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Donnerstag, 18.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Der FCA ist ein Depp

„Hier von Lissabon aus empfinde ich Augsburg noch elementarer scheußlich als in meinem neuen Theaterstück. Mein Mitgefühl mit den Augsburgern und allen in Europa, die sich als Augsburger verstehen, ist ungeheuer grenzenlos und absolut.“ (Thomas Bernhard)

Von Siegfried Zagler

Thomas Bernhard war nicht nur ein begnadeter Literat, sondern auch ein hochbegabter Marketingexperte. Ein Andy Warhol der Literatur sozusagen, der mit sarkastischer Provokation den Zorn von Regionen oder Provinzstädten auf sich zog, um für seinen literarischen Vernichtungsfeldzug gegen die Phänomene der Gemütlichkeit konkrete Adressaten auszumachen. Bernhard war im Grunde ein freundlicher und humorvoller Mensch, der seinen unergründlichen Selbsthass auf harmlose Vertretungsopfer übertrug, die in ihrer Hilflosigkeit genau jene Medienaufmerksamkeit generierten, die Bernhard suchte.

Was das mit dem FCA zu tun hat? Nichts! Wenn man mal davon absieht, dass dem FCA eine Art Thomas Bernhard in der Berichterstattung und in der Reflexion fehlt. Denn soviel Sympathie und Gemütlichkeit wie sich in der „Fuggerstadt“ über den FCA stülpt, wäre im Grunde ein Fall für Thomas Bernhard, der mit seinem Stück „Macht der Gewohnheit“ die „stinkende Lechkloake“ als Menschenfalle für Feingeister zeichnete.

Wenn der 1.FC Nürnberg schlecht spielt, zeigen sich dessen Fans selbstironisch („Nicht denken, schießen!”) oder sarkastisch: „Der Club ist ein Depp.“ In Augsburg fehlt nach dem kometenhaften Comeback in die Sphären der Erstklassigkeit dafür die Tradition. Nach drei schlechten Spielen folgte gestern gegen Ingolstadt ein Grottenspiel und ein eher zurückhaltendes Genörgel der lokalen Presse. Dabei steht nach der gestrigen Partie fest, dass sich der FCA in einer handfesten Krise befindet.

Die Gründe dieser Krise  zeichneten sich bereits früh in der vergangenen Rückrunde ab, in der der FCA viel Glück hatte. Hat sich Stefan Reuter vom 5. Platz und einer Rückrunde blenden lassen, die ohne die Siege gegen die Bundesligagrößen (Bayern, Gladbach) mit 16 Punkten auf dem Bilanzniveau eines Absteigers stattgefunden hätte? Auf Bayern und Gladbach traf der FCA, als diese Vereine sich in einer besonderen Situation befanden. Oder hat er einfach so lange mit Chelsea verhandelt, bis der Kicker-Markt leergefegt war? Geht es dem FCA nun wie seinerzeit den DDR-Bürgern, die zwar Geld hatten, aber nichts zum Kaufen?

Zurecht hochgelobt: Markus Weinzierl und Stefan Reuter (v.l.). Doch ausgerechnet im 5. Jahr, in dem der FCA erstmalig einen mittlerern Etat zur Verfügung hätte, sinkt die Leistungsfähigkeit der Mannschaft.

Hochgelobt: Das Augsburger Erfolgsduo Markus Weinzierl und Stefan Reuter (v.l.). Doch ausgerechnet im 5. Jahr, in dem der FCA erstmalig einen mittlerern Etat zur Verfügung hätte, entwickelt sich die Leistungsfähigkeit der Mannschaft zurück. Foto: Siegfried Kerpf

Obwohl der FCA mit reichlich Fernsehgeldern und einem einzigartigen Londoner Geldregen für einen mittelmäßigen jungen Linksverteidiger beschenkt wurde, tritt er, sportlich geschwächt durch die Abgänge von Hojbjerg und Baba, mit einer Mannschaft bestenfalls in kleinen Schritten den Weg nach unten an. Der FCA ist durch vier großartige Bundesligasaisons ein Verein geworden, dessen Leistungsträger sich jenseits der 30er-Grenze befinden (Baier, Altintop, Werner, Feulner) und deren jungen Garde noch die konstante Klasse für die Liga fehlt (Caiuby, Kohr, Max). Und schließlich muss noch darauf hingewiesen werden, dass die Mittelstürmer beim FCA entweder verletzt sind (Parker) oder von ihnen eine Gefährlichkeit ausgeht, die vielleicht die Hintermannschaft des TSV Pfersee in Verlegenheit bringt, aber in der Bundesliga von jeder Abwehrreihe als warmes Windchen begriffen wird. (Mölders Matavz, Ji). Zwei hochbegabte Mittelfeldspieler der Augsburger leiden unter Verletzungsanfälligkeit und befinden sich als Dauersorgenkinder oft in der Reha (Trochowsky, Moravek). Auch die ewige Versprechung, nämlich Alexander Esswein, zeigte bisher zu wenig von seinem Talent.

Vierzehn FCA-Spieler, vierzehn Probleme.

Konstant spielten in der Vergangenheit nur Klavan und Hong und mit einigen Abstrichen Callsen-Bracker. Die Innenverteidigung und der rechte Außenverteidiger (Verhaegh) sowie der Torhüter (Hitz) und der Hitzkopf Bobadilla zählten zu den Spielern, deren Form mit einer zuverlässigen konstanten Linie darzustellen war. Klavan zeigte in den vergangenen Spielen unerwartete Schwächen, sodass selbst das die Abwehr der Augsburger, also ihr Prunkstück, zuletzt ins Wackeln geriet.

Die sportliche Leitung der Augsburger ist bisher nicht dadurch aufgefallen, dass sie sich Panikattacken mit Schnellschüssen vom Leib halten will. So soll es auch bleiben. Andererseits ist es so, dass es Blinde sehen, dass der FCA mit dieser Mannschaft weder in der Bundesliga noch in der Europa League etwas verloren hat. Spielerisch zu schwach und kämpferisch zu schwach geworden, um wie gehabt über den Kampf zum Spiel zu finden. Der FCA hat ein Kreativitätsproblem, weil die mentale Einstellung nicht mehr stimmt. So das DAZ-Fazit zu Beginn der Saison, die, sollten sich im Kader die Formkurven nicht gravierend nach oben bewegen und nicht noch kurz vor Torschluss zwei Topspieler dazu stoßen, für den FCA nur eine Richtung anbietet: nach unten.