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Samstag, 20.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Städtebau: Das Prinz-Karl-Viertel wächst

Aus dem bisher unrenovierten Kasernengebäude könnte ein Schmuckstück werden



Von Frank Heindl

Es tut sich viel auf den Konversionsflächen der Stadt Augsburg, und nicht nur dort – allerorten herrscht Bauboom und nicht immer sieht das, was die Bauträger hinstellen, so aus, wie es sich Stadtplaner wünschen. Für die Weiterentwicklung des Prinz-Karl-Viertel ist in einem anonymen Verfahren das Architekturbüro Rehberger ausgewählt worden – das macht Hoffnung auf ästhetisch vertretbare Lösungen.

Noch wild umwuchert, bald renoviert: Das Kasernengebäude von 1884 im Prinz-Karl-Viertel.

Noch wild umwuchert, bald renoviert: Das Kasernengebäude von 1884 im Prinz-Karl-Viertel.


Wer durchs viel gepriesene Textilviertel geht, kann sich nicht nur freuen. Klotzförmige Massenunterkünfte entstehen dort ebenso wie hochwertigere Gebäudezüge. Die alten Kanäle geben dem  neuen Viertel Struktur, sind aber an vielen Stellen auf zwischen Betondecken zu Tage tretende Alibi-Elemente reduziert. An die architektonische Katastrophe auf dem Gelände der ehemaligen Hasenbrauerei wird man sich nie gewöhnen, aber man hat sich irgendwie damit abgefunden. Das Neubaugebiet entlang der Bahnlinie östlich des Hauptbahnhofs ist an Einfallslosigkeit kaum zu überbieten, aber auch Schuhkarton an Schuhkarton verkauft sich offensichtlich mittlerweile gut. Und vom grauenhaften 08/15-Elend jenseits der so genannten „Schleifenstrasse“ mag man gar nicht erst reden. Kurz gesagt: Augsburg verändert sich drastisch, schnell und ungebremst, ohne ästhetische Ansprüche oder gar Normen. Was mit den Menschen passiert, die in solchen Städten irgendwie „untergebracht“ werden und doch leben müssen, was Architektur mit Wohlfühlen und Wertschätzung zu tun hat, das darf mal wieder nur Philosophen interessieren – der schnelle Euro wird vielerorts nachhaltiger Planung bedingungslos vorgezogen.

Prinz-Karl-Kaserne: 1884 erbaut – und nun mit neuer, funktionaler Bedeutung

Man durfte also gespannt und gleichzeitig skeptisch sein, wie es mit dem Prinz-Karl-Viertel weitergehen würde. Hier ist  in den vergangenen 15 Jahren eine große Wohnanlage rund um den kleinen, im Besitz der Stadt befindlichen Park entstanden. Einen Teil davon hat das Architekturbüro Rehberger geplant, einen anderen, leicht erkennbar, ein Konkurrent mit deutlich geringeren Ambitionen. Ein kleiner Teil des Areals ist bisher unbebaut – und unrenoviert geblieben ist auch das Kopfgebäude der 1884 erbauten Prinz-Karl-Kaserne. Das langgestreckten Gebäude ist ein stummer Spiegel der europäischen Geschichte: Es wurde von drei verschiedenen Armeen verschiedener Gesellschaftssysteme genutzt. Gebaut wurde es von der Bayerischen Armee (Monarchie). Dann wurde es von der Reichswehr und der Wehrmacht benutzt (Diktatur). Nach dem Zweiten Weltkrieg zog die US-Army ein und Ende der 1960er-Jahre die Bundeswehr (Demokratie). – Das Gelände wurde zur Konversionsfläche und bot Platz, das nach der Kaserne benannte Prinz-Karl-Viertel auf dem ehemaligen Kasernengelände zu errichten. Von der ehemaligen Kaserne stehen noch denkmalgeschützte Reste der roten Klinkerziegelbauten in der Von-der-Tann-Straße und in der Schertlinstraße, wo bis zum Abzug der Bundeswehr das Kreiswehrersatzamt residierte –vielen Wehrdienstverweigerern ist es als Sitz des „Gewissensprüfungs-Ausschusses“ in Erinnerung geblieben. Am anderen Ende des Areals liegt nahezu spiegelbildlich ein Gebäude, das Rehberger bereits vor vielen Jahren renoviert hat. Das heutige Aussehen des nun „Prinz-Karl-Palais“ genannten Gebäudes mit Geschäften, Büros und einem Restaurant gibt Anlass zur Hoffnung, dass auch die andere Seite ein Schmuckstück und fürs Stadtbild wie für die angrenzende Stadtviertel von funktionaler Bedeutung sein könnte.

Der Blick nach Süden in den kleinen Park und auf das bereits renovierte Prinz-Karl-Palais  (Fotos: Frank Heindl).

Der Blick nach Süden in den kleinen Park und auf das bereits renovierte Prinz-Karl-Palais (Fotos: Frank Heindl).


Alexandra Christ, beim Stadtbauamt zuständig für die Bebauung der Konversionsflächen und in enger Verbindung auch mit den zuständigen Denkmalschutzbehörden, bestätigt diese Hoffnungen. Rehberger merkt an, die Stadt habe ihm die Planungen „nicht einfach“ gemacht, und Christ gibt zu, man habe um viele Details bis hin zu Baumbestand und Fensterknäufen gerungen. Doch Rehberger hat an der Mitsprache der Stadt nichts auszusetzen – er stellt sich als Verfechter nachhaltiger Baukultur dar, kennt die Geschichte des Areals gut, beherbergt in seinem Büro große Kartons voll alter Fotos aus den Frühzeiten des Kasernengeländes. So ist Alexandra Christs Hoffnung auf einen städtebaulich wirkungsvollen und gelungenen Eckpunkt verständlich: Das große Gebäude, es soll „Bismarck-Palais“ heißen, bildet schließlich das Ende der wichtigen Ost-West-Achse der Innenstadt, die am Theater beginnt – früher zogen Pferde die Tram bis hierher – da war das Bismarckviertel noch Stadtrand.

Die Innenstadt-Verdichtung schreitet fort

Rehberger steckt schon mitten in der Feinplanung, einige Mieter fürs große Gebäude stehen bereits fest, die Tiefgarage wird knapp 200 Stellplätze bieten, mehr als die neuen Bewohner brauchen werden und auch als Entlastung für das Bismarckviertel gedacht. Als weitere Mieter stellt der Architekt und zukünftige Besitzer des Gebäudes sich einen Nahversorger, ein Restaurant und weitere Geschäfte vor, darüber sollen Büros und im obersten Stockwerk Wohnungen entstehen. Als Wermutstropfen mag es Rehberger nicht bezeichnen, dass die Stadt ihm auf dieser Seite – im Gegensatz zum Spiegelbild Prinz-Karl-Palais – kein Draufsatteln gestattet hat: Er darf entkernen, neu aufteilen und gestalten, aber einen gläsernen Aufsatz wie auf der anderen Seite wird es auf der nördlichen Seite nicht geben. Dafür wird das Gebäude in östlicher Richtung, hin zur mittlerweile aufgelassenen JVA, mit einem zusätzlichen Flügel erweitert.

In zwei bis zweieinhalb Jahren wollen Rehberger und sein Partner, der Königsbrunner Bauunternehmer Dumberger, das Projekt vollendet haben. Die Stadtplaner werden dann vor neuen Aufgaben stehen: Schon in den vergangenen Jahren hat der Verkehr in den umliegenden Straßenzügen deutlich zugenommen, ist die Schertlinstraße als Verbindung zwischen Göggingen und Schleifenstraße zur Durchgangsstraße geworden, kann die Polizei hier mit sporadischen Kontrollen Tempo 30 nicht ansatzweise durchsetzen. Die Anwohner dürfen sich also auf gelungene Architektur freuen, die langfristigen Folgen zunehmender – und gewünschter – Innenstadtverdichtung werden ihnen aber noch zu schaffen machen. Und wenn irgendwann die Verhandlungen mit Freistaat und Hochschule über die Verwendung und Bebauung des ehemaligen JVA-Geländes weiter östlich abgeschlossen sind, wird die Entwicklung noch weiter Fahrt aufnehmen.