„Fußball kann in seiner ganzen Kunstfertigkeit auch von Frauen gespielt werden“
Nach einer katastrophalen Vorstellung unterlag die deutsche Frauen-Fußballnationalmannschaft am Samstag im Wolfsburger WM-Stadion vor 26.067 Zuschauern dem japanischen Auswahlteam mit 0:1 und schied somit nicht nur im Viertelfinale sang- und klanglos aus, sondern verpasste auch die Qualifikation für die kommende Olympiade in London.
Von Siegfried Zagler
Sehr überzeugend spielte das Team von Bundestrainerin Sylvia Neid in der ersten Viertelstunde. Mit sehenswertem Kombinationsfußball, kraftvollem Pressing und schwungvollen Spieleröffnungen aus der Abwehr heraus wurden die Japanerinnen sehenswert unter Druck gesetzt. Als hätte jemand den Hahn abgedreht, war damit nach der Anfangsphase der Partie Schluss. Im weiteren Verlauf baute das deutsche Team von Minute zu Minute ab und musste sich nach 120 Minuten den spielerisch besseren Japanerinnen geschlagen geben.
Wenn man die erste Viertelstunde (möglicherweise sogar die ersten 20 Minuten) in der Gesamtanalyse außer Acht lassen könnte, müsste man vom schlechtesten Auftritt der deutschen Mannschaft seit vielen Jahren sprechen. Ohne die furiose Anfangsphase müsste man sich bis zum Anschlag verbiegen, um aus dem Spiel der deutschen Frauen etwas Positives herausschälen zu können. Es mit bloßem Willen – trotz bescheidenster fußballerischer Qualitäten – bis zur letzten Sekunde versucht zu haben, also gerannt zu sein und gekämpft zu haben, und dabei den Ball immer wieder vors japanische Tor gebracht zu haben, ist vielleicht das freundlichste, das man den deutschen Kickerinnen attestieren kann. Dass die japanische Torhüterin Kaihori bei den hilflosen Angriffsbemühungen kaum gefordert wurde, muss man sowohl mit der starken Abwehrleistung der japanischen Viererkette als auch mit nicht vorhandenen Kreativität und der bestenfalls in homöopathischen Dosen vorhandenen Durchschlagskraft des deutschen Angriffsspiels erklären. Eine Struktur im Aufbauspiel der deutschen Mannschaft war ab der 60. Minute nicht mehr erkennbar und jeder zweite Ballverlust hatte nichts mit der Zweikampfstärke der Japanerinnen zu tun, sondern war so genannten leichten Fehlern in der Ballbeherrschung geschuldet. Nadine Angerer, die vermeintlich beste Torhüterin der Welt, sah beim japanischen Siegtor in der 108. Minute (Muruyama) wie in Watte gepackt aus, doch die größte individuelle Fehlleistung muss man der Bundestrainerin zuschreiben.
Schlechtes Coaching von Silvia Neid
Konsterniert und ratlos verfolgte Silvia Neid den trostlosen Kick ihrer Schützlinge. Ohne einzugreifen hielt Neid stoisch an ihrer Startaufstellung fest. Dabei saßen mit Birgit Prinz und Lira Bajramaj zwei hochkarätige Kreativspielerinnen auf der Bank, die dem Spiel möglicherweise eine Wende hätten geben können. Lediglich Kerstin Garefrekes konnte auf der rechten Seite ein wenig für Gefahr vor dem gegnerischen Strafraum sorgen. Célia Okoyino da Mbabi in der Mitte als hängende Spitze und Melanie Behringer auf der linken Außenbahn spielten die meiste Zeit weit unter ihren Möglichkeiten und wurden im fortgeschrittenen Spielverlauf von ihren Gegenspielerinnen mit Leichtigkeit aus dem Spiel genommen. Inka Grings konnte ebenfalls nicht an ihren furiosen Auftritt im Spiel gegen Frankreich anknüpfen und wurde von Alexandra Popp in der 103. Minute abgelöst. Möglicherweise haben die deutschen Frauen im Spiel gegen Japan das kraftaufwändige Pressing in der Anfangsviertelstunde überzogen, anders kann man sich den rapiden körperlichen Leistungsabfall, der mit haarsträubenden Fehlern in der Ballbeherrschung einherging, kaum erklären. Die Ursachen für den Sturz des hohen Turnierfavoriten könnte man, ohne Böses im Schilde zu führen, auf das schwache Coaching von Silvia Neid zurückführen.
So, oder so ähnlich sähe in etwa eine mögliche Analyse aus, wenn die deutschen Männer sich dergestalt erbärmlich aus einem WM Turnier verabschiedet hätten. Dass Kritik am bescheidenen WM-Auftritt der deutschen Topfavoritinnen nicht stattfindet, hat damit zu tun, dass man den Frauenfußball in Deutschland sportlich in etwa so ernst nimmt wie Schlammcatchen oder Unterwasser-Rugby. Frauenfußball ist in Deutschland eine Randsportart, die mit großem Werbe- und Medienaufwand zu einem Top-Event gemacht wurde. Dummerweise haben die deutschen „Elfen“ (Bild am Sonntag) nicht mitgespielt. Dass Fußball in all seiner Faszination und in seiner ganzen Kunstfertigkeit wie Dramatik selbstverständlich auch von Frauen gespielt werden kann, hat das großartige Viertelfinale USA vs. Brasilien eindrucksvoll bewiesen. „Die Zukunft des Fußballs ist weiblich.“ Das ist keine Utopie, auch wenn diese Zukunft zumindest in Deutschland noch eine ferne ist.
In der „City of Peace“ liegt viel Zündstoff in der Luft
Die deutsche Sportjournaille, die sich bisher in Sachen Frauenfußball auf einen bisher nie dagewesenen Euphemismus eingeübt hat, wird wohl darauf verzichten, das Ausscheiden der Frauen kritisch aufzuarbeiten. Was nichts anderes bedeuten würde, dass man das Spiel der Frauen in Deutschland als etwas „mit Charme“ betrachtet. Kick mit Charme und Einschaltquoten: 16,95 Millionen Zuschauer verbuchte das ZDF am Samstagabend beim deutschen Viertelfinal-Grottenspiel. Marktanteil: 59,3 Prozent! Wie man eine Randsportart zum Quotenbringer macht, hat die FIFA im Zusammenspiel mit dem DFB, den Medien und den Austragungsorten in Deutschland erfolgreich vorexerziert. Damit ist nun Schluss. Die deutschen Frauen sind draußen. Der Hype ist vorbei. Nach der gestrigen Abschlussveranstaltung des WM Rahmenprogramms „Alle Menschen werden Brüder“ kehrt auch in Augsburg wieder der Alltag zurück. „Bonjour Tristesse“ ist dennoch nicht angesagt. Dafür liegt in der „City of Peace“ zuviel Zündstoff in der Luft. Und damit ist nicht nur die Führungskrise der Stadtregierung gemeint. Kurz vor dem Augsburger Friedenfest beginnt die Fußballbundesliga. Vielleicht lösen die Kicker des FC Augsburg einen wahren Hype in der Brechtstadt aus. Vielleicht spielt der FCA im ersten Jahr eine grandiose Saison und klopft an der Tür der Champions League an. Das ist zwar sehr unwahrscheinlich, aber immerhin möglich. Möglicher jedenfalls als die Aussicht, dass sich die Augsburger CSU zu einer Partei entwickelt, die für Einheit und Geschlossenheit steht.
City of Peace: Kulturstadion auf dem Rathausplatz