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Samstag, 20.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Ohne Ende kein Anfang

Die Große Schwäbische in einer unwürdigen Endlosschleife

Gastkommentar von Frank Mardaus

Der BBK und die Große Schwäbische Kunstausstellung müssen sich ändern – und das rasch. Es wird wohl, wie Wolfgang Mennel, ein bekannter schwäbischer Künstler, am Rande der Vernissage äußert, „auf eine Operation am offenen Herzen“ hinauslaufen. Wie konnte es so weit kommen, dass anlässlich der Eröffnung einer lange Zeit bedeutsamen Ausstellung zeitgenössischer Kunst in Bildern der Medizin, nicht aber der Bildenden Kunst gesprochen wird? Pflegefall oder Notfall?

Die Spurensuche beginnt beim BBK, einem Berufsverband also, der mehr auf die korrekte Nennung seines Namens (nämlich Augsburg und Schwaben Nord) Wert legt, als auf eine aktive Suche nach neuen Formen der Präsentation zeitgenössischer Kunst. Mit einem Vereinsvorstand, der nicht zu lamentieren verspricht und genau das beständig tut. Der kämpfen will, sich aber bereits versöhnt zeigt, wenn er mit einem Bezirkstagspräsidenten und einem Kulturreferenten Wege und Lösungen suchen darf. Ein solcher BBK muss sich erneuern.

Dies betrifft zuallererst sein langjähriges Markenzeichen, die Große Schwäbische Kunstausstellung. Seit nunmehr 63 Jahren stellt der Verband zusammen mit der Stadt Augsburg, die früher im Rathaus, nun im Zeughaus die Räumlichkeiten zu Verfügung stellt, eine Auswahl von Werken vor. Alle schwäbischen Künstler sind eingeladen einzureichen. Warum aber wenden sich die Künstler ab? Ist es wirklich das Halteverbot am Zeughaus, welches die Stadt rigoros durchsetzt? Ist es nur der fehlende Kunstpreis, die traditionell schlechte Presse der AZ? Oder sind es die mangelnden Ankäufe durch die städtischen oder staatlichen Sammlungen? Gewiss, all das trifft zu. Aber diese Widrigkeiten teilt die Ausstellung mit vielen ihrer Zunft.

Entscheidend für die zunehmende, beinahe kollektive Absage der Künstler mit oder ohne große Namen ist die fehlende Bedeutung einer künstlerischen Auseinandersetzung am Ort ihrer Präsentation. Der lähmende, weil sich mechanisch wiederholende Ablauf findet seinen unrühmlichen jährlichen Höhepunkt in Satzfragmenten wie diesen: „ …die Künstler zeigen … durch ihre vielfältigen Positionen … dass sie kreativ sind … man kommt ins Nachdenken … über den Zustand der Gesellschaft … überraschend neue Seiten.“ So der Bezirkstagspräsident Reichert – aus einer wohl sorgsam gehüteten Word-Dokumentvorlage.

Andernorts blühendes Leben

Dementsprechend wird man über die Struktur des Publikums wenig überrascht sein. Dabei geht es keineswegs um das nominelle Alter: Es gibt für einen Künstler, wie – ebenfalls am Rande der Eröffnung – Florina Coulin betont, kein Rentenalter. Aber es geht um die lebendige Auseinandersetzung mit einer breiten gesellschaftlichen Schicht von Kulturschaffenden. Während die Große Schwäbische von Ausstellenden und denen, die sich in 63 Jahren daran gewöhnt haben, besucht wird, sieht es andernorts nach blühendem Leben aus. Und zwar ganz ohne (nennenswerten) Ankauf, Preis oder sonstigem Prestige: Im lab 30, in der contemporally, im Höhmannhaus, um nur einige Orte in Augsburg zu nennen.

Der Verband hatte sich über eine historisch lange Zeit zusammen mit der Stadt Augsburg um die Bildende Kunst gesorgt. Es wurden Ankäufe getätigt, Kataloge gedruckt, Preise verliehen, und – was damals erträglich, weil angemessen war – Sonntagsreden über die Kreativität der Künstler gehalten. Heute aber verspricht der Kulturreferent Ankäufe in der Ahnung, sie nicht finanzieren zu können. Heute – und hier ist er durchaus ernst zu nehmen – ist die Bildende Kunst und damit die Legitimation ihrer Förderung weitergewandert. Bildende Kunst muss sich, auch wenn sie von Juroren ausgewählt wird, die von den Künstlern selbst bestimmt werden, selbst einen Raum erobern, nämlich einen in der Gesellschaft bedeutsamen Raum. Ein Verband wie der BBK muss, will er nicht sterben, sich der Operation am offenen Herzen unterziehen. Also sich mutig neu erfinden – auch an anderen Orten als in der Toskanischen Säulenhalle. Es ist dem Verband wie auch den darin organisierten Künstlern zu wünschen, dass eine neue Form der Veranstaltung gefunden wird. Alles ist besser als – so dann der Bezirkstagspräsident in einer Abweichung von seiner üblichen Rede, „die 37 Jahre bis zum 100. Geburtstag“ in lähmendem, vergreisten Siechtum weiterzuführen. BBK, das sollte nach mehr als nach Krankenkasse klingen.

Der Verfasser Frank Mardaus ist Künstler, Mitglied im BBK und einer der Juroren der „Großen Schwäbischen Kunstausstellung“ sowie kulturpolitischer Sprecher der Augsburger SPD.