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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Der Oberbürgermeister im großen DAZ-Interview (3)

Seite 3: Abstimmungsdebakel bei der Messe – Wie verlässlich ist Pro Augsburg?

DAZ: Stichwort Messe. Im Juli wurde der von einer Findungskommission nominierte Gerhard Reiter im Wirtschaftsausschuss als Geschäftsführer der ASMV abgelehnt. Warum kann Wolfgang Färber aus dem Wirtschaftsreferat nicht als Interims-Geschäftsführer weitermachen?

Gribl: Bitte erwarten Sie jetzt nicht, dass ich eine persönliche Qualifizierung hierzu abgebe. Wir haben Anforderungsprofile für die künftige Entwicklung der Messe und für die Person des Messegeschäftsführers, die in einem Gutachten beschrieben sind, das der Freistaat Bayern gemeinsam mit der Stadt Augsburg beauftragt hat. Herr Färber macht seine Arbeit als Interims-Geschäftsführer gut. Ich habe daran nichts zu beanstanden. Wir verlangen in dieser Phase viel von ihm. Aber weil es für die Messe notwendig sein wird, sie nicht nur zu verwalten, sondern sie zu entwickeln, wird es notwendig sein, vom Geschäftsführer Erfahrungen im Messegeschäft und Erfahrungen mit anderen Messestandorten abzufordern.

DAZ: Was ist bei der Berufung von Herrn Reiter als Messechef eigentlich schief gelaufen? Man kann wohl nicht sagen, dass das glücklich gelaufen ist. Da müssen doch Fehler gemacht worden sein, besonders im Vorfeld der Abstimmung.

Gribl: Ich weiß nicht, ob es Fehler waren oder eher politisch motivierte Agitationen. Oder beides zusammen. Es gibt immer bestimmte Motive, warum man Entscheidungen mitträgt oder nicht mitträgt. Ich kann mir vorstellen, dass ein Motivbündel vorliegt. Dass man vielleicht ganz gerne die Chance genutzt hat, den unbestreitbaren Erfolg, einen qualifizierten Messegeschäftsführer zu bekommen, letztendlich nicht zuzugestehen.

DAZ: Von Seiten der Opposition?

Gribl: Jedenfalls von allen, die Reiter abgelehnt haben. Jeder, der den Sachverhalt vernünftig strukturiert und analysiert, muss zu dem Ergebnis kommen, dass man bei einem Messefachmann wie Herrn Reiter zugreifen muss. Das ist so. Da kann man nicht sagen, da wird es schon irgend einen anderen geben, oder man hätte bei der Auswahl gerne mitgewirkt. Das sind vorgeschobene Argumente in meinen Augen, die da heißen: „Wir sind nicht eingebunden worden, wir hätten noch Alternativen sehen wollen“, was auch immer.

DAZ: Wie sah denn das Verfahren aus?

Gribl: Wir haben Fachleute darauf angesetzt und wir haben ein dreistufiges Auswahlverfahren festgelegt. Daran waren die Rathaus-Fraktionen nicht beteiligt. Aber das ist ja auch auf der Ebene der Gesellschaft abzuwickeln. Die Stadt Augsburg hat nur Gesellschafterrechte geltend zu machen, also die Zustimmung zu erteilen oder zu versagen. Wenn wir in ein Auswahlverfahren von jeder Fraktion einen mit reinsetzen, dann brauchen wir von jeder Fraktion des Landkreises Aichach-Friedberg und von jeder Fraktion des Landkreises Augsburg auch einen dazu. Das können Sie den Menschen, die sich bewerben, nicht antun.

DAZ: Wie meinen Sie das?

Gribl: Bei uns ist es halt schlicht und einfach so, dass wenn bestimmte Kreise – da reicht oft schon ein kleinerer Kreis dazu – irgendeine Personalie erfahren, diese weitergehandelt wird. Und dann werden fünf, sechs, sieben, acht Leute hier durch die Medien gezogen. Tun Sie dies mal den Bewerbern an, die irgendwo in fester Anstellung sind. Das ist nicht tragbar.

DAZ: Aber wir sind jetzt schon ein Stück zu weit. Wir wollten eigentlich noch das Abstimmungsdesaster abarbeiten. Herr Englet und Herr Schönberg sagten im Vorfeld, sie wollten sich auf einen 5-Jahresvertrag nicht einlassen. So lange der nicht aus der Welt sei, stimmen sie nicht zu, obwohl sie Herrn Reiter als Person eigentlich gut finden würden.

Gribl: Es hätte auch keinen Grund gegeben, Herrn Reiter dem Grunde nach abzulehnen. Kein einziger hat sich geäußert, dass der Herr Reiter nicht qualifiziert sei. Man hätte über Herrn Reiter positiv entscheiden und die Verwaltung beauftragen können, nochmals über die Konditionen des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags zu verhandeln. Und dann hätte man dazu eine gesonderte Entscheidung bekommen.

DAZ: Schlagen wir den Bogen von Herrn Schönberg und Herrn Englet zu Pro Augsburg. Stichwort Kaisersee, Stichwort Ulrichschule. Wir wissen, dass vier aus dem Pro Augsburg-Lager und ein Stadtrat der CSU in der nichtöffentlichen Sitzung gegen die Verwaltungsvorlage „Infrastruktur für den Kaisersee“ gestimmt und somit Ihre Badeseeversion versenkt haben. Diese Maßnahme steht auf Ihrer 100-Punkte-Liste und müsste demnach im Koalitionsvertrag Niederschlag gefunden haben. Bei der Ulrichschule drängt sich der Eindruck auf, dass Pro Augsburg nach wie vor das Ziel verfolgt, die Ulrichschule zu verkaufen. Ein Hotel soll daraus werden. Dabei sollte in der Stadtratssondersitzung am 22. Juli darüber abgestimmt werden, dass die Ulrichschule weiterhin zu schulischen Zwecken vorgesehen ist. Die Ulrichschule als integraler Bestandteil des Holbein-Campus steht ebenfalls in ihrer 100-Punkte-Liste. Ketzerisch gefragt: Ein verlässlicher Koalitionspartner sieht aus unserer Sicht anders aus. Messe, Kaisersee, Ulrichschule. Wie bewerten Sie diese Vorgänge?

Gribl: Empfindlich ist nur die Messe. Kaisersee und Ulrichschule hingegen sind Einzelprojekte, von denen nicht direkt eine politische Linie abhängt und wo man zugestehen kann, dass es eine differenzierte Auffassung gibt. Wir sind mit den beiden Punkten aber auch noch nicht zu Ende. Was mich allerdings sehr geärgert hat, war der Verlauf bei der Messe. Rückschlüsse auf die Verlässlichkeit würde ich dennoch nicht ziehen. Schauen wir uns doch die politischen Verläufe der letzten zwölf Jahre mal an. Da haben Sie zwei unterschiedliche Regierungsperioden und es ist immer schon vorgekommen, dass es bei Singularentscheidungen Abweichungen gegeben hat. Schauen Sie einfach nach. Ich wünsche mir das natürlich nicht so, möchte das aber nicht hysterisieren. Wie gesagt, die beiden Dinge halte ich nicht für tragisch, zumal zur Ulrichschule noch keine Aussage da ist. Was den Kaisersee betrifft, muss man natürlich berücksichtigen, dass die Verwaltungsvorlage sehr ehrgeizig war: Totalausbau des Sees mit Naherholungsflächen und so weiter. Ich habe deshalb auch keinen Leidensdruck wegen des Punkteprogramms. Denn im Punkteprogramm steht, dass die Zustände – keine Toiletten, keine Parkplätze – untragbar sind. Die untragbaren Zustände wären zwar mit erledigt worden, aber das ist dennoch etwas anderes. Bei der Ulrichschule ist im Grunde genommen die Beschlusslage da, das Thema in den kombinierten Ausschuss zu geben, wenn ich es in der Diktion richtig in Erinnerung habe.

DAZ: Bildungsausschuss und Liegenschaftsausschuss …

Gribl: … um die Fragen dort nochmals zu diskutieren. Das ist für mich okay.

DAZ: Das ist für Sie okay?

Gribl: Ja.

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