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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Die Restauration der Flussgötter schließt die Wiederkehr des Party-Mobs aus

Warum die Gitter bei den Prachtbrunnen verschwinden müssen und warum der Party-Mob auf der Maximilianstraße nichts verloren hat

Von Siegfried Zagler

Trading-Down-Effekt durch enthemmte Gastronomie: Trink-Stand beim Maxfest

Die Stadt Augsburg hat sich unlängst mit einem „Pritschelbrunnen“ für Kinder in der Fußgängerzone blamiert. Das Ding ist künstlerisch und handwerklich dergestalt misslungen, dass man es nicht wagt, ein Bild dafür zu finden. Wenn man es mit dem Attribut „vorgartenmäßig“ bezeichnen würde, würde sich zu Recht jeder Vorgartenbesitzer herablassend behandelt fühlen. Nun war auf Nachfrage von Baureferent Gerd Merkle zu erfahren, dass es sich um ein Provisorium handelt, weil die Stadt das Kindervergnügen mit Eile rechtzeitig zum Marktsonntag fertiggestellt hatte. Die Düsen und die grobe Verfugung werden spätestens Ende Oktober von feineren Materialien ersetzt. Gut möglich, dass sich dann die Gesamterscheinung ein wenig verbessert. Die Frage, ob es nicht besser und billiger gewesen wäre, hätte sich die Stadt ihren Pritschelbrunnen bei einem Baumarkt bestellt, bleibt vermutlich dennoch weiter im Raum stehen.

Nachdem die Süddeutsche Zeitung es „verbadscht“ hatte, dass es sich bei den Flussgöttern (und anderen Figuren) am Augustusbrunnen um wertvolle Werke handelt, hat sich die Stadt ins Zeug gelegt und Mittel aus privaten Stiftungen aufgetrieben, um die orginären Kunstwerke  durch Abgüsse zu ersetzen. Dies war gestern von der Stadt via Pressemitteilung zu erfahren. Im gleichen Text wurde die Erwartung geweckt, dass ein Schutzgitter um den Herkulesbrunnen nur eine Frage der Zeit sei. – Gerd Merkle wollte dieser Aussage nicht widersprechen, wies aber sehr dezidiert darauf hin, dass es bezüglich der geplanten Max-Linie noch viele Fragezeichen gebe und es nicht sicher sei, ob eine Straßenbahn durch die Maxstraße genug Platz für eine historische Umgitterung lasse. Um es kurz zu machen: Letztlich hängt es von der Straßenbahnführung der Stadtwerke ab, ob es möglich ist, das Partyvolk mit einem Gitter von der der Kunst eines Adrian de Fries fern zu halten.

„Wer auf oder in den Brunnen will, schafft das auch mit Gitter“, so Merkle gestern zur DAZ. Merkle sieht die Gitter um die Brunnen relativ leidenschaftslos, dabei könnte er sich viele Sympathien verschaffen, würde er Leidenschaft in eine andere Richtung entwickeln: Merkle sollte sich dafür ins Zeug legen, dass die Gitterverschlüsse um den Augustusbrunnen und den Merkurbrunnen wieder verschwinden. Als der Städteplaner Frieder Pfister seinerzeit der Stadt vorschlug, die Lechkanäle der Altstadt wieder offen zu legen, war der hohe Rat begeistert, nicht nur wegen des Arguments, dass die Kanäle in heißen Sommern das Klima in der Altstadt erträglicher machen, sondern auch wegen der philosophischen Denkungsart: Eine offene Gesellschaft legt offen, was sie hat. Eine freie Stadt betoniert nicht ihre Kanäle zu und vergittert nicht ihre Brunnen.

Stefan Sieber, Gastronom und zuständig für das Modularfestival des Stadtjugendrings, hätte gerne wieder das alte dreitägige Sauf-und Fressfest auf der Maxstraße zurück, weil sich das die jungen Leute bei einer Umfrage wünschten. Sieber hat das sinn- und geistlose Massenfest mit einem euphemistischen Etikett versehen: „Gastronomiefest“. Ein verräterisches Etikett. Die SPD hat sich die Reanimation des Gastronomiefests ins Wahlprogramm 2014 geschrieben und die Wahl mit Pauken und Trompeten verloren. Mit der Landjugend, die am Wochenende das Maxfest bevölkert, lässt sich keine Wahl gewinnen. Der entscheidende Punkt für ein No-Go eines Maxfests ist aber die Neugestaltung der Maxstraße mit einer Straßenbahnlinie, die dann eine Woche nicht mehr verkehren könnte. Ein weiteres No-Go: Die seit der Katastrophe in Duisburg gestiegenen Sicherheitsauflagen. Sieber und Freunde behaupten, dass sich jede größere Stadt eine Art Maxfest leiste. Das ist falsch. Das Augsburger Maxfest ist ein Synonym für Provinz- und Kiesgrubenparty. Und wenn sich die SPD bei „ihrem“ Maxfest mehr Überbau und kulturelle Aktivitäten wünscht, dann sollte sie einen Maibaum-Wettbewerb, ein Traktor-Geschicklichkeitsrennen und einen Kirschstein-Weitspuck-Contest vorschlagen.

Drei Tage Party-Gedöns im Sommer bedeutet, dass in der Maxstraße die Geschäfte schließen. Die Verslumung der Maximilianstraße hat mit der dort ansässigen Gastronomie begonnen. Eine Gastronomie, die in ihrer Häufung ein Quartier in den Niedergang treibt. Eine Gastronomie, die bekämpft und nicht befeuert werden sollte. Wer will, dass die Stadt ihre Brunnen und ihre Prachtstraße (letztere für eine Woche) komplett vergittert, um sie für Alkohol-Exzesse tauglich zu machen, hat die Überwindung des Mittelalters nicht mitvollzogen und somit die Renaissance nicht verstanden.