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Donnerstag, 18.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Kommunale Finanzen: “Bundesregierung muss endlich gestalten statt nur verwalten”

Zum Austausch über die Situation der Finanz­haushalte der Kommunen und des Bundes haben sich die Grüne Bundestags­abgeordnete Ekin Deligöz, Christian Moravcik, Stadtrat und Finanz­politischer Sprecher der Grünen Stadtrats­fraktion und der Vorstand des Grünen Stadtverbands in Augsburg getroffen.

v.l.: Frédéric Zucco, Matthias Strobel, Christian Moravcik, MdB Ekin Deligöz und Marianne Weiß

v.l.: Frédéric Zucco, Matthias Strobel, Christian Moravcik, MdB Ekin Deligöz und Marianne Weiß


Im Mittelpunkt des zweistündigen Fachgesprächs am vergangenen Donnerstag standen die Entwick­lungen der Finanzen auf Bundes­ebene und deren Auswirkungen auf die Kommunen. Auf der anschließenden Pressekonferenz führte Christian Moravcik aus, dass die finanzielle Situation der Kommunen immer schwieriger werde: “Die Sozialausgaben der Stadt Augsburg nähern sich der 50%-Grenze des Verwaltungshaushalts und damit der Summe von ca. 300 Mio. Euro an”.

Der Handlungsspielraum für Investitionen und für politisches Gestalten werde von Jahr zu Jahr kleiner: Durch Altersarmut, den demographischen Wandel und Armutszuwanderung würden die Sozialleistungen weiter steigen, vom Bund verursachte Kosten wie der Ausbau von Kindertagesstätten würden nicht vollständig ausgeglichen. Die Bundesförderung von Projekten im Sozialbereich und bei der Jugendhilfe sei meist nur befristet. Augsburg habe zudem das Problem eines gewaltigen Investitionsstaus bei Schulen, Sportstätten und dem Theater. Im Gegensatz zu den umliegenden Landkreisen trage die Stadt Augsburg die Hauptlast der Sozialleistungen, denn 66 Prozent der armutsriskanten Gruppen leben in Städten.

“Im Bund wird nicht investiert, sondern verwaltet”

66 Prozent der armutsriskanten Gruppen leben in Städten: Arbeitslosenquote Augsburg im Vergleich zum Landesdurchschnitt

66 Prozent der armutsriskanten Gruppen leben in Städten: Arbeitslosenquote Augsburg im Vergleich zum Landesdurchschnitt


Dem Bund gehe es dagegen vergleichsweise gut. Trotzdem sinke die Investitionsquote, so Ekin Deligöz, Mitglied im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages. “Obwohl die Finanzsituation des Bundes in diesem Jahr relativ gut und der Bundes­haushalt rund 300 Milliarden Euro umfasst, nutzt die Bundesregierung dies nicht, um jetzt umzusteuern und nötige strukturelle Reformen anzugehen. Stattdessen verwaltet die Bundesregierung nur, anstatt nun in Bildung und Erziehung und in die Infrastruktur zu investieren”. Steigende Kosten für neue Aufgaben müssten allein die Kommunen tragen.

Langfristig, so Ekin Deligöz, würde deutlich, dass der Finanzplan der Bundesregierung auf Sand gebaut sei, da die genannten Wachstums­erwartungen und Einnahmen­steigerungen sehr hoch angesetzt sind. Der Bundeshaushalt sei auch zukunfts­vergessen, weil die Heraus­forderungen des demografischen Wandels nicht mit einbezogen sind. Vielmehr würden von Jahr zu Jahr die Rücklagen der Sozialkassen zu Lasten der kommenden Generationen geleert. Und trotz aller Ankündigungen zeige sich, dass der Bundeshaushalt keine wirkliche Hilfe für die Kommunen vorsieht. Die Städtebau­förderung sei seit 2010 um 25 Prozent und das Programm “Soziale Stadt” in den letzten Jahren um 62 Prozent gekürzt worden.

Umfassende Reformen nötig

Für eine tatsächliche Entlastung der Kommunen bedürfe es daher umfassender Reformen, beispielsweise eines anderen Verteilungsschlüssels bei der Schlüsselzuweisung. Vorstellbar seien auch Änderungen beim Ehegattensplitting und eine Reform der Gewerbesteuer, die Selbstständige mit einbeziehe. Während die Einkommensteuer im Gegensatz zur Gewerbesteuer den Kommunen nur anteilig zufließe, wäre damit eine tatsächliche Einnahmeerhöhung bei den Kommunen zu erreichen, so Ekin Deligöz und Christian Moravcik. Auch eine Erhöhung des kommunalen Anteils an der Grundsteuer sowie deren ökologische Steuerungsfunktion beim Flächenverbrauch seien längst überfällig.

Der Bundeshaushalt geht mit einem Volumen von 300 Mrd. Euro in zwei Wochen in die Beratung. Unterstützung für ihre Reformen und Anregungen erhofft sich die Grüne Bundestagsabgeordnete vor allem von der SPD.