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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

„Das ist inakzeptabel und befremdlich“

Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl äußert sich in der DAZ zur aggressiv-nationalistischen Demonstration nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei auf dem Augsburger Rathausplatz. – Integrationsreferent Reiner Erben habe schon Gespräche geführt, auch mit dem DITIB und deren Vorsitzenden, sei aber nicht auf Einsicht gestoßen. „Da muss nachgearbeitet werden“, so Kurt Gribl, der im Rahmen eines DAZ-Themeninterviews zur Theatersanierung ein Statement zur Pro-Erdogan-Demonstration auf dem Rathausplatz abgab.

Oberbürgermeister Kurt Gribl

OB Kurt Gribl: "Die öffentlichen Plätze unserer Stadt sind nicht dazu da, politische Auseinandersetzungen zu führen, die in die Türkei, und nur in die Türkei gehören."


DAZ: Herr Gribl, eine gute Woche ist vergangen seit dem Putschversuch, der die Türkei dramatisch zu verändern scheint. In Deutschland lebende Türken erhalten elektronische Post mit der Aufforderung für Erdogan und „seine“  Türkei zu demonstrieren. Zahlreiche SMS-Botschaften dieser Art wurden auch in Augsburg verschickt. Die Kommentierungen seitens der zuständigen Stellen der Bundesrepublik sind angesichts der gravierenden Menschenrechtsverletzungen in der Türkei relativ zurückhaltend. Wie bewerten Sie anhand der zugänglichen Informationen, die Entwicklungen in der Türkei und welche Möglichkeiten sehen Sie für unsere Stadt, einer aggressiven Pro-Erdogan-Stimmung innerhalb der türkischen Community in Augsburg entgegen zu wirken?

Gribl: Zunächst kann ich die Zahlen Ihrer Recherche nicht bestätigen. Ich halte es aber auch nicht für ausgeschlossen, dass es solche SMS-Botschaften gab oder gibt. Als Oberbürgermeister kann und muss ich in erster Linie an die Vernunft der Menschen appellieren, in diesem Fall der türkischsstämmigen Community in Augsburg, immerhin 23.000 Menschen. Meine Botschaft: die öffentlichen Plätze unserer Stadt sind nicht dazu da, politische Auseinandersetzungen zu führen, die in die Türkei, und nur in die Türkei gehören. Alles andere ist übergriffig und für die Augsburger Bevölkerung  – dazu zähle ich natürlich auch viele Menschen migrantischen Hintergrunds – nicht verständlich. Ich kann und will ein solches Verhalten nicht tolerieren. Wenn man sich politisch engagieren will und Erdogan unterstützen will, dann kann man das dort tun, wo Erdogan wirkt. Aber nicht hier von Deutschland und von Augsburg aus. Das akzeptiere ich nicht.

DAZ: Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hält es für wahrscheinlich, dass der Anschlag  in Ansbach eine Tat eines islamistischen Selbstmordattentäters war. In Würzburg muss man ebenfalls davon ausgehen, dass es sich um einen Täter mit IS-Hintergrund handelte. Der Terror vor unserer Haustür verändert unsere Wahrnehmung, verstärkt unsere Ängste. Was kann die Stadt tun, damit die  friedliche moslemische Community in Augsburg nicht unter den Anschlägen der IS-Terroristen zu leiden haben?

Gribl: Wir müssen unsere Wahrnehmung starker sensibilisieren, ohne dabei in Angststarre oder gar Panik zu verfallen. Wir sollten aber auch den Sicherheitskräften, insbesondere unserer Polizei, vertrauen, die hervorragende Arbeit macht. Stadt und Sicherheitsbehörden müssen eng zusammen arbeiten und den Schutz der Bevölkerung weiterhin und unter Berücksichtigung aktueller Gefahrenszenarien in den Fokus ihrer Bemühungen rücken. Ich will zum Beispiel nicht ausschließen, dass es in der Zukunft zu engmaschigeren Sicherheitsvorkehrungen, zum Beispiel bei Massenveranstaltungen wie dem Plärrer, kommen wird. All das müssen wir in Betracht ziehen. Es muss aber dabei klar sein: 100%igen Schutz gibt es nicht.

DAZ: In Augsburg gibt es nach meiner Recherche zirka zwanzig bis dreißig türkische Faschisten und Hetzer, die auch vor Menschenrechtsverletzungen und kriminellen Taten nicht Halt machen. Die Grauzone bezüglich der Wirkung dieser kleinen Gruppe hinein in die türkische Community ist schwer zu bestimmen und noch viel schwerer zu kontrollieren. Wie ließe sich das ändern?

Gribl: Die Wahrnehmung des Demonstrationsrechtes ist okay. Aber es ist nicht in Ordnung, wenn Imame auf türkisch in aufgeheizter Stimmung Parolen und Botschaften von sich geben, die von uns nicht verstanden werden. Das tut man einfach nicht. Das ist inakzeptabel und befremdlich. Wir werden hier Gespräche führen müssen. Der Umwelt- und Integrationsreferent Reiner Erben hat in Abstimmung mit mir schon Gespräche geführt, auch mit dem DITIB und deren Vorsitzenden. Er ist aber nicht auf Einsicht gestoßen, da muss nachgearbeitet werden. Auch ich werde das Gespräch dort einfordern und werde mich diesbezüglich klar verhalten. Zum anderen muss man aber auch klar machen, dass nicht alle türkischen Mitbürger in diese Schulbade gesteckt werden dürfen.

DAZ: Herr Gribl, vielen Dank für das Gespräch.

————– —Fragen: Siegfried Zagler