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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Aus Integration soll Teilhabe werden

Augsburger Grüne starten Mentoren-Projekt für MigrantInnen

Von Frank Heindl

„Es muss auch in der Politik eine interkulturelle Öffnung geben“, meint Claudia Roth, Bundesvorsitzende der Grünen und Augsburger Bundestagsabgeordnete. Um diesem Plädoyer Nachdruck zu verleihen, hat der bayerische Landesverband der Grünen jetzt die Aktion „Mento-mi“ auf den Weg gebracht, die nun auch in Augsburg startete.

Auf dem Foto: Cem Özdemir, Theresa Schopper (Landesvorsitzende und MdL), Renate Ackermann (MdL Integrationspolitische Sprecherin der Fraktion), Ayfer Fuchs, Cemal Bozoglu (Sprecher und Sprecherin Landes Arbeitskreis Migration Flucht und Menschenrechte) und Mentees aus München, Nürnberg, Augsburg und Schweinfurt.

Mit dem sechsmonatigen „Lehrgang“ für Menschen mit Migrationshintergrund, die sich ein Engagement bei den Grünen vorstellen können, will die Partei das politischen Interesse von MigrantInnen wecken und deren Anteil in den Gremien der Partei erhöhen. „Migranten waren bei den Grünen immer wichtig“, sagt Camal Bozoglu, Sprecher des Landesarbeitskreises Migration und Menschenrechte und Koordinator der „Mento-mi“-Aktion. Doch der Partei geht es um mehr: Die gesellschaftliche Entwicklung, so sieht es Claudia Roth, hinke der Wirklichkeit Entwicklung „um Lichtjahre hinterher.“ Während etwa in der Fußball-Nationalmannschaft der Migrantenanteil widerspiegle, dass ein Viertel der bundesdeutschen Bevölkerung den sogenannten „Migrationshintergrund“ habe. Die immer gleiche Forderung nach „Integration“ müsse endlich abgelöst werden durch ein Angebot an die Zuwanderer: Heutzutage müsse es um Partizipation gehen, also um aktive Beteiligung und Teilhabe – Aspekte also, die sowohl Voraussetzung wie Folge von Integration sein können.

Damit Migranten mitgestalten können, muss sich nicht nur in Verwaltung und Industrie vieles ändern – die Parteien können und müssen vorangehen, meinen die Grünen. Denn auch der Bundestag spiegle „überhaupt nicht“ die Realität wider, einzig bei den Grünen gibt es einen nennenswerten Anteil an Funktionsträgern mit Migrationshintergrund, doch das genügt der Partei nicht – daher nun „Mento-mi“. Vier MigrantInnen haben die Augsburger Grünen ausgesucht, die von September im Rahmen eines festgelegten Programms Strukturen und Arbeitsweise der Partei von innen kennenlernen sollen. Jedem der „Mentees“ ist ein Mentor beigestellt, der sie sozusagen „an der Hand nimmt“ und betreut. Dirk Falkner beispielsweise stammt aus der Ukraine – er wird von dem grünen Stadtrat Christian Moravcik betreut. Die Atomkatastrophe von Fukushima, erzählt der Jurist, habe ihn an den GAU von Tschernobyl in seiner Heimat erinnert – er habe eine Partei gesucht, die sich konsequent gegen die Atomkraft wendet. Unumwunden gibt Cemal Bozoglu zu, dass auch für die Grünen „nur schwer Zugang zum Aussiedlermilieu“ fänden. Wenn aus dieser Gruppe gleich ein ausgebildeter Jurist bei der Partei einsteigt, ist das natürlich ein wichtiger Erfolg.

Zukünftige Experten aus schwer zugänglichen Milieus

Auch Dilan Sencan könnten so eine Expertin aus dem Zuwanderermilieu werden. Noch studiert sie in Augsburg Wirtschaftsrecht – ihre Mentorin ist Stadträtin und Ex-Kulturreferentin Eva Leipprand. Die sieht vielerlei Gründe, MigrantInnen in die aktuelle Politik zu integrieren. Seit sechs Jahren, erzählt sie, sei Cemal Bozoglu in der Fraktion, und er habe „viele neue Gesichtspunkte“ in die Arbeit der Augsburger Grünen eingebracht – „und zwar nicht nur in Migrantenfragen.“

Den „Mentees“ wird in ihrem halbjährigen „Praktikum“ einiges geboten und abverlangt. Zum Pflichtprogramm gehören etwa die Teilnahme an einer Stadtrats- und einer Ausschusssitzung pro Monat, ebenso die Mitarbeit bei Infoständen und Presseerklärungen. Dazu kommen Fraktions-, Kreis- und Bezirkstagsitzungen, Seminare und Verbandstreffen. Der sechsmonatige Zeitraum biete einen deutlich besseren Einblick als die beliebten Praktika, sagt Claudia Roth, denn so bekomme man die „Hochs und Tiefs“ mit. Außerdem stehen Wahlvorbereitungen auf verschiedenen Ebenen an, in Augsburg sogar der Landesparteitag am ersten Dezemberwochenende – auch bei dieser Gelegenheit werden die Neulinge politische Luft schnuppern können.

Auch Fußballgucken gehört zur Ausbildung

Am Ende des Programms, also ungefähr Mitte März, steht dann die Auswertung der Erfahrungen an – auch mit dem Ziel, weitere Mentee-Projekte anzukurbeln und für das Projekt auch anderen Landesverbänden zu werben. Im Bundestag dürfen Mentees übrigens auch an nicht-öffentlichen Sitzungen teilnehmen – das wollen die Grünen nun auch in Augsburg einfordern. Der Zugang zu anderen Veranstaltungen wird da eher einfach sein: „Gemeinsames Fußballgucken“, so Claudia Roth, gehöre unbedingt ebenfalls zur interkulturellen politischen Öffnung.