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Dienstag, 23.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Würde Florenz so auf die Medici verweisen?

Helmut Gier über die Defizite der Stadt Augsburg bezüglich der Pflege ihres historischen Erbes anhand der musealen Kulisse in Sachen Fugger und Welser

Museen können heute kulturelle und historische Leuchttürme sein, die Menschen begeistern, weil sich die Welt zunehmend in Uniformität verliert. Augsburg hat nun „seinen“ Fuggern und Welsern Erlebnisräume eingerichtet, die nur einen äußerst bescheidenen Blick auf die wirtschaftliche und politische Macht der beiden Augsburger Handelshäuser gewähren, die einst Weltgeschichte geschrieben haben. Vom Prunk und vom Glanz, den die beiden Geschlechter lebten, ist gar nichts zu sehen.

Von Dr. Helmut Gier

Begibt sich der fremde Gast dann auf die Spuren der Fugger in der einstigen Reichsstadt am Lech, wird er unweigerlich fast immer und oft zuerst in der „Fuggerei“ landen. Neben dem Rathaus und der Maximilianstraße mit ihren Prachtbrunnen ist diese nach den Fuggern benannte kleine Stadt in der Stadt als karitative Stiftung die populärste Sehenswürdigkeit in Augsburg. Ob ihr Besuch aber hinreicht, eine zutreffende Vorstellung von dem Reichtum, dem Einfluss und dem Glanz der großen Kaufmanns- und Bankiersfamilie und erst recht von dem damals wichtigsten Handelszentrum Mitteleuropas zu vermitteln, ist zu bezweifeln.

Die älteste Sozialsiedlung der Welt ist zweifellos ein eindrucksvolles Zeugnis vom Goldenen Zeitalter Augsburgs und überragt in seiner Einzigartigkeit wohltätige Unternehmungen späterer Zeiten. Aber ein wenig verhält es sich mit ihrer Schlüsselstellung doch so, als würden für die Bedeutung der Drucker-, Verleger und Medienstadt Augsburg nur die Haindl’schen Stiftungshäuser oder die Kartei der Not stehen. Dieses Gefühl des Ungenügens an der Präsenz der wirtschaftlichen Blütezeit der großen Handelsgesellschaften als der wichtigsten Epoche in der Augsburger Geschichte bewegte die für die Außendarstellung der Stadt und den Tourismus Verantwortlichen schon seit längerer Zeit, zumal sich die Situation mit den Zerstörungen der alten Firmenzentralen der Fugger und Welser in der Anna- und Karolinenstraße im Zweiten Weltkrieg und den Veränderungen der Museums- und Archivlandschaft in seinem Gefolge entschieden verschlechtert hatte.

Zu dem “Gefühl des Ungenügens”, das die Fuggerei auslöst, gesellt sich ein “Erlebnismuseum”

Fugger und Welser Erlebnismuseum Foto: Rudolf Morbitzer

Fugger und Welser Erlebnismuseum Foto: Rudolf Morbitzer

Als sich die Chance bot, einen um 1530, also auf dem Scheitelpunkt des Goldenen Zeitalters entstandenen Renaissancebau im Domviertel für museale Zwecke der Darstellung dieser Epoche zu nutzen, ergriff diese deshalb der Tourismusdirektor der Regio Augsburg Götz Beck und trieb die Planungen für ein Fugger Welser Erlebismuseum voran. Wie so häufig lassen die Fragen nach der adäquaten Nutzung eines bedeutenden Baudenkmals Museumspläne reifen und Wirklichkeit werden. Das im Lauf der Zeit heruntergekommene, bis 2002 als einfaches Mietshaus bewohnte Gebäude, dessen Arkaden schon im 17. Jahrhundert zugemauert worden waren, erstrahlt nach der Sanierung durch das Architekturbüro Schrammel wieder in seinem ursprünglichen Glanz der florentinischen Renaissance. Eigentümer des Hauses ist der Katholische Studienfonds, sodass vor allem dem früheren Leiter des Städtischen Stiftungsamtes Gerd Mordstein das Verdienst zukommt, es vor dem Verfall gerettet und aus verschiedenen Zuschuss- und Fördertöpfen die nötigen 3,2 Millionen Euro für die Bau- und Sanierungsarbeiten aufgetrieben zu haben. Für die Inneneinrichtung und Ausstattung waren dann noch 600.000 Euro erforderlich. Das am Rande des Domviertels unweit der Stadtmauer gelegene Gebäude wurde als Gartenhaus der Familie Welser oder wahrscheinlich eher der Jenisch errichtet. Der große Garten, der im ausgehenden 16. Jahrhundert dem bekannten Stadtpfleger und Gelehrten Marcus Welser gehörte und heute als Klostergarten der Benediktinerabtei St. Stephan genutzt wird, blieb erhalten. Der sonst hinter hohen Mauern verborgene Garten und das Gartenhaus bilden damit wieder eine erlebbare Einheit, die zu den Vorzügen des neuen Museums gehört. Der Blick aus den verglasten Arkaden im ersten und zweiten Stock auf das Gelände und die umgebende Stadt und der Kräutergarten mit exotischen Pflanzen lohnen den Besuch des Hauses. Im Jahre 1637 gelangte dieses in den Besitz des Augsburger Optikers und führenden europäischen Fernrohrbauers seiner Zeit, Johann Wiesel, weshalb es später den Namen Wieselhaus bekam.

Bis auf den letzten Platz gefüllt war der große Saal im Fugger und Welser Erlebnismuseum, als Tourismusdirektor Götz Beck zum ersten Vortrag des Jakob-Fugger-Zentrums der Universität Augsburg die Uni-Präsidentin Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel sowie rund 40 Besucher begrüßen konnte. (Foto: Martin Kluger)

Bis auf den letzten Platz gefüllt war der große Saal im Fugger und Welser Erlebnismuseum, als Tourismusdirektor Götz Beck zum ersten Vortrag des Jakob-Fugger-Zentrums der Universität Augsburg die Uni-Präsidentin Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel sowie rund 40 Besucher begrüßen konnte. (Foto: Martin Kluger)

Im Flur des ersten Stocks wird daher an diesen zu seiner Zeit hochgeschätzten Instrumentenmacher erinnert. Mit den Fuggern hat das Haus also unmittelbar gar nichts zu tun, was dem angestrebten Ziel des neuen Museums, die große Zeit Augsburgs als reichste Stadt im Herrschaftsgebiet Kaiser Karls V. lebendig werden zu lassen, nicht abträglich sein muss. Die Wirtschafts und Finanzmetropole am Lech verdankte ihre Bedeutung einer ganzen Reihe von Handelsgesellschaften, auch wenn die großen Namen der Fugger und Welser das Wahrzeichen dieser Zeit sind. Doch schon die Erinnerung an die Welser trat nach der vollständigen Zerstörung ihres Hauses und ihrer Firmenzentrale an der Ecke Karolinenstraße und Karlsstraße – nicht einmal eine Gedenktafel erinnert an dem Neubau an dieser Stelle daran – stark zurück, sodass die Stadt der Fugger und Welser immer einseitiger zur Fuggerstadt wurde. Ein erklärtes Ziel des neuen Museums bestand deshalb darin, durch die gleichgewichtige Behandlung des anderen bedeutenden und berühmten Augsburger Handelshauses die Darstellung dieser Epoche nicht ganz auf die Fugger zu verengen. Schon im Vorfeld regte die Regio deshalb die Entstehung eines gemeinsamen Werks über die beiden Familien an, das sehr lesenswerte Buch von Regina Dauser und Magnus Ulrich Ferber „Die Fugger und Welser“, das 2010 in Augsburg herauskam. Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den großen Handelshäusern lassen sich an diesen beiden berühmten Familien idealtypisch verdeutlichen und herausarbeiten. Denn während die Welser zu den alten führenden Augsburger Geschlechtern gehören und ein Welser schon 1311, also 56 Jahre bevor die Fugger überhaupt aus Graben nach Augsburg kamen, zum Bürgermeister gewählt wurde, wurden die Fugger erst 1538 ins Patriziat aufgenommen, nachdem sie schon in den Adel aufgestiegen waren. Der wirtschaftliche Aufstieg begann übereinstimmend bei beiden Familien mit dem Baumwoll- und Barchent-Handel (einem Mischgewerbe aus Baumwolle und Leinen), an die Spitze der Augsburger Handelsherren gelangten sie zur selben Zeit am Ende des 15. Jahrhunderts.

Die Aura der des Orginals fehlt Übergabe des Pommerschen Kunstschranks von Philipp Hainhofer an Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin, Augsburg, Anton Mozart, um 1615, Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum (Foto: Saturia Linke)

Die Aura der des Orginals fehlt… (Foto: Saturia Linke)

Beim Aufbringen der Gelder für die Wahl Kaiser Karls V. 1519 als Höhepunkt Augsburger Wirtschaftsmacht wirkten sie dann zusammen, zu einer ehelichen Verbindung zwischen beiden Familien kam es aber nie. Während die Fugger große ländliche Herrschaften wie Kirchberg und Babenhausen im östlichen Schwaben erwarben, blieb der Grundbesitz der Welser beschränkt und nicht von langer Dauer, was neben den vielen Stiftungen mit ein Grund dafür ist, dass die Fugger im kollektiven Gedächtnis der Region sehr viel präsenter geblieben sind. Eine Tourismusgesellschaft verfügt nicht über Sammlungen von Kulturgut aus früheren Jahrhunderten, sodass bei der Planung und Einrichtung des neuen Museums zum Thema Fugger und Welser von vornherein auf die Präsentation wertvoller Originale verzichtet wurde und auch keine Anstrengungen unternommen wurden, solche zu bekommen. Ausstellungsobjekte aus dieser Zeit, die zu den Glanzstücken der großen Museen, Bibliotheken und Archive gehören, als Dauerleihgaben zu erbitten, wäre auch ein aussichtsloses Unterfangen gewesen. So machten die Betreiber aus der Not eine Tugend und schufen ein Fugger-und Welser-Erlebnismuseum, wie das Museum offiziell heißt, also ein interaktiv gestaltetes, weithin virtuelles Museum, das mit Reproduktionen, Projektionen, Filmen, audiovisuellen und multimedialen Einspielungen sowie zur grundlegenden historischen Information mit Texten und Bildern auf Leuchtkästen die Geschichte der beiden Familien, ihre unternehmerischen Leistungen und ihr kulturelles Wirken vor Augen führt, verlebendigt und zum Teil spielerisch erfahrbar macht. Wer wertvolle originale Exponate in dem Museum sucht, wird enttäuscht werden. Wer sich auf die Ausstellung in ihrer weithin virtuellen Form einlässt, wird aber viele Einblicke in die große Zeit Augsburgs als Handels- und Finanzzentrum erhalten.

...und die Darstellung der Lebenswirklichkeit wirkt "etwas bemüht"

…und die Darstellung der Lebenswirklichkeit wirkt “etwas bemüht” (Foto: Martin Kluger)

Die Frage an ein solches Museum kann daher zunächst nur lauten, ob es den Ausstellungsmachern gelingt, mit den Mitteln der modernen Technik und ihren Texten ein fesselndes und zugleich historisch stimmiges abgerundetes Bild dieser Epoche der Augsburger Geschichte zu vermitteln, die richtigen Schwerpunkte zu setzen, Verständnis für den Aufstieg und den Niedergang, den Reichtum, den Einfluss und den Glanz der beiden berühmten Handelshäuser zu wecken. Wird der Anspruch eingelöst, das wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Leben in der goldenen Zeit vor Augen zu führen, ohne den Betrachter zu ermüden und die Gefahr des an die Wand gehängten und begehbaren Buches zu vermeiden? Letztlich kann diese Frage nur jeder Besucher für sich selbst beantworten, und viele Besucher aus dem Raum Augsburg, vor allem auch Schüler, sind dem Museum jedenfalls zu wünschen, ihr Geschichtshorizont und ihr Wissen über die Heimatregion werden enorm erweitert werden. Ob sich der weitgereiste Städtetourist mit viel moderner, aber wiederum auch nicht so spektakulärer Technik über die abwesende Aura des Originals hinwegtrösten lässt, wird die Erfahrung zeigen. Ihren überragenden Reichtum und damit ihren Einfluss verdanken die großen Augsburger Handelshäuser der Fugger und Welser der Verbindung, der Mischung des traditionellen Warenfernhandels mit Baumwolle, Tuchen und Gewürzen, des Metallhandels und der Finanzgeschäfte, den Beteiligungen an der Ausbeute des Kupfer- und Silberbergbaus und den dadurch gedeckten Darlehen an europäische Herrscher, vor allem die Habsburger. Die Schwerpunkte setzten die einzelnen Firmen durchaus unterschiedlich, so engagierten sich die Fugger stärker im Montanwesen, die Welser mehr im Überseehandel.

“Man stelle sich vor, in Florenz würde für die Medici auf ein ähnliches Erlebnismuseum verwiesen”

Die vielfältigen Voraussetzungen, Bedingungen, Tätigkeitsfelder und Begleitumstände dieser unternehmerischen Erfolgsgeschichten werden auf den verschiedenen Ebenen des Erlebnismuseums behandelt. In den Räumen des Erdgeschosses werden das Wirtschaftszentrum Augsburg und die große Bedeutung des Italienhandels für ihren Aufstieg vorgestellt. Letztere spiegelt sich in den engen Beziehungen zur Handelsmetropole Venedig, für die bildlich Reproduktionen des Fondaco dei Tedeschi, das Haus der deutschen Kaufleute, in dem die Fugger und Welser bis ins 17. Jahrhundert vertreten waren, und der leider gegenüber den Originalen stark verkleinerten venezianischen und nach ihrem Vorbild geschaffenen Augsburger Stadtpläne aus dem späten 15. und frühen 16. Jahrhundert stehen. Anschließend kann der Besucher auf einem Touchscreen spielerisch die Seehandelsrouten nach Indien und Südamerika erkunden und in einer Vitrine ein nachgebautes Modell eines der drei Schiffe des deutsch-italienischen Konsortiums, zu dem die Welser wesentlich mehr als die Fugger beitrugen, bei der Handelsreise nach Indien in den Jahren 1505 und 1506 zusammen mit einer Filmeinspielung bewundern. Über die Informationen zum Fern- und Überseehandel hinaus wird durch interaktive Computertechnik erlebbar, wie gefährlich Seereisen für die Besatzungen waren. Die große Umwälzung durch die Entdeckung Amerikas sowie des Seewegs nach Indien und die damit beginnenden Globalisierung beim gleichzeitigen Bedeutungsverlust des venezianischen Zwischenhandels wird zudem durch Nachdrucke der ersten Berichte in Text und Bild von den „new gefunden menschen“ verdeutlicht. Der eindrucksvolle Gewölbekeller ist ganz der Montanwirtschaft, dem Metallhandel und dem Bergbau selbst, in den vor allem die Fugger auch als Unternehmer vordrangen, gewidmet. Technische Verfahren, Innovationen und die Arbeitswelt im Bergbau werden durch Werkzeuge; Installationen und viele Filme eindringlich veranschaulicht.

“Der Streit um den richtigen Umgang Kinderarbeit und Sklaveneinsatz scheint einer der Gründe gewesen zu sein, warum es wenige Monate vor der Eröffnung Auseinandersetzungen gab”

Etwas bemüht wirkt hier wie an zahlreichen anderen Stellen der gutgemeinte Versuch, die Lebenswirklichkeit des 16. Jahrhunderts kritisch zu beleuchten. Dass die Alltagsrealität der einfachen Leute, der Bergarbeiter, Seeleute und Weber, von der Kinderarbeit ganz zu schweigen, nicht heutigen rechts-, sozial- und wohlfahrtsstaatlichen Maßstäben entspricht und entsprechen kann, erschließt sich unmittelbar und muss nicht immer wieder eigens herausgestellt werden. Das gilt auch für den Einsatz von Sklaven als Arbeitskräfte und den Handel mit ihnen, zumal in diesem großen Geschäft die Augsburger Kaufleute des 16. Jahrhunderts insgesamt nur eine geringe Rolle spielten. Mit der europäischen Expansion, an der sich in der Frühzeit die Augsburger Handelshäuser beteiligten, stellt sich letztlich das große Thema des Kolonialismus, den wir heute zwiespältig bewerten. Während einst guten Gewissens der Wagemut der Entdecker, die Tatkraft der Handelsherren und die Verbreitung der Segnungen der europäischen Zivilisation gefeiert wurden, richtet sich der Blick heute eher auf die Schattenseiten dieser Geschichtsepoche. Heldenstatus wie früher genießt deshalb die herausragende Persönlichkeit von Bartholomäus Welser durch seine Unternehmungen in Venezuela mit dem Versuch der Errichtung eines Kolonialreichs nicht mehr, weshalb dieser bezeichnenderweise ganz beiläufig abgehandelt wird. Der Streit um den richtigen Umgang mit den heute kritisch gesehenen geschichtlichen Tatsachen wie Kinderarbeit und Sklaveneinsatz scheint einer der Gründe gewesen zu sein, warum es wenige Monate vor der Eröffnung des Fugger-und Welser-Museums noch zu heftigen Auseinandersetzungen und zum Einsetzen neuer Kuratoren kam. Europa- und weltweite Handels- und Wirtschaftsbeziehungen erfordern ein dichtes Geflecht von Niederlassungen mit entsprechenden Verbindungen und einem funktionierenden Nachrichten- übermittlungssystem zwischen ihnen und der Zentrale. Sinnbildlich spiegelt sich dieses Netzwerk in der Fugger’schen Schreibstube mit dem Schrank der Handelsregistratur, der Fächer für Rom, Venedig, Ofen, Krakau, Mailand, Innsbruck, Nürnberg, Antwerpen und Lissabon aufweist.

“Ein gewisser Eindruck der Banalität”

Im ersten Stock mit dem Thema der Fernverbindungen steht deshalb ein Nachbau dieses Schranks im Mittelpunkt. Vor ihm kann der Besucher in Form eines Hologramms Jakob Fugger beim Erörtern geschäftlicher Strategien und politischer Einflussnahmen mit Bartolomäus Welser erleben. Gerade im Internetzeitalter erscheint es umso unglaublicher, wie die Augsburger Handelsimperien von Lissabon bis Danzig eff ektiv geführt werden konnten. Gerade dies macht aber den besonderen Erfolg der Augsburger Firmen im Vergleich mit anderen Handelsstädten aus und entsprach der Ausdehnung des Reichs Karls V. Dass neben dem Einsatz von eigenen Boten und Kurieren für die zuverlässige Übermittlung von Nachrichten mit dem Aufstieg der Augsburger Handelshäuser gleichzeitig das Taxis’sche Postwesen mit der zentralen Route über Augsburg aufkam und von ihnen in Anspruch genommen wurde, hängt mit den immer wichtiger werdenden Kommunikationsmöglichkeiten über weite Entfernungen zusammen. Im obersten Stockwerk wird das gesellschaftliche und kulturelle Leben der Augsburger Oberschicht im Zeitalter der Fugger und Welser vorgeführt. Im Mittelpunkt steht dabei der Geschlechtertanz als festliches Ereignis, das für die lebendig werdenden Figuren in Gemälderahmen Anlass für Klatsch und Tratsch, Gespräche über Luxus und Mode sowie die Vertiefung geschäft licher und familiärer Beziehungen wird. Bei diesen Plaudereien wie schon den Unterredungen zwischen Jakob Fugger und Bartholomäus Welser beschleicht einen doch das Gefühl, dass bei dieser Mischung von Schulfunk- und Alltagssprache der Gegenwart die Distanz zu einer von uns durch ein halbes Jahrtausend getrennten Epoche etwas schnell eingeebnet wird und stellenweise hausbacken erscheint. Vergleiche mit Presse- und Opernball sowie der Kunstförderung durch Stadtsparkasse und LEW tun in der mitlaufenden Rubrik „und heute“ dann noch ein Übriges für einen gewissen Eindruck der Banalität.

Briefe von Jakob Fugger gibt es, ein stärkerer Rückgriff darauf hätte die vertraut und zugleich fremd wirkende Geistes- und Gefühlswelt dieser Zeit eher lebendig werden lassen. Zu kurz kommt dabei die überragende Rolle gerade der Fugger und auch der Welser als Auftraggeber und Förderer von Kunst und Kultur sowie Unterstützer des gelehrten Lebens. Nur ihre Rolle bei der Förderung des Musikkultur wird ausführlich beleuchtet. Dabei sind Themen wie die Fugger und die Kunst sowie ihren Büchersammlungen schon dicke Bände gewidmet worden. Den großartigen Kunstwerken in Kirchen und Museen sowie den wertvollen Handschrift en und Drucken in den großen Bibliotheken der Welt verdanken die Fugger doch einen Großteil ihres Ruhms.

“Im ganzen Erlebnismuseum ist kein einziges Bild des Fugger-Stadtpalais zu sehen”

Dies lenkt den Blick auf das grundsätzliche Problem des Umgangs mit dem kulturellen und damit letztlich touristischen Kapital, das die Fugger und weniger die Welser ihrer Vaterstadt hinterlassen haben. Es ist ein unbestreitbar großes Verdienst der Regio, erst einmal eine Stätte geschaffen zu haben, in der die Bedeutung der beiden großen Augsburger Handelshäuser mit sehr soliden wissenschaft lichen Informationen auf hohem Niveau entfaltet und vor Augen geführt wird. Ein Gartenhaus mit einem virtuellen Museum kann aber auf Dauer nicht das letzte Wort in Sachen der Präsentation der Fugger in der Fuggerstadt sein, wenn es im Zentrum dieser Stadt ein Palais dieses Geschlechts gibt, das jahrhundertelang der Mittelpunkt des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens von Kaiser Karl V. bis zum Schwedenkönig Gustav II. Adolf war. Erstaunlicherweise ist in dem ganzen Erlebnismuseum kein einziges Bild weder des Äußeren noch des Inneren dieses Stadtpalais zu sehen, im Übrigen auch nicht der alten Welser’schen Firmenzentrale an der Karolinenstraße. Als die bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Fugger werden ausdrücklich nur die Fuggerei, die Fuggerkapelle in St. Anna, Schloss Babenhausen und Schloss Kirchheim genannt, im Begleittext werden noch die Fugger’schen Grabkapellen in St. Ulrich und Afra erwähnt.

Die Übernutzung des Damenhofs müsste eingeschränkt werden

Die Übernutzung des Damenhofs müsste eingeschränkt werden

Durch die Verlagerung des Fuggermuseums und des Fuggerarchivs von Augsburg nach Babenhausen bzw. Dillingen hat die Ausstrahlung der Fuggerstadt als solcher nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sehr gelitten. Wenigstens im Falle des Museums sollte diese kriegsbedingte Entscheidung wieder revidiert werden und damit das Stadtpalais wieder als zentrale Stätte der Begegnung mit der Geschichte der Familie in den Mittelpunkt rücken. Trotz der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg vermöchten die Fuggerhäuser immer noch eine Ahnung von dem Glanz und der Größe des einstigen Handelshauses zu vermitteln. Dazu müssten sie sich stärker öffnen, die gastronomische Übernutzung des so genannten Damenhofs, eines großartigen Denkmals der deutschen Frührenaissance, müsste eingeschränkt werden, die kulturhistorisch bedeutendsten profanen Räume des 16. Jahrhunderts in Augsburg, die so genannten „Badstuben“, die Sammlungs- und Bibliotheksräume Hans Fuggers, müssten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, das frühere Augsburger Fuggermuseum müsste wieder von Babenhausen in das Stadtpalais zurückgeführt und damit verbunden werden. Zusammen mit den übrigen in Augsburg erhaltenen Zeugnissen von der Grabkapelle in St. Anna bis zum Portrait Jacob Fuggers des Reichen von Albrecht Dürer in der Staatsgalerie ließe sich damit eine authentische Vorstellung von der Pracht und Herrlichkeit der „deutschen Medici“ gewinnen. Bei aller Freude über das Erreichte darf man doch nicht das Gespür dafür verlieren, wie es wäre, begäbe man sich nach Florenz und würde für die Medici hauptsächlich auf ein ähnliches Erlebnismuseum verwiesen. Das Ziel einer umfassenderen Präsentation der Blütezeit Augsburgs mit originaler Substanz und moderner Museumstechnik zugleich in nicht allzu ferner Zukunft sollte nicht ganz aus den Augen verloren werden, auch wenn der Weg nicht einfach sein wird.

Bis dahin wäre sehr zu wünschen, dass anlässlich eines der anstehenden Jahrestage wie des 500-jährigen Jubiläums der Kaiserwahl Karls V. mit Geldern der Fugger und Welser im Jahre 2019 wieder einmal eine großartige Ausstellung verwirklicht werden könnte, wie das in den kargen Nachkriegsjahren 1950 mit „Fugger und Welser. Oberdeutsche Wirtschaft, Politik und Kultur im Spiegel zweier Geschlechter“ möglich war.

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Dieser Artikel erschien bereits im Novemberheft 2014 in der Edition Schwaben.