisch variabel. Bewerber wissen bis zuletzt nicht, welchen Betrag sie am Ende tatsächlich zu bezahlen haben.
Angesichts der Tatsache, dass zum 1. Januar 2026 neue Bodenrichtwerte erscheinen, die sich in Augsburg in den letzten zehn Jahren verdoppelt bis verdreifacht haben, ist das Risiko immens. Durch die Hintertür der „konjunkturellen Anpassung“ kann die Stadt bis zum Notartermin argumentieren, dass der Preis um einen möglicherweise sechsstelligen Betrag nach oben angepasst werden müsse – obwohl die Bewerber auf Basis eines niedrigeren Werts in den Prozess eingestiegen sind.
Paradoxe und exzessive Finanzierungsnachweise
Eine Bewerbung ist nur mit einer „unverbindlichen Finanzierungszusage“ einer Bank zulässig. Der Begriff ist ein Paradoxon: Entweder ist eine Zusage bindend – oder sie ist unverbindlich und damit wertlos. Für Selbstfinanzierer ist diese Anforderung nicht nur sinnlos, sondern verzerrt den Bewerberkreis.
Der Zwang erreicht seinen Höhepunkt spätestens vier Wochen vor der Beurkundung: Dann verlangt die Stadt einen vollständigen Finanzierungsplan inklusive Tilgungsplan für das gesamte Bauvorhaben – ausgestellt von einer BaFin-regulierten Bank.
Dieses Prüfregime ist typisch für staatliche Förderprogramme, nicht für einfache Grundstückskäufe. Private Käufer müssen ihre Finanzierung bis zur letzten Rate dem Rathaus „offenlegen“, während die Stadt zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal den endgültigen Kaufpreis nennen muss.
Weitere Pflichten ohne Augenmaß
Zusätzlich verschärft die Stadt die Bedingungen durch einen engen Katalog an Verpflichtungen, der einem disziplinären Akt gleicht:
- Bauzwang: Käufer müssen innerhalb von drei Jahren einzugsfertig bauen.
- Baukostennachweis: Die Baukosten müssen schon beim Kauf benannt und später nachgewiesen werden.
- Abschöpfung: Bei einem vorzeitigen Verkauf des Grundstücks innerhalb der drei Jahre schöpft die Stadt 70% des Mehrerlöses ab.
- Fernwärmezwang: Zwang zum kostenpflichtigen Anschluss an das städtische Fernwärmenetz – selbst wenn alternative, günstigere Lösungen möglich wären. „Diese Anschlusspflicht gilt unabhängig davon, ob später tatsächlich ein Fernwärmebezug erfolgt“, heißt es wörtlich.
- Solarzwang: Verpflichtende Errichtung und Betrieb einer Photovoltaikanlage mit Batteriespeicher.
Das starr definierte Paket aus Pflichten drängt Käufer in die Rolle von Antragstellern, deren Bauprojekte jederzeit am Regelwerk scheitern können. Und all das ohne zumindest die Gegenleistung eines vergünstigten Kaufpreises.
Kontrast zur freien Wirtschaft
Der Kontrast zur freien Wirtschaft könnte nicht größer sein: Während die Stadt in zwei Jahren nicht ein einziges Grundstück vergeben konnte, hat der private Erschließungsträger im selben Gebiet alle seine Baugrundstücke im ersten Bauabschnitt verkauft, viele davon sind bereits bebaut.
- Privat: Fertig erschlossen, verkauft, bebaut.
- Stadt: Gescheiterte Verfahren, neue Hürden, alte Fehler.
Dass die Stadt nun erneut mit Formularen, Online-Zwang, Bewertungslisten und variablen Kosten arbeitet, anstatt mit klaren Preisen und transparenten Verträgen, zeigt eine Verwaltung, die aus einem Fehlstart keinen Lerneffekt gezogen hat. Wer mit der Haltung antritt, Käufer „zu prüfen“, statt sie als Partner ernst zu nehmen, darf sich nicht wundern, wenn sich der Fehlschlag des Erbbaurechts nun im Kaufgeschäft wiederholt.
Die Stadt wäre gut beraten, ihre 16 Grundstücke en bloc an ein Fachunternehmen zu verkaufen, das Ahnung in der Vermarktung hat. Sonst bleibt das selbst erklärte Ziel, die schnelle Schaffung von Wohnraum, weiterhin Makulatur.
