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Freitag, 29.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

“Ein KZ-Außenlager ist kein Spekulationsobjekt” – Initiative zur Halle 116 setzt Stadt unter Druck

Lange hat sich die Stadt Augsburg Zeit gelassen, das historische Erbe der Halle 116 einer angemessenen Nutzung zuzuführen. In der Halle befand sich ein Außenlager des KZ-Dachau. Nun hat sich eine Bürgerinitiative neu aufgestellt: “Initiative Denkort Halle 116”.

Halle 116 (c) DAZ

Halle 116 (c) DAZ


Damit steht die Stadt unter genauer Beobachtung und unter politischem Druck, denn das Bündnis setzt sich aus einer Reihe von Initiativen und Persönlichkeiten zusammen, die in der Stadt fest verankert sind und mobilisierungsfähig wären, käme es zu einem größeren Nutzungskonflikt bezüglich eines Gedenkortes im Kontext der Naziverbrechen.

“Die Initiative Denkort sieht mit großer Sorge, dass die Stadt ihre Ziele, die sie für die weitere Nutzung der Halle beschlossen hat, nicht konkretisiert. Die Halle, die komplett als Gemeinbedarfsfläche geplant war, wurde zum größten Teil in eine Gewerbefläche umgewandelt. Damit will man wohl einem privaten Investor entgegenkommen”, heißt es in einem Statement der Initiative, die sich vergangene Woche konstituierte und zu einer Sitzung eingeladen hatte, bei der auch der zuständige Kulturreferent Thomas Weitzel zugegen war. Weitzel wurde aufgetragen, die Halle als Gemeinbedarfsfläche zu sichern und in das Eigentum der Stadt Augsburg zu bringen. Nur dadurch könne sichergestellt werden, dass in dem Gebäude eine Nutzung erfolge, die die Vergangenheit des Baues würdige und die Pläne der Stadt, hier einen Lern- und Gedenkort zu schaffen, ermögliche.

Halle 116 (c) DAZ

Halle 116 (c) DAZ


“Begrüßt wurde, dass der Kulturreferent in der Halle Raum für die Erinnerungskultur in Augsburg sieht und er das Konzept von Professor Gassert eine Leitplanke für die künftige Nutzung eines Teils des Gebäudes nennt”, wie es in dem Statement heißt. Das Gassert-Konzept sieht vor, durch die Halle einen Geschichtspfad zu legen der die Entwicklung das Baues von seiner Entstehung als Teil einer Nazikaserne, über die Verwendung als KZ-Außenlager, bis zu seiner Nutzung durch das US-amerikanische Militär dokumentiert. Die Initiatoren zeigten sich darüber sehr irritiert, dass die Halle zu einem Großteil von einem privaten Investor genutz werden solle und zirka nur ein Viertel des Gebäudes als Gedenkort vorgesehen sei, da die Stadt kein Geld für eine große Lösung habe.

“Ein KZ-Außenlager ist kein Spekulationsobjekt”, heißt es in der Erklärung der Gruppe. Vor wenigen Wochen wurde von Stadtrat Volker Schafitel ein Antrag an die Denkmalbehörde gestellt: Die Halle solle in die Liste der denkmalgeschützten Gebäude aufgenommen werden. Eine Entscheidung darüber ist noch nicht getroffen worden.

Die Erklärung wird unterstützt durch zahlreiche Einzelpersonen und folgende Organisationen:

Augsburger Friedensinitiative (AFI), AWO Schwaben, Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Gruppe Augsburg, Redaktion www.forumaugsburg.de, Reinhold Forster – geschichtsagentur augsburg, Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V., Regionalgruppe Augsburg, GEW KV Augsburg, Marcella Reinhardt – Regionalverband Sinti und Roma, Miriam Friedmann MA und Dr. Friedhelm Katzenmeier, Stolpersteininitiative Augsburg und Umgebung, VVN-BdA Kreisvereinigung Augsburg, Bürgeraktion Pfersee.



Halle 116 soll Gedenkort und Bildungsstätte werden

Die Ausschussgemeinschaft des Augsburger Stadtrats hat einen Antrag eingereicht, der die Halle 116 im Sheridan-Park als Gedenkort und Bildungsstätte vorsieht.
Halle 116 (c) DAZ

Halle 116 (c) DAZ


In der Halle 116 soll ein Gedenkort und eine Bildungsstätte eingerichtet werden, an dem der Opfer des Nationalsozialismus gedacht werden kann, und in der die Entstehung des Nationalsozialismus‘ in der Weimarer Republik, die zwölf Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft und die Nachkriegszeit in Augsburg anschaulich verständlich gemacht werden.

Eine solche Gedenk- und Bildungsstätte in einem Erinnerungsort, der Teil der nationalsozialistischen Strategie „Vernichtung durch Arbeit“ war, gibt der Halle 116 als Erinnerungsort und den Opfern des Nationalsozialismus’ die dort inhaftiert waren, ihre Würde zurück. Die Bildungsstätte sollte es zur Aufgabe haben, die Geschichte des Nationalsozialismus in Augsburg und im Landkreis Augsburg inklusive seiner Vor- und Nachgeschichte aufzuarbeiten und in modernen, heute gängigen musealen Präsentationsformen zu veranschaulichen.

Nach Vorstellungen der Ausschussgemeinschaft, die sich aus sechs Stadträten (FW, Linke, ÖDP, Polit-WG) zusammensetzt, sollte an diesem Ort “der Opfer des Nationalsozialismus‘ gedacht werden, den Befreiern gedankt und es kann vor allem den heute lebenden Menschen gezeigt werden, warum eine lebendige Erinnerung an den Nationalsozialismus, seine Entstehung und sein Ende auch heute noch zentrale Elemente der politischen Bildung aller in Deutschland lebenden Menschen sein muss.”


Flüchtlingspolitik: Aus für Halle 116

Das Vorhaben der Stadt, eine ehemalige Außenstelle des Konzentrationslagers zum Teil als Unterbringungsort für Flüchtlinge einzurichten, ist gescheitert. „Die Halle 116 wird vom Freistaat Bayern nicht weiter geprüft”, wie es in einer Pressemitteilung der Stadt heißt.

Halle 116

Halle 116


Oberbürgermeister Kurt Gribl und der 3. Bürgermeister/Sozialreferent Stefan Kiefer müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Freistaat Bayern die „Halle 116“ in Augsburg als Unterbringungsmöglichkeit für Asylbewerber nicht weiter prüft. Das Gebäude war während der NS-Zeit nicht nur Teil einer Kaserne, sondern neun Monate lang auch ein KZ-Außenlager für Zwangsarbeiter. Danach diente es amerikanischen Streitkräften als Fahrzeughalle der Sheridan-Kaserne, im Dachgeschoss war die US-Bücherei untergebracht.

„Gerade als Friedensstadt sind wir uns der sensiblen Historie des Gebäudes sehr wohl bewusst. Nicht umsonst ist es ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur in unserer Stadt und wird in einem längeren Prozess zum Lern- und Denkort Frieden entwickelt. Gemeinsam mit den Fraktionen des Stadtrats und dem Sozialreferenten bin ich davon überzeugt, dass die Unterbringung von Asylbewerbern in der „Halle 116“ zunächst Menschen in akuter Not hilft. Es ist aber auch ein Ausdruck dafür, als Friedensstadt authentisch im Sinn eines Lern- und Denkorts zu handeln“, so das Statement von Oberbürgermeister Kurt Gribl. Sowohl der OB als auch Sozialreferent Dr. Kiefer weisen „mit Stolz“ auf die unaufgeregte aber konstruktive Art hin, in der die Stadtgesellschaft das Thema im Kontext Friedensstadt öffentlich auffasse und diskutiere.

„Wir teilen die Auffassung des Freistaats zur Unterbringung von Asylbewerbern in Halle 116 nicht. Ich bin überzeugt, dass wir vor Ort eine gute Lösung gefunden hätten, aus dem „Denkort“ auch einen Ort des aktiven Wirkens im Sinne der Menschlichkeit zu entwickeln. Wir wollen aber auch keineswegs provozieren und akzeptieren daher die Entscheidung des Freistaats Bayern, dass das Gebäude als Unterbringungsmöglichkeit ausscheidet. Dadurch erübrigen sich alle weiteren Überlegungen“, so Sozialreferent Dr. Stefan Kiefer.



Sheridan-Gelände: Grüne begrüßen Entwicklung bei Halle 116

In einem Vor-Ort-Gespräch präsentierten gestern die Geschäftsführer des Kulturparks West, Thomas Lindner und Peter Bommas, zusammen mit der Grünen Stadtratsfraktion ihre Vorstellungen von der Entwicklung der Halle 116 auf dem Sheridan-Gelände.

Die Grüne Stadtratsfraktion bewertet den im Juli einstimmig gefallenen Beschluss des Stadtrats als positiv, nach dem in der Halle 116 neben anderen Nutzungen auch ein Gedenken an die dort untergebrachten Zwangsarbeiter möglich wird. Fraktionsvorsitzender Reiner Erben: “Ein sinnvolles Grobkonzept liegt vor – jetzt liegt es bei der Stadt, eine Planung vorzulegen, die allen Anliegen gerecht wird. Wir sind aber sehr froh, dass nach jahrelangem Ringen ein Konzept umgesetzt werden soll, das wir Grüne seit Jahren unterstützt haben.”

5.500 qm auf zwei Geschossen: die Halle 116 auf dem Sheridan-Gelände



“Gut für Augsburg und gut für Pfersee”

Das jetzt favorisierte Konzept sieht eine Vierteilung der langestreckten zweigeschossigen Halle vor: Ein erster Teil soll gewerblich genutzt werden können, möglichst für Unternehmen aus der Kreativwirtschaft. Daneben ist eine Nutzung durch Künstler/-innen vorgesehen, die im Kulturpark West nicht mehr unterkommen können. Schließlich ist angedacht, dass der Stadtjugendring einen Teil als Sporthalle und Jugendkultureinrichtung nutzt.

Einen prominenten Platz soll dann der Denkort einnehmen. Hier geht es zentral darum, dass die Geschichte dieser Halle im zweiten Weltkrieg dargestellt werden wird. Die Halle 116 war ein Außenlager des Konzentrationslagers Dachau, dort waren einige hundert Zwangsarbeiter untergebracht, die in Augsburger Unternehmen arbeiten mussten. Und es wurden Häftlinge hingerichtet.

Noch offen ist, wie und in welchem Umfang die darauf folgende geschichtliche Etappe in der Halle dargestellt werden kann: die Zeit der Nutzung durch die amerikanischen Streitkräfte. Für die Grüne Stadtratsfraktion ist klar, dass diese Epoche eine Rolle spielen muss. Allerdings passt es nicht zum Charakter eines Denkorts für Zwangsarbeiter, wenn dort z.B. Panzer und andere Kriegsgeräte ausgestellt werden.

Die Grüne Fraktion drängt auf eine schnelle Klärung, damit möglichst rasch mit den nötigen Sanierungsmaßnahmen begonnen werden kann. Reiner Erben: “Mit dem jetzt angedachten Konzept würde die Stadt Augsburg ihrer Verantwortung gerecht werden und gleichzeitig die Entwicklung dieses Teils von Pfersee stark voranbringen.”



„Haller, Platz“



Von Hermann Schmidt

Ich bin in Oberhessen aufgewachsen, auf halber Strecke zwischen Marburg und Siegen, und mein Vater war auf dem Arbeitsamt in Biedenkopf beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte es, Anfang der sechziger Jahre die ersten italienischen Gastarbeiter aus Norditalien, die in Zügen nach Deutschland geholt wurden, zu begleiten und zu betreuen. Die Züge wurden in Verona, Brescia oder Bologna eingesetzt.

Bei einer dieser Dienstreisen hat mein Vater ein Heimspiel des FC Bologna mit Helmut Haller besucht und ihn persönlich kennengelernt. Schon seit der Weltmeisterschaft in Chile, bei der wir Deutschen im Viertelfinale durch ein 0:1 gegen Jugoslawien ausgeschieden waren, bekannte sich mein Vater vorbehaltlos zu seinem Lieblingsspieler Helmut Haller, über den sie in der Zeitung kritisch schrieben, dass er Horst Szymaniaks Beispiel folgen und für viel Geld nach Italien gehen würde. Bundestrainer Herberger, so die Zeitungen, habe Haller gedroht, ihn nicht mit nach Chile zur WM (1962) zu nehmen, wenn er vorher nach Italien ginge. Das fand mein Vater unerhört.

In Deutschland beschimpfte man damals Spieler, die ins Ausland gingen, an manchen Stammtischen als Legionäre und – schlimmer noch – zuweilen auch als Vaterlandsverräter. Wenn in der Dorfkneipe die Diskussionen entbrannten, dann verteidigte mein Vater die Fußballer Horst Szymaniak und Helmut Haller. Das seien begnadete Spieler aus einfachsten Verhältnissen, und wie jeder andere Mensch hätten sie das Recht, ihren Arbeitsplatz frei zu wählen und es zu Ansehen und Wohlstand zu bringen. Im Grunde gefiel meinem Vater aber noch etwas ganz anderes an den Spielern Helmut Haller und Horst Szymaniak. Sie waren nämlich alles andere als biedere Fußballhandwerker, die man heute gerne als „Rumpelfußballer“ bezeichnet.

Helmut Haller war ein Genie, nicht nur am runden Leder, dann, wenn er selbst den Ball führte. Er ahnte instinktiv, wie seine Mitspieler sich in der Offensive bewegten, ohne dass es seinerzeit dieses dusseligen Geredes von einstudierten Laufwegen bedurft hätte. Und die Bälle, die er abspielte, kamen an. Helmut Haller war ein Meister des Kurz-und Doppelpasses und im rechten offensiven Mittelfeld oder auch auf dem rechten Flügel einer der besten Dribbler, die es auf Europas Fußballfeldern seinerzeit zu bestaunen gab.

Und über dieses begnadete Talent als Fußballer hinaus mochte mein Vater am Menschen Helmut Haller, dass der das Herz auf dem rechten Fleck hatte, dass er ein Querkopf, aber ein liebenswerter Querkopf war, der sich nicht alles gefallen ließ. Wer im Jahr 1962 den Sportteil der Tageszeitung genau las, der wusste, dass die militärische Kasernierung der deutschen WM-Mannschaft in Chile der Leistung eines Helmut Haller nicht unbedingt förderlich war. Und ihn im Viertelfinale gegen die Jugoslawen im Jahr 1962 mit Defensivaufgaben zu betrauen, das war sicher einer der Gründe, wieso die deutsche Elf frühzeitig den Heimflug antreten durfte.

Auch nach dem Wechsel von Helmut Haller vom BC Augsburg nach Bologna sammelte mein Vater alle Informationen über seinen Lieblingsspieler aus Zeitungen und Illustrierten und heftete sie in einem DIN-A4-Ordner fein säuberlich ab. Er las Woche für Woche den KICKER, um immer aktuell über den Tabellenstand und die Spielergebnisse des FC Bologna in der Seria A südlich der Alpen informiert zu sein. Für ihn war klar: Der unaufhaltsame Aufstieg des FC Bologna in der 1. Italienischen Liga war ausschließlich die Folge des Engagements von Regisseur Helmut Haller. Dass daran auch der dänische Goalgetter und Torschützenkönig der Saison 1963/64, Harald Nielsen, entscheidenden Anteil hatte, nahm mein Vater wohl nur am Rande wahr.

Spiel für Spiel trug mein Vater die Ergebnisse des FC Bologna in seinen Hefter ein. Der FC Bologna wurde italienischer Meister und Helmut Haller hatte während seiner ersten Saison alle 34 Spiele bestritten. Womöglich weil mein Vater ein so glühender Bewunderer der Fußballkünste von Helmut Haller war, und weil er verständnisvolle Vorgesetzte hatte, wurde er während der Meistersaison des FC Bologna erneut für eine Begleitaktion italienischer Gastarbeiter, die in Bologna startete, ausgewählt. Die Rotblauen vom FC Bologna hatten, wenn ich mich richtig an die Erzählungen meines Vaters über das von ihm besuchte Spiel erinnere, den AS Rom mit sage und schreibe 4:0 besiegt. Helmut Haller war der überragende Spieler gewesen.

Aufgrund seiner Kommentare während des Spiels erkannte man ihn auf der Stehtribüne als Deutschen, und nun wurden ihm nun Sympathiebekundungen der italienischen Zuschauer zuteil, die dazu führten, dass er in ein Restaurant in der Innenstadt eingeladen und mitgenommen wurde. Zu später Stunde war dort zufällig sein Idol Helmut Haller aufgetaucht. Dem nun wiederum trugen die neuen italienischen Freunde meines Vaters zu, dass einer seiner deutschen Fans extra wegen ihm aus Hessen angereist sei – was nun wirklich nicht der Wahrheit entsprach. Helmut Haller aber bat meinen Vater zu sich an den Tisch, und trank mit ihm ein oder zwei Gläser. Zum Abschied händigte er meinem Vater ein Autogramm aus, auf das er schrieb: ARRIVEDERCI HANS, Helmut Haller. So als hätte „Il Biondo“ den späteren Italo-Hit von Rita Pavone mit genau diesem Titel vorausgeahnt. Als mein Vater nach Hause kam, berichtete er nicht etwa über einzelne Eindrücke seiner für damalige Verhältnisse weiten Reise, sondern nur von der Begegnung mit Helmut Haller.

Im ganzen Dorf und auf seiner Dienststelle wusste bald jedermann: Der Schmidt Hans hat doch tatsächlich den Helmut Haller in Italien getroffen. Im Treppenaufgang unseres Hauses hing seither ein Fotoporträt von Helmut Haller an der Wand. Im Büro meines Vaters stand das nun gerahmte Autogramm von Helmut Haller auf dem Schreibtisch. Im Notizkalender meines Vaters war Helmut Hallers Geburtstag eingetragen.

Und der Hund, ein Boxerwelpe, den mein Großvater einem Biedenkopfer Grabmacher in einer Gastwirtschaft abgekauft hatte, bekam auf ausdrücklichen Wunsch meines Vaters den Namen Haller. So gehörte von Mitte der sechziger Jahre an Haller zu unserer Familie. Weil ich damals Fan des 1. FC Köln war, hätte ich es lieber gehabt, dass der Hund Overath genannt worden wäre. Aber mein Vater sagte: Ich bin hier der Chef, der Hund heißt Haller, und basta.

Wenn der Hund im Garten herumstromerte, und der Vater ihn rief, „Haller, bei Fuß!“ oder „Haller, sitz“!, dann nahm die Verehrung meines Vaters für den schwäbischen Fußballstar schon merkwürdig witzige Formen an. Er nahm Haller auch mit in seine Stammkneipe, und dann sagten seine Stammtischbrüder, ach, du hast ja wieder den Haller dabei.

Bei der Übertragung der Fußball-Weltmeisterschaft aus England im Jahr 1966 saß mein Vater schon eine Stunde vor der Übertragung vor dem Fernseher und wartete auf die Aufstellung. „Haller, Platz“, sagte mein Vater. Haller setzte sich halbrechts neben den Vater und sah die ganze Fußball-Weltmeisterschaft samt seinem Namensvetter mit der Nummer 8. Und jedes Mal, wenn der Vater den Namen Haller im Spielverlauf in den Mund nahm, legte der Hund seinen Kopf etwas schief in Richtung meines Vaters und bekam anschließend ein Leckerli. Unser Boxer Haller legte auf diese Weise rasch an Gewicht zu, was beim Idol meines Vaters erst ein paar Jahre später sichtbar wurde.

Als Haller in England im Spiel gegen die Schweiz gleich zwei Tore zum 5:0 Sieg beitrug, murmelte er immer wieder vor sich hin „Unsterblich der Haller, unsterblich der Haller“ .

Mein Vater hatte seit seiner Bologna Reise an Helmut Haller einen Narren gefressen. Noch lange nach dem Wechsel des „Neapolitaners“ (so nannten ihn die Italiener aufgrund seiner Schlitzohrigkeit) von Bologna zu Juventus Turin, wo er zwei weitere Male italienischer Meister wurde, konnte man Wundergeschichten über Helmut Haller lesen, den die Fans in Italien vor allem in Bologna wie einen Heiligen verehrten.

Schon bald nach seiner Rückkehr zum FC Augsburg im Jahr 1973 mehrten sich die in manchen deutschen Boulevard-Zeitungen üblichen gehässigen Berichte über erfolgreiche Fußballer im Ausland, und auch solche über das Idol aus Augsburg. Manches, was in seinem persönlichen Leben „daneben“ ging (und Helmut Haller hatte nicht immer nur Glück nach seiner großen Karriere in Italien) wurde hämisch kommentiert und von manchen Neidern missgünstig belächelt.

Für die Menschen aber, die den Fußball lieben, und für die, die ihn näher kannten, wie z.B. Uwe Seeler oder Franz Beckenbauer, bleibt Helmut Haller, der einfache Junge aus Augsburg, ein sympathischer, ehrlicher, humorvoller und jedem offen und freundlich gegenüber tretender Mensch, der das Herz auf dem rechten Fleck hatte, und zu den besten deutschen Fußballern des 20. Jahrhunderts gehörte. – Und irgendwie hat mein Vater doch recht behalten mit seiner Prognose: Haller ist unsterblich. In Augsburg haben sie inzwischen sogar einen Platz nach ihm benannt.



Hermann Schmidt ist Geschäftsführer des Jahreszeiten-Verlags in Hamburg, Fan des St. Pauli und Autor von Fußballbüchern wie “FC St. Pauli – Der Kampf geht weiter”, “Zauber am Millerntor” oder “Wir kommen wieder”, die nicht nur für Pauli-Fans lesenswert sind. Der Text wurde von Schmidt auf der Eröffnungsparty des Helmut-Haller-Platzes vorgetragen.


KUKA-Halle wird Stadtteilbücherei und Literaturhaus

Der Personalausschuss der Stadt Augsburg hat in seiner gestrigen Sitzung beschlossen, dem Stadtrat die Errichtung einer Stadtteilbücherei und eines neuen Bürgerbüros in der KUKA-Halle in der Ulmer Straße 72 zu empfehlen.

Gemäß der bereits zwischen Kultur- und Ordnungsreferat abgestimmten Beschlussvorlage sollen gut 600.000 Euro in die denkmalgeschützte ehemalige KUKA-Maschinenhalle in Kriegshaber investiert werden. Derzeit ist in der Halle das NAK-Stoffmusterarchiv untergebracht. Das Archiv wird im Herbst 2009 in das neue Textil- und Industriemuseum (tim) umziehen.

Zusammen mit dem im Bereich der Reese-Kaserne geplanten Umbau der Ulmer Straße soll mit der angestrebten Nutzung der KUKA-Halle die dringende Belebung und Aufwertung der Ulmer Straße in diesem Bereich erfolgen. Die Umnutzung der KUKA-Halle ist somit eines der Impulsprojekte für den Stadtumbau Kriegshaber/Reese-Kaserne und soll das Stadtteilzentrum Kriegshaber entlang der Ulmer Straße maßgeblich stärken.

Bundesweiter Modellcharakter

Das Hochbauamt der Stadt Augsburg hat bereits eine erste Flächenermittlung durchgeführt und einen entsprechenden Grundrissplan erarbeitet. Entstehen sollen in dem zweigeschossigen Gebäude gut 400 qm Nutzfläche für die Bücherei und 220 qm Fläche für das Bürgerbüro. Hinzu kommen 200 qm gemeinsam genutzte Flächen und Flächen für Technik und Nebenräume. Die Kath. Pfarreiengemeinschaft Augsburg-Kriegshaber, die die Stadtteilbücherei in Kooperation mit der Stadt Augsburg betreiben möchte, will einen Bestand von ca. 9.600 Medien sowie eine neuwertige Büchereimöbilierung von St. Thaddäus einbringen. Die Bücherei soll von der erfahrungsgemäß hohen Besucherfrequenz des Bürgerbüros profitieren. Die vorgesehene Mischnutzung hat bundesweit Modellcharakter.

Im Internet: Luftbilder der Halle von Virtual Earth



Nachtragshaushalt: Regierungsparteien zeigen Einigkeit

Am vergangenen Dienstag wurde im Finanzausschuss die erste Nachtragshaushaltssatzung mit Nachtragshaushaltsplan 2023 beraten. Die Stadtratsfraktionen von CSU und GRÜNEN zeigten zufrieden mit dem Ergebnis.
 

Foto: DAZ-Archiv

“Haushaltspläne in Zeiten internationaler Krisen eröffnen nur geringe Spielräume für neue Maßnahmen. Dennoch wurde das in der aktuellen Lage Beste für Augsburg erreicht”, so die beiden Regierungsparteien im Augsburger Rathaus. Neue Maßnahmen würden trotz der angespannten Lage realisiert werden, was einer sehr vorausschauenden Haushaltspolitik zu verdanken sei, wie die Grünen und die CSU konstatieren.

Ralf Schönauer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und finanzpolitischer Sprecher der CSU-Fraktion kommentiert die Situation folgendermaßen: „Wenn die zur Verfügung stehenden Mittel begrenzt sind, ist es umso wichtiger, sie mit Bedacht einzusetzen. Wir stehen zur Entscheidung, erneut Rücklagen zu bilden, um gegen weitere Ausfälle gewappnet zu sein. Finanzreferent Roland Barth hatte stets den Erhalt der Handlungsfähigkeit angemahnt. Das zentrale Thema des Nachtragshaushalts sind die hohen Personalkostensteigerungen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt im Zuge des Tarifabschlusses. Diese müssen auch mit Blick auf die Folgejahre abgefedert werden. Im Bereich der Sozialausgaben konnten wir für uns wichtige Maßnahmen einbringen. Neben der Notschlafstelle für junge Obdachlose und Mehrausgaben für die Jugendsozialarbeit an Schulen zählen auch die zusätzlichen Mittel für Fachleistungen der ambulanten Jugendpflege sowie die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche dazu. Auch die Bereiche Sicherheit und Ordnung stehen erneut in unserem Fokus. So werden bei den Feuerwehren weitere finanzielle Mittel für arbeitssicherheitsrelevante Maßnahmen aufgestockt, es wird umfassend in die Infrastruktur und Sicherheitstechnik des Augsburger Flughafens investiert und das Ordnungsamt erhält eine Mobile Wache. Wir schaffen mit der Sanierung des ´Alten Zollhauses´ einen neuen Bürgertreff für das soziale und kulturelle Wohl, unterstützen finanziell die Einrichtung eines neuen Bikeparks und verfolgen weiter die Errichtung der Halle 116 als Lern- und Erinnerungsort. Eine weitsichtige Planung für alle Bürgerinnen und Bürger ist unter den gegebenen Umständen das A und O!“

Serdar Akin, finanzpolitischer Sprecher der Grünen Stadtratsfraktion zeigt sich ebenfalls zufrieden: „Mit dieser soliden Haushaltsplanung schaffen wir auch in der Krise beides: Resilienz für unsere Stadt durch eine vorausschauende Rücklagenbildung und Handlungsfähigkeit durch gezielte Investitionen. Mit diesem guten Spagat wird unsere Stadt auch künftig erfolgreich fahren.  Deutlich erhöhte Ausgaben für Kindertagesstätten, Schulen und Ganztagsbeschulung bestimmen unsere Haushaltsplanung. Dieser Fokus im Bereich der Bildung ist und bleibt für uns wichtig. Insgesamt legen wir außerdem ein besonderes Augenmerk auf Umwelt- und Klimaschutz sowie das soziale Miteinander. Für die Baumpflege ist eine wichtige Aufstockung um 1,2 Mio. € vorgesehen – essenzielle Ausgaben mit Blick auf den Klimawandel! Der Landschaftspflegeverband bekommt Mittel für die Ausstattung und den dauerhaften Betrieb des neuen Umweltbildungszentrums und damit Planungssicherheit für einen Leuchtturm der Nachhaltigkeitsbildung in Augsburg. Mittel für den Ausbau eines lokalen Mehrwegbechersystems werden Abfall und Plastik bei To-Go-Getränken eindämmen. Mit der Eröffnung der Halle 116 als Erinnerungs- und Lernort am 28. Oktober freuen wir uns auf eine zukünftige Dauerausstellung mit Augsburgs Zeitgeschichte im 20. Jahrhundert. Deshalb, aber auch angesichts der aktuellen Entwicklungen in Israel sind Investitionen in Demokratiebildung und Erinnerungskultur wichtiger denn je! Die geplanten Brandschutzmaßnahmen werden die Halle 116 als Ort für erlebbare Erinnerungskultur gezielt voranbringen. Wir setzen Prioritäten an den richtigen Stellen. Gerade in ökonomisch herausfordernden Zeiten ist es wichtig, trotz allem nicht an der Zukunft zu sparen!“

Die Koalitionspartner haben sich zudem für eine Rücklagenzuführung von 250.000 € explizit für die Schultoilettensanierung eingesetzt. 



Rede und Kritik

Interview mit Florian Freund: “Es ist nicht erkennbar, wie das Augsburg der Zukunft gestaltet werden soll” 

Nachdem die Soziale Fraktion im Augsburger Stadtrat den 2,7 Milliarden-Haushalt der Stadt Augsburg Ende vergangenen Jahres abgelehnt hatte, gab es ein längeres Telefonat zwischen Fraktionschef Florian Freund (SPD) und DAZ-Herausgeber Siegfried Zagler. Man verständigte sich darauf, dieses Telefonat als Ausgangslage für ein Interview zu verwenden. Das war bereits im Dezember 2022. Dass es so lange von der Idee bis zur Realisierung dauerte, hat eher die DAZ als Freund zu verantworten. Die Schärfe und die Qualität des Interviews hat darunter nicht gelitten. Florian Freund hat gute Chancen, im Herbst für die Augsburger SPD in den Landtag einzuziehen. Würde er daraufhin seine Führungsrolle in der größten Oppositionsgruppe des Augsburger Stadtrats abgeben, wäre das ein Verlust für die demokratische Kultur in der Stadt. Dr. Florian Freund ist zu einem Oppositionspolitiker geworden, wie er im Buche steht. Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber habe die Referentenstellen mit Verwaltungsbeamten besetzt, “weil es ihrem Naturell entspricht und weil es für sie als OB ohne Ideen unangenehm wäre, wenn die Referenten um sie herum mehr glänzten, als sie selbst”, so Freund im großen DAZ-Interview. 

Florian Freund © Peter Fastl

DAZ: Schwarz-Grün hat in Augsburg bald Halbzeit. Im Maiwird sich die Regierungskoalition über den grünen Klee vollmundig selbst loben, vermutlich im Dreiklang mit der CSU-Oberbürgermeisterin Eva Weber. Als Fraktionschef der größten Oppositionsgruppe erhalten Sie nun die Gelegenheit quasi vorab dem entgegen zu wirken. Herr Dr. Freund, bevor wir über den Haushalt reden, lassen Sie uns über das bisher Geleistete unserer Stadtregierung reden.

Freund: Dafür braucht man keine Glaskugel. Die Koalition wird sich über den schwarz-grünen Klee loben. Wie in den vergangenen Jahren wird eine angebliche Fortschrittskoalition beschworen, die es so nicht gibt und gar nicht geben kann. Die Widersprüche und Gegensätze der Koalitionäre sind einfach zu groß. Das erkennen CSU und Grüne zunehmend selbst. Weil man sich aber keinen Irrtum eingestehen will, verfährt man nach dem Motto: „Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht“.

DAZ: Schön gekalauert. Wie sehen Sie die Führungsrolle von Frau Weber? Beherrscht sie den schwierigen Spagat zwischen höchster Repräsentantin der Stadt und den parteipolitischen Interessen der CSU und den Grünen? Wie bewerten Sie die Erzählungen von OB Weber?

Für das Setzen von politischen Akzenten fehlt es OB Weber an Ideen

Freund: Es ist richtig von einem Spagat zu sprechen. Auf der einen Seite muss das Stadtoberhaupt einer Großstadt wie Augsburg natürlich die Verwaltung führen. Auf der anderen Seite müsste die OB versuchen, politisch Akzente zu setzen ohne dabei allzu parteipolitisch aufzutreten. Ich erlebe eine OB, die sich als Chefin der Verwaltung sieht und sich auch so gibt. Diesen Teil der Rolle versucht sie nach Kräften zu erfüllen. Für das Setzen von politischen Akzenten fehlt es ihr an Ideen für die Stadt. Sagen Sie mir doch ein größeres Projekt, das Eva Weber von sich aus angestoßen hat oder das auf ihre Initiative zurückgeht. Neue Ideen werden allenfalls aus der Not heraus geboren, wie etwa im Fall der Schaufenster-Gestaltung in der Innenstadt.

DAZ: Eva Webers Narrativ geht in die Richtung. Dass sie und die Koalition den Koalitionsvertrag abarbeiten. Davon sollen bereits zwei Drittel erfüllt sein … 

Freund: … Wie sieht den die Entwicklung Augsburgs aus, die Eva Weber vorschwebt? Wenn Sie danach fragen, dann bekommen sie in der Regel relativ platte Allgemeinplätze, die irgendwie modern, grün und gleichzeitig irgendwie konservativ klingen sollen. Das kommt bei manchen vielleicht an. Bringt die Stadt aber nicht weiter. Zwischendurch versteigt sich die OB dann wieder zu parteipolitischen Aussagen, wie jüngst auf dem Empfang der CSU-Fraktion.

DAZ: Wo sie was gesagt hat?

Freund: Sinngemäß hat sie gesagt, dass sie allen Anwesenden ein gesundes und glückliches neues Jahr wünscht und sich um alles andere die CSU in Bayern kümmert.

DAZ: Sie haben im Zusammenhang mit der Überstundenaffäre von Herrn Merkle, glaube ich mich zu erinnern, im Stadtrat gesagt, dass OB Weber überfordert sei. Könnten Sie das für unsere Leser präzisieren?

Freund: Wo war denn da die Führung? Sie hat ihren Referenten im Regen stehen lassen, obwohl sie als Chefin der Verwaltung eigentlich ganz besonders gefordert gewesen wäre, um zu klären, ob ein Anspruch auf Ausgleich besteht und wie hoch dieser ist. Sie hat es laufen lassen, weil ihr das Thema unangenehm war.

DAZ: Wie schätzen Sie das Verhältnis von Eva Weber zu den Referenten ein. Ist sie womöglich selbst mit einigen unzufrieden? Wo musste sie am meisten Feuerwehr spielen? Wo würden Sie an ihrer Stelle nachbessern?

Im Wirtschaftsreferat und im Sozialreferat – bräuchten wir Leute mit Ideen, da helfen Verwalter nicht weiter

Freund: Die OB hat sich ihre Referenten – mit Ausnahme von Martina Wild sind ja alles Männer – selbst ausgesucht. Auch hier haben politische Visionen keine Rolle gespielt. Eva Weber hat sich erfahrene und weniger erfahrene Verwalter gewünscht. Und die hat sie auch bekommen. Das kann gut gehen, etwa im Bereich Finanzen oder bei Ordnung und Personal. Da brauchen sie weniger Visionäre als effiziente Verwaltungsprofis. Bei anderen Referaten – insbesondere im Wirtschaftsreferat und im Sozialreferat – bräuchten wir aber Leute mit Ideen, mit Visionen mit einem inneren Antrieb, Projekte auf die Beine zu stellen. Da helfen ihnen Verwalter nicht weiter. Ich glaube, dass Eva Weber das bewusst so gemacht hat. Weil es ihrem Naturell entspricht und weil es für sie als OB ohne Ideen unangenehm wäre, wenn die Referenten um sie herum mehr glänzen würden, als sie selbst. – Eine Sonderrolle nimmt noch der Umweltreferent Reiner Erben ein.

DAZ: Vorher noch ein Wort zum CSU-Wirtschaftsreferent Wolfgang Hübschle.

Die Lage am Stadtmarkt wird immer desolater

Freund: Wenn es nur ein Wort sein soll: „Schade“. Schade, dass er aus so einem Referat mit so vielen wichtigen Aufgaben so wenig macht. Ansiedlungspolitik. Stadtmarkt. Innenstadt. Stadtteilzentren. Ich sehe nirgends Ideen, mit denen man Augsburg weiterbringen würde. Im Gegenteil. Die Lage am Stadtmarkt wird immer desolater. Das schmerzt umso mehr, weil Dirk Wurm als zuständiger Referent hier viel auf die Beine gestellt hat.

Augsburger Stadtmark: ” Lage wird immer desolater” © DAZ

DAZ: Was gibt es zu den bisherigen Leistungen von Frank Pintsch – Ordnungsreferent der CSU – zu sagen?

Freund: Frank Pintsch schätze ich für sein effizientes Verwaltungshandeln und seine Professionalität. Ich erlebe ihn im Personalausschuss als harten und verlässlichen Verhandlungspartner, der gut vorbereitet ist und für Ideen auch dann offen ist, wenn sie von anderen kommen. Allerdings fehlt es auch beim städtischen Personal an modernen Ideen, etwa wenn es um die Personalsicherung und -Gewinnung geht. Da machen uns andere Städte Konkurrenz um gutes Personal.

DAZ: Zu den bisherigen Leistungen von Roland Barth (CSU) wäre zu sagen, dass …

Der Kämmerer genießt einen exzellenten Ruf in der Verwaltung

Freund: Der Kämmerer, den wir auch geschlossen mitgewählt haben, genießt einen exzellenten Ruf in der Verwaltung. Keiner kennt den Haushalt so gut wie er und kann ihn so gut gestalten. Seine vorausschauende Planung hilft der Stadt sehr. An dieser Stelle brauchen sie einen effizienten Verwalter und den haben wir mit Roland Barth zweifelsohne.

DAZ: Mit dem CSU-Referenten schlechthin, Gerd Merkle, saß die SPD sechs Jahre in der Stadtratsperiode von 2014 bis 2020 selbst in der Stadtregierung. Für mich ist Gerd Merkle der klassische Fall des treuen wie fleißigen Verwaltungsbeamten, der ambitionslos abarbeitet, was ihm die Politik anträgt. 15 Jahre wird Gerd Merkle, wenn er nun im Frühjahr ausscheidet, Augsburgs Baureferent gewesen sein. Ich kenne kein Projekt, das er selbst initiierte oder gar als politisches Versprechen formulierte. Keines, wofür er steht, wenn man mal vom CFS absieht, wenn Sie mir diesen Sarkasmus erlauben. Kann es sein, dass ich mich täusche und Gerd Merkle im Stillen inhaltlich wirkt?

professionell und effizient: Frank Pintsch © Stadt Augsburg

“Professionell und effizient”: Frank Pintsch © Stadt Augsburg

Freund: Ganz so einseitig fällt mein Urteil nicht aus. Gerd Merkle, den ich seit knapp 10 Jahren im Bauausschuss kenne, hat schon den Anspruch, die Stadt zu gestalten und nach vorne zu bringen. Den Umbau der Innenstadt hat er nach meiner Einschätzung stark mitgestaltet, etwa auch bei der Bäckergasse. Er war auch immer wieder stark gefordert, beim Theater und Bahnhofsumbau. Ich erinnere an die horrenden Kostensteigerungen beim Theaterumbau und den darauf folgenden Umplanungen. Allerdings – und da gebe ich Ihnen Recht – ist das Baureferat in den letzten Jahren nicht mehr mit guten Ideen aufgefallen. Es waren eher halbherzig oder schlecht umgesetzte Punkte aus der Agenda des grünen Koalitionspartners. Ideen aus anderen Teilen des Stadtrats werden teils ignoriert oder bekämpft. Etwa bei der Schaffung von günstigem Wohnraum, Stichwort: sozial gerechte Bodennutzung in der letzten Ratsperiode oder die Verkehrsberuhigung in der Hallstraße oder in der Frauentorstraße.

“Hat schon den Anspruch, die Stadt zu gestalten” . Gerd Merkle © DAZ

DAZ: Auch mit Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) saßen Sie sechs Jahre zusammen in der Stadtregierung. Erben gilt als Pannen-Referent und Watschenmann.

Freund: Er hat jedenfalls in den letzten zehn Jahren keine Gelegenheit ausgelassen, um dieses Image auch zu bestätigen. Für die OB ist es praktisch, ihn zu haben. Wann immer etwas schief läuft, schiebt sie es Reiner Erben zu und bringt sich selbst in ein besseres Licht.

DAZ: Das Sozialreferat wurde in dieser zweiten Gribl-Periode von Stefan Kiefer (SPD) geleitet. Was machte Kiefer anders als der aktuelle Sozialreferent der CSU Schenkelberg?

Der größte sozialpolitische Wurf von Martin Schenkelberg ist es, dass es wieder einen Kinderfaschingszug  gibt …

DAZ: Ich erinnere mich noch gut daran, wie sein Vorschlag, die Halle 116 als Geflüchteten-Unterkunft zu nutzen bundesweit von der Presse gegeißelt wurde, obwohl das Konzept völlig okay war. Aber lassen Sie uns nicht über die Vergangenheit reden. Wir waren bei Martin Schenkelberg.

… es fällt auf, dass er weder Konzept noch Ideen hat

Freund: Beim derzeitigen Sozialreferenten fällt vor allem auf, dass er unglaublich smart rüberkommt, aber weder Konzept noch Ideen hat. Der bisher größte sozialpolitische Wurf von Martin Schenkelberg ist es, dass es wieder einen Kinderfaschingszug in Augsburg gibt. Sonst wüsste ich kein neues Vorhaben oder Projekt, das er angestoßen hätte.

“…weder Konzept noch Ideen”: Martin Schenkelberg © Stadt Augsburg

DAZ: Martina Wild, Grüne Bürgermeisterin und Bildungsreferentin, warf ihrem Vorgänger Hermann Köhler (CSU) vor, kein Konzept bei der Schulsanierung zu haben. Können Sie ein Konzept bei Frau Wild erkennen?

Wir sehen, dass Bildungsreferentin Martina Wild ein Abziehbild des CSU-Bildungsreferenten ist

Freund: Martina Wild und ich waren uns da in der letzten Ratsperiode einig und ich habe große Hoffnungen in sie gesetzt, als sie zur Bildungsbürgermeisterin gewählt wurde. Allerdings sehen wir in den letzten drei Jahren, dass Martina Wild eher ein Abziehbild des CSU-Bildungsreferenten ist. Es geht wenig voran. Löcher in der Finanzierung werden damit geschlossen, dass bei anderen Projekten neue Löcher aufgerissen werden. Sollte es ein Konzept geben, dann kann ich es jedenfalls in den letzten Jahren nicht erkennen. Zumal die Bildungsbürgermeisterin auch nicht dadurch aufgefallen ist, dass sie sich bei den Haushaltsberatungen durchsetzt. Unsere Anträge, etwa zusätzliche Schlüsselzuweisungen ausschließlich für solche Schulsanierungen zu verwenden, die im Moment auf den Sanktnimmerleinstag verschoben werden müssen – Stichwort Schultoiletten – hat die schwarz-grüne Koalition abgelehnt, um sie dann aufzugreifen, wenn das zusätzliche Geld schon anderweitig verplant war.

DAZ: Der im November 22 verabschiedete Doppelhaushalt ist knapp 2,7 Milliarden Euro schwer. Jeder Haushalt hat Stärken und Schwächen. Woran kann man die Stärken, woran die Schwächen erkennen?

Der Geist, den der vorliegende Haushalt atmet, ist visionslos

Roland Barth: “Ein Referent mit einem exzellenten Ruf ” © Stadt Augsburg

Freund: Ich habe es ja schon angesprochen. Roland Barth ist ein kluger und vorausschauend agierender Kämmerer. Darin liegt eine Stärke des Haushalts. Aber gleichzeitig auch eine Schwäche. Der zuletzt beschlossene Doppelhaushalt zeigt die Ideen- und Visionslosigkeit von schwarz-grüner Politik in Augsburg. CSU und Grüne loben sich dafür, dass sie trotz aller politischen Widersprüche und Uneinigkeiten einen gemeinsamen Haushalt hinbekommen haben. Sie vergessen dabei, dass eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners aber die Stadt nicht vorwärts bringen. Es gibt kein Konzept, wie die Stadtteile gestärkt werden, das sich im Haushalt widerspiegelt. Es gibt keine Ideen, wie die Bürgerinnen und Bürger auch bei den Ausgaben beteiligt werden können. Wir haben hier klare Vorstellungen im Hinblick auf Stadtteilbudgets und Bürgerhaushalte. Das wird von der Rathaus-Koalition nicht nur nicht aufgegriffen, sondern sogar verweigert. Stattdessen gibt es Stadtteilkonferenzen, bei der die OB sich als interessierte Zuhörerin gibt, bei denen am Ende aber nichts rauskommt, außer Enttäuschungen. Das spiegelt auch der Haushalt wider.

DAZ: Hat die Sozialfraktion aus diesen Gründen den Haushalt in Bausch und Bogen abgelehnt?

Freund: Die Zustimmung oder Ablehnung zu einem Haushalt hängt ja nicht an einem Projekt. Es geht um den Geist, den der jetzt vorliegende Doppelhaushalt atmet. Und der ist, wie gesagt, visionslos.

DAZ: Stichwort Schulden: Corona hin, Energiekrise her. Die Schlüsselzuweisungen des Freistaats sprudeln Richtung Augsburg so hoch wie nie zuvor. Auch deshalb, weil die die Stadt Augsburg zu den finanzschwächsten im Freistaat zählt. Wäre es innerhalb dieses Systems nicht falsch, würde man nur das Geld ausgeben, das man auch hat?

Freund: Die Berechnung der Höhe der Schlüsselzuweisungen im Freistaat Bayern ist höhere Mathematik. Ich habe mich im Rahmen meiner Diplom- und Doktorarbeit mit den Finanzausgleichsystemen auseinandergesetzt und wir können dazu gerne ein eigenes Interview führen. Verkürzt gesagt: Bei der Berechnung der Höhe der Schlüsselzuweisungen wird nicht auf die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben einer Kommune abgestellt, sondern auf die Einnahmemöglichkeiten, die eine Gemeinde hat. Auch bei den Ausgaben wird nicht auf die tatsächlichen Ausgaben abgestellt, sondern auf die Ausgaben, die eine Kommune in Bayern je Einwohner durchschnittlich hat.

DAZ: Was meint Herr Barth eigentlich, wenn er sagt, dass die Widerstandsfähigkeit des Haushalts steigt, wenn höhere Schlüsselzuweisungen nach Augsburg fließen?

Freund: Es gibt Steuern, die stark konjunkturabhängig sind. Die Gewerbesteuer beispielsweise. Wenn Unternehmen keine oder geringere Gewinne machen, hat dies direkte Auswirkungen auf den Haushalt. Das gleiche gilt, wenn auch abgeschwächt, für die kommunalen Anteile an der Einkommensteuer. Wieder etwas verkürzt dargestellt bekommen die Gemeinden 15% der Einkommensteuer, die ihre Einwohner bezahlen. Das stimmt zwar nicht ganz, weil es Höchstgrenzen gibt, aber die Zusammenhänge werden deutlich. Wenn die Beschäftigung aufgrund von Wirtschaftskrisen sinkt, dann fließen geringere Einkommensteuereinnahmen in die Gemeinde bei gleichzeitig steigenden Sozialausgaben. Der Zufluss höherer Schlüsselzuweisungen ist weniger konjunkturabhängig und kennt weniger regionale Sondereffekte, weil sie sich aus dem Steueraufkommen des gesamten Freistaats speisen.

DAZ: Wie kann man die schwache Finanzkraft der Stadt Augsburg verstehen? Gibt es neben dem Verschwinden der Textilindustrie noch andere Erklärungen?

Die Bestandsrenten in Augsburg sind unterdurchschnittlich 

Ledvance, ehemals Osram: abgewandert

Freund: Ich führe das ja immer wieder ins Feld, dass wir dringend dafür sorgen müssen, dass wir unseren industriellen Markenkern stärken. Augsburg ist Produktionsstandort. Augsburg ist Industriestandort. Diejenigen gut bezahlten Arbeitsplätze, die es gibt, die finden sich in der Metall- und Elektroindustrie und im Bereich anderer produzierender Unternehmen. Die großen Unternehmen haben starke Betriebsräte, starke Gewerkschaften und zahlen gute Löhne. Da tut es natürlich weh, wenn gut bezahlte IG-Metall-Arbeitsplätze bei Fujitsu, OSRAM, Siemens und anderswo verloren gehen und keine adäquaten neuen Arbeitsplätze geschaffen werden. Wir haben zwar – auch dank Logistik und Dienstleistung – einen Beschäftigungsboom in Augsburg. Aber die Einkommenshöhen sind halt nicht zu vergleichen. Und es hört ja nicht beim Einkommen auf. Wenn ich heute ein hohes Einkommen habe, hat das unmittelbare Auswirkungen auf meine künftige Rente. Darunter leiden wir in Augsburg ja auch: Die Bestandsrenten sind unterdurchschnittlich.

DAZ: Stichwort stark ansteigender Verwaltungshaushalt: Sorgt das nicht dramatisch dafür, dass zukünftige Generationen kaum noch Steigerungen im Vermögenshaushalt haben – und somit die politischen Gestaltungsmöglichkeiten in der Zukunft geringer werden?

Es kommt darauf an, wofür das Geld ausgegeben wird. Sowohl im Verwaltungs- als auch im Vermögenshaushalt. Und hier setzt die Stadtregierung falsche Schwerpunkte 

Freund: Das ist ein wenig zu einfach gedacht, Herr Zagler. Verwaltungs- und Vermögenshaushalt ergeben zusammen ein Gesamtbild. Wenn wir als Stadt mehr Kita-Personal einstellen oder eigene kommunale Schulen betrieben, wächst der Verwaltungshaushalt. Trotzdem sind diese Stellen eine Investition in die Zukunft. Wenn wir das historische Rathaus abreißen würden, um es durch einen modernen Glasfassaden-Wolkenkratzer mit etwa zwei Milliarden Bausumme ersetzen würden, würde der Vermögenshaushalt wachsen, obwohl wir mit dieser Investition der Stadt Augsburg sogar Schaden zufügen würden. Ich erzähle das, weil es zeigt, dass es die einfache Wahrheit, wie in der Frage beschrieben, nicht gibt. Es kommt doch sehr darauf an, wofür das Geld ausgegeben wird. Sowohl im Verwaltungs- als auch im Vermögenshaushalt. Und hier setzt die aktuelle Stadtregierung falsche Schwerpunkte.

DAZ: Wäre die Stadtregierung identisch mit der SPD-Fraktion. Welche Schwerpunkte würden Sie setzen? Was stünde an erster Stelle?

Falsche Schwerpunkte: Sanierung Staatstheater © DAZ

Freund: Die SPD und auch unsere neue Fraktion hat sich immer für eine Kostenbegrenzung beim Staatstheater eingesetzt. Wir haben uns immer für eine maßvolle Größe bei der städtischen Kommunikationsabteilung eingesetzt und wir haben immer klar betont, dass Schulen eine echte Priorität sein müssen.

DAZ: Herr Freund, bleiben Sie bitte näher bei der Frage. Wie würde sich ein SPD-Haushalt vom aktuellen deutlich unterscheiden?

Freund: Wir hätten die zusätzlichen Schlüsselzuweisungen von Anfang an ausschließlich in die Ausstattung der Schulen gesteckt. Wir hätten Bürgerhaushalte und echte Bürgerbeteiligung durchgesetzt und wir hätten beim Römermuseum mehr ausgegeben. Das ist keine abschließende Liste. Sie zeigt aber die Richtung: Zukunftsweisende Projekte für Augsburg.

DAZ: Hat die Stadt seit 2008 nicht zu viele neue Stellen geschaffen, die nun den Haushalt zu stark belasten?

Freund: In der Hauptabteilung Kommunikation der Oberbürgermeisterin auf jeden Fall. Hier würde mehr gute Politik helfen, dass es weniger Stellen braucht, um Marketing für die Stadtregierung zu machen. Aber abseits dieses Sonderfalls: Die Stadt Augsburg ist in den letzten zehn Jahren drastisch gewachsen. Im Hinblick auf die Einwohnerzahl und auch bezogen auf neue Baugebiete. Wenn eine Stadt und 30.000 oder 40.000 Menschen wächst, ergibt sich ein gewisser Personalzuwachs schon allein hieraus. Ansonsten haben wir uns als Fraktion an verschiedenen Stellen für mehr Stellen ausgesprochen, weil die Bürgerinnen und Bürger es unmittelbar merken, wenn zu wenig Personal da ist. Ich werde häufig darauf angesprochen, dass die Grünanlagen, die Grünstreifen und die Bäume mehr Pflege bräuchten. Das geht in einer wachsenden Stadt nur mit mehr Personal. Ich werde häufig darauf angesprochen, dass Genehmigungsverfahren recht lange dauern. Hier haben wir – übrigens unterstützt vom Baureferenten Gerd Merkle – immer wieder für bessere Ausstattung der betroffenen Dienststellen gestritten.

DAZ: Ich muss nachhaken: Welche strukturelle Argumente bezüglich einer Gesamtablehnung des Haushaltes 23/24 führen Sie für die soziale Fraktion ins Feld?

Im letzten Doppelhaushalt ist in Zahlen gegossen worden, dass viel verwaltet, aber so gut wie nichts gestaltet wird

Freund: Es ist ein geflügeltes Wort, dass der Haushalt in Zahlen gegossene Politik ist. Wenn ich mir die Ideenlosigkeit und Performance unserer Stadtregierung anschaue und sehe, dass viel verwaltet aber so gut wie nichts gestaltet wird, dann ist das im letzten Doppelhaushalt in Zahlen gegossen worden. Dem konnten wir nicht zustimmen. Im Übrigen ist in den letzten Haushaltsberatungen deutlich geworden, wie diese Stadtregierung tickt: Schwarz-grün ist auf uns zugekommen und hat gefragt, ob wir uns vorstellen können, dem Haushalt zuzustimmen. Verbunden war dies mit dem Angebot, dass wir einen relativ überschaubaren Betrag x im Haushalt für Zwecke verwenden dürfen, die uns so vorschweben. Wir haben dieses Angebot abgelehnt, weil es uns nicht darum geht, an der einen oder anderen Stelle noch 5.000 oder 10.000 Euro im Haushalt zu veranschlagen. Wir wollen stattdessen sicher gehen, dass die richtigen Prioritäten gesetzt werden und Projekte angeschoben.

DAZ: Die da wären?

Freund: Habe ich ja schon erwähnt, wo der Haushalt anders ausgesehen hätte. Ergänzend hätten wir mehr für die Kleingärten getan. Die Jugendarbeit gestärkt, etwa auch durch ein Jugendcafé in der alten Schule und eine deutliche Unterstützung beim Spielplatzprogramm und für die Grünflächen. Die scheibchenweise Entwicklung des Mehrgenerationenparks in Lechhausen halten wir für falsch. Mehr Planungen aus einem Guss entsprechen eher unserer Vorstellung. Wir wollten im Haushalt zum Beispiel sicherstellen, dass es über 2024 am Rudolf-Diesel-Gymnasium weitergeht. Das hätte im aktuellen Haushalt noch nicht einmal etwas gekostet, weil wir das über die Investitionsplanung machen wollten. Aber selbst dazu war Schwarz-Grün nicht bereit. So war es an verschiedenen Stellen mit wirklich wichtigen Anliegen – nicht für unsere Fraktion, sondern für die Stadt. Das war leider nicht durchzusetzen. Deshalb haben wir den Haushalt abgelehnt, auch wenn natürlich wichtige Dinge weiterhin im Haushalt stehen, ist es einfach nicht erkennbar, wie das Augsburg der Zukunft gestaltet werden soll.

DAZ: Herr Freund, aus dem Umfeld von Leo Dietz ist heraus zu hören, dass er Fraktionsvorsitzender der CSU bleiben werde, falls er den ziemlich wahrscheinlichen Einzug in den Landtag schafft. So wie es Bernd Kränzle jahrzehntelang vorgemacht hat. In der SPD geht die Tradition andersrum. Geben Sie Ihre Chefrolle in der Fraktion auf, falls sie im Herbst in den Landtag gewählt werden sollten?

Freund: Ich neige nicht dazu, über ungelegte Eier zu philosophieren. Die Fraktion wird zur Halbzeit der Ratsperiode einen neuen Fraktionsvorstand wählen und dann darüber beraten, wie wir uns personell aufstellen.

DAZ: Herr Freund, vielen Dank für das Gespräch. —————————– Fragen: Siegfried Zagler



Im Gespräch

“Kunst kann immer etwas leisten, das über die klassischen Bildungswege, Institutionen, oder generell die historische Forschung noch offen bleibt” – Interview mit Thomas Elsen

Was kann Kunst? Was ist Kunst? Und natürlich die Frage, wann fängt Kunst an, interessant und beachtenswert zu werden. Das sind Themen, die man mit Dr. Thomas Elsen in allen Schattierungen reflektieren kann. Zur Zeit findet in dem von ihm geleiteten Augsburger Zentrum für Gegenwartskunst H2 eine atemberaubende Ausstellung statt, die das Thema Zwangsarbeit während der Nazi-Diktatur bearbeitet. Grund genug für ein DAZ-Gespräch.

Thomas Elsen — Foto: © Norbert Kiening

DAZ: Herr Elsen, sie sind einer der Kuratoren der internationalen Wanderausstellung “Missing Stories”. Wie kam es dazu?

Elsen: Die Initiative und Konzeption ging direkt vom Goethe-Institut in Belgrad aus, das die vier Kolleginnen und mich einlud, diese Ausstellung zu kuratieren.

DAZ: Wie wurden die Künstler gefunden beziehungsweise ausgewählt?

Elsen: Jeder von uns sollte zwei KünstlerIinnen zur Teilnahme vorschlagen, die dann zunächst innerhalb unseres Teams vorgestellt und ausführlich diskutiert wurden. Alle mussten mit den Vorschlägen aller einverstanden sein. Erst dann wurden die Künstler selbst eingeladen, Beiträge zu liefern, und in Belgrad vorzustellen. Erst nach diesen Schritten ging es in die operative Vorbereitung, das Schreiben der Texte, Klärung technischer Umsetzung, Terminkoordination und Terminabfolge et cetera. Und all dies begleitet von der mittendrin beginnenden Pandemie, ein insgesamt über vierjähriger Prozess bis heute. Ich bin sehr froh, dass jetzt auch wir als (vor)letztes Glied in der Kette die Ausstellung nun auch im H2 in Augsburg eröffnen konnten.

DAZ: “Zwangsarbeit” ist ein grauenvoller Terminus, der heute im deutschsprachigen Raum im Kontext Kinderarbeit und Prostitution verwendet wird. Ob der Begriff heute in Deutschland als Kategorie für die Häftlinge der Nazi-Arbeitslager noch taugt, ist eine Frage, die man durchaus stellen kann.

Elsen: Der Terminus ist wohl so grauenvoll wie das, was er bezeichnet. Und genau genommen noch viel zu harmlos. Das nach wie vor Unbegreifliche am Phänomen des Nationalsozialismus ist ja auch dieses strukturierte, von langer Hand geplante, präzis ausgearbeitete Vorgehen zur Benutzung und Ermordung von Menschen. Das kommt im Zwangsarbeitssystem mit größter Perfidität zum Ausdruck. Über den Begriff und seine Implikationen aus heutiger Perspektive kann uns sollte man sicher nachdenken. Jeder Schritt zur zeitgemäßen Diskussion des Themas ist konstruktiv.

DAZ: Die Zwangsarbeiter der Nationalsozialisten in Deutschland, die zum Beispiel auch in Augsburg bei Messerschmitt arbeiteten, waren rechtlose Arbeitssklaven, die sich organisiert in den Tod schuften mussten – auch mit langen Märschen vom Lager zum Arbeitsplatz. In Deutschland ist vieles durch Gedenkstätten, Schulunterricht und durch staatliche Aufklärungsprogramme dokumentiert, thematisiert und ins kollektive Bewusstsein der Nachkriegsgenerationen eingesickert. In den Balkan-Ländern ist dies offensichtlich nicht geschehen. War das der Impuls für das Projekt?

Elsen: Auf jeden Fall wird es ein Aspekt gewesen sein. Sicher aber auch ein Merkmal der Erinnerung und Übernahme historischer Verantwortung durch Aufarbeitung, die im konkreten Fall – und das ist das Besondere – durch Beiträge zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler erfolgen sollte. Und zwar durch Künstler aus den Balkanländern – denjenigen der Opfer also –  wie auch aus Deutschland, dem Land der Täter. Dass, und wie das ineinandergegriffen hat, finde ich bemerkenswert.

DAZ: “Eine künstlerische Annäherung”, kann das funktionieren, kann die Kunst leisten, was Schule, Universität und Staat versäumt haben? Ist die individuelle Reflexion der künstlerischen Annäherung in ihrer Abstraktion nicht zu unpolitisch?

Elsen: Ich glaube, Kunst kann immer etwas leisten, das über die klassischen Bildungswege, Institutionen, oder generell die historische Forschung noch offen bleibt. Sie kann es vielleicht nicht ‚besser‘, aber sie berührt auf einer anderen Ebene. Was wir in der ‚Missing Stories‘-Ausstellung, den fehlenden Geschichten, sehen, sind ja teils sehr konkrete, persönliche Erzählungen in starken künstlerischen Bildern. Wie sehr dabei auch scheinbar Abstraktes politisch relevant sein kann und wirkt, sieht man z.B. im Beitrag ‚186 Breaths//Atemzüge‘ des Künstlerduos diSTRUKTURA aus Serbien. Hier sind 186 kleinformatige, monochrome Bleistiftpapiere als treppenartig aufsteigende Wandarbeit arrangiert. Es sind Frottagen, also mit dem Bleistift abgeriebene Oberflächenreliefs der Stufen der sogenannten Todesstiege des KZ Mauthausen, in dem auch der Großvater von Milan Bosnic, einer der Künstler, inhaftiert war. Die Häftlinge mussten schwere Granitblöcke die Stiege hochschleppen, viele schafften das nicht und verloren ihr Leben bei der barbarischen ‚Arbeit‘, andere wurden von der Lager-SS hinunter in den Tod gestoßen. Die abstrakten Tafeln für sich bilden eine formal strenge, minimalistische Komposition. Weiß man aber, wo sie entstanden sind (und das erfährt man in der Ausstellung), wird es eine hochpolitische Arbeit.

DAZ: Sie können natürlich nicht in die Köpfe der Besucher schauen. Aber vielleicht können Sie uns sagen, welche Wirkung Sie sich von der Ausstellung erhoffen.

Elsen: Missing Stories hat eine große atmosphärische Qualität. Die kann man in der Halle erleben. Es ist nicht nur eine Zusammenführung starker einzelner Werke, sondern eine Art begehbare Innenlandschaft, die man besucht. Ein Gesamtbild, das emotional wirkt, und dabei doch sehr präzise ist. Dazu gehören auch die sich überlagernden Stimmen und Klänge, die eine unheimliche Präsenz und gleichzeitig große Nähe vermitteln. Man ist als Besucher nicht allein. Man kann förmlich diejenigen durchhören, um die es geht: Die Ausstellung ist ganz klar auch eine Hommage an die unzähligen Opfer und anonym gebliebenen Schicksale. Vielleicht kann man das beim Besuch spüren, und vielleicht bewirkt das nachhaltig mehr als nur das Gefühl mitzunehmen, einmal mehr moralisch belehrt worden zu sein.

DAZ: Die Halle 116 in Kriegshaber war ein Außenlager Dachaus. Hier lebten und schliefen die Arbeitssklaven der Nationalsozialisten. Die Stadt will dort einen Ort des Erinnerns installieren und tut sich schwer damit – auch deshalb, weil es kaum Mittel dafür gibt. Würde man sich auf ein Konzept der “künstlerischen Annäherung” verständigen, wären Sie wahrscheinlich der richtige Mann für die Konzeptarbeit. Sind Sie diesbezüglich seitens der Stadt schon gefragt worden?

Elsen: Nein, aber das steht ja zunächst auch gar nicht im Vordergrund. Für eine dauerhafte Einrichtung sollte sicher zuerst die Darstellung der historischen Aufarbeitung, Dokumentation, die klare faktische Benennung und Einordnung, und natürlich eine intensive ortsbezogene Vermittlung bearbeitet werden. Dass auch künstlerische Auseinandersetzung ein Schlüssel dazu sein kann, sieht man ja in den Missing Stories ganz unmittelbar. Die Frage, welche Mittel für was zur Verfügung gestellt werden können, ist natürlich, wie in allen kulturellen Bereichen, zentral.

DAZ: Herr Elsen, vielen Dank für das Gespräch.

Fragen: Siegfried Zagler

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Dr. Thomas Elsen hat Kunstgeschichte, Philosophie und Praktische Theologie studiert. Promoviert hat er an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Elsen ist Leiter und Gründungskurator der Neuen Galerie im Höhmannhaus sowie des H2 – Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast Augsburg. Seine zahlreichen Publikationen und Ausstellungen zur regionalen wie internationalen Gegenwartskunst und Fotografie haben Spuren gelegt und die Stadt Augsburg zu einem hoch akzeptierten Standort der Gegenwartskunst entwickelt.

 



Augsburg erhält kommunale “Fachstelle Demokratie”

Die Stadtratsfraktionen von CSU/Grünen begrüßen die gestern verkündete Entscheidung der Stadt, auch in Augsburg eine kommunale “Fachstelle Demokratie” einzurichten.

Der CSU-Fraktionsvorsitzende Leo Dietz erklärt dazu: “Politischer Extremismus, Populismus, Rassismus, Nationalismus, Chauvinismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit treten zunehmend aggressiv auf und bedrohen unsere freiheitlich-demokratische Ordnung. Daher ist es eine gute
Nachricht, dass die Stadt, wie in dem von der Koalition vereinbarten ‘Zukunftsplan’ vorgesehen, eine Fachstelle einrichtet, die sich in der politischen Bildung engagiert und Bürgerinnen und Bürgern sowie der
Stadtverwaltung gleichermaßen als Ansprechpartner dient.”

Durch die neue Fachstelle und die kürzlich erfolgte Entscheidung über die Ansiedlung einer Außenstelle der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit ergäben sich ganz neue Perspektiven und mögliche Synergien,
so die beiden Fraktionen. Auch die künftige Nutzung der Halle 116 als Erinnerungsort könne von diesen erweiterten Bildungsangeboten enorm profitieren.